Das Geheimnis der Toten von Zerbst. Roberto Schöne. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roberto Schöne
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847682752
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ging telefonieren. Und das dauerte. Ganz Sachsen-Anhalt schien gerade eben die Polizei anzurufen. Da die Tür zum Zellentrakt nur angelehnt war, konnte Richie die Stimme von Polizeimeister Craner deutlich hören. Doch er gab sich keine Mühe zu erraten was die Telefonpartner von der Polizei wohl wollten. Stattdessen versuchte er sich eine Strategie für sein weiteres Vorgehen zurechtzulegen. Und Nachdenken ist wichtig. Was ist hier nur die ganze Zeit gelaufen? Einfacher, überschaubarer Auftrag und nun ist die Hauptperson tot. Wieso hatten die Polizisten den Pickup nicht gesehen? Hatten sie am Straßenrand geschlafen und sind durch das Vorbeirauschen munter geworden? Dann den nächstbesten gegriffen? Gut er war auch etwas zügig unterwegs als die Verkehrsordnung besagte. Und dann der Funk. Er hatte nicht mehr überprüfen können ob sein Gerat kaputt war oder eine Netzstörung vorlag. Und wieso fuhr Daniela Straube in Richtung Dessau? Hatte sie das selbst entschieden oder mit Mike Hartig abgestimmt? Der wird ja wahrscheinlich der Rothaarigen gefolgt sein. Und nach deren Nummernschild zu urteilen musste sie nach links, wenn sie nach Hause wollte. Weiter konnte er seinen Gedanken nicht nachhängen, da der Arzt kam. Er hatte Gognik und Franzke im Schlepptau, oder umgekehrt. Richie sah auf die Uhr. Tolle Leistung. Sie hatten eineinhalb Stunden gebraucht um den Doktor zu holen. In dieser Zeit hätte Zender es ja bis zurück nach Dresden geschafft.

       „Guten Abend. Ich bin Doktor Berkley und werde Ihnen jetzt etwas Blut abnehmen. Bitte machen Sie den linken Arm frei.”

       „Wenn Sie meine Blutgruppe wissen wollen können Sie sich die Arbeit sparen, Doktor. Die steht in meinem Blutspenderausweis.”

       „Schön für Sie, aber das ist nicht meine Aufgabenstellung. Und nun machen Sie mal hin, ich will mir nicht den ganzen Abend versauen wegen Ihnen. Die Unterbrechung reicht schon.”

       „Wegen mir hätten Sie nicht kommen brauchen”, sagte Richie und streckte den entblößten linken Arm hin. Der Doktor verstand seinen Job. Keine Minute und zwei Röhrchen mit Blut waren abgezapft. Richie sah ein, dass er auch hier nichts anzusprechen brauchte. Der Arzt war schon genervt genug wegen der Unterbrechung am Sonnabendabend.

       „Viel Spaß bei der Dopingüberprüfung”, konnte sich Richie nicht verkneifen zu sagen. Doktor Berkley ging und Franzke schaltete das Licht aus und schloss die Tür zum Zellentrakt. Nur die Notbeleuchtung spendete einen schwachen Lichtschimmer. Zender legte sich auf die Pritsche und verschlang seine Arme hinter dem Kopf. So das war‘s dann für heute, dachte er. Soviel Pech hatte er schon lange nicht mehr. Wenn er es sich so richtig überlegte war dies in den letzten Jahren der erste Fall den er ohne seinen Bruder Benno angegangen war. Das hieß, wenn er in der Gegend zu tun hatte. Was selten genug der Fall war. Hongkong, Riga, Belgrad, Kapstadt, Novosibirsk, Bahia, L.A. und Bogota. Um nur einige seiner Orte zu nennen. Rund um den Globus haben ihn die Jagden nach diversen Verbrechern schon geführt. In der letzten Zeit hatte er sich mehr den schweren Jungs in Deutschland, speziell in Sachsen gewidmet. Seiner Heimat. Denn die Zeiten als die großen Coups weit weg geschahen sind vorbei. Das Geschäft mit der Sicherheit hat auch Deutschland erreicht. Und in den nächsten Jahren wird dieser Trend weiter anhalten. Dessen war Richie sich vollkommend sicher. Und der Plan eine schlagkräftige Truppe aufzubauen und von hier aus zu leiten, hatte er schon lange im Hinterkopf. Sein Bruder Benno und er arbeiten schon länger zusammen. Benno saß zwar im Rollstuhl, aber kontrollierte im Hintergrund die Einsätze. Und das hatte bislang immer zum Erfolg geführt. Die alte Zentrale in Pirna Zehista wurde von ihnen aufgegeben, dafür eine Neue in Pirna Copitz errichtet. Die sollte der Hammer sein. Richie war noch nie da. Heute wäre die Premiere gewesen. Und was machte er stattdessen? Lies sich einbuchten. Es war zum heulen. Hätte er lieber den Einsatz verschoben, dann wäre das sicher nicht so gelaufen. Mit Benno lief die Sache einfach immer glatt, irgendwie. Nun werde ja nicht Abergläubisch, dachte Richie. Da er davon ausgehen konnte das hier erst mit der Dienstübergabe am Sonntagmorgen 8.00 Uhr wieder etwas Entscheidendes passieren könnte, entschied er sich zu schlafen. Das konnte nie schaden, zumal er auch gerade nichts anderes vor hatte.

      Als er erwachte war es draußen noch dunkel. Er hatte den Umständen entsprechend gut geschlafen. Eigentlich stellte er keine großen Ansprüche an Schlafkomfort. Die Hauptsache er konnte liegen. Ein Blick auf die Uhr zeigte an, dass die Dienstübergabe erst in 2 Stunden sein würde. Darum dämmerte er noch mal leicht ein, bis durch den Krach im Dienstzimmer nach zu urteilen, die Übergabe in vollem Gange sein musste. Das lies neue Hoffnung aufkommen. Es sollte doch wohl möglich sein, dass wenigstens ein halbwegs vernünftiger Beamter in dieser Dienststelle anzutreffen ist. Als ob sein Wunsch erhört worden wäre ging die Tür auf und ein unbekannter Polizeimeister erschien vor dem Zellentrakt.

       „Los mit kommen”, knurrte der Polizist, während er Richies Zelle aufschloss. Zender stand auf und folgte dem Mann. Er wurde in einen separaten Dienstraum gebracht, wo ein aufs feinste gekleideter Mann hinter einem riesigen Schreibtisch saß. Er trug keine Uniform.

       „Bitte nehmen sie doch Platz”, wandte er sich freundlich an Richie, als der Polizeimeister die Tür zum Dienstzimmer geschlossen hatte. Der Beamte hinter dem Schreibtisch vertiefte sich wieder in irgendwelche Unterlagen die vor ihm lagen und es schien, als hätte er Richie fast vergessen. Tatsächlich jedoch beobachte er Richie und versuchte sich ein Bild von ihm zu machen. Zender war mit dieser Taktik vertraut und versuchte seinerseits den Mann einzuschätzen. Altersmäßig war er so um die dreißig, hatte sein Haar nach hinten gekämmt, ohne Scheitel, was seinem Kopf eine gewisse Fülle verlieh. Die Gesichtsform war eher schmal. Ohne die Frisur hätte er wahrscheinlich wie ein Tropfen ausgesehen. Er hatte sich für den Dienst frisch rasiert und roch nach Aftershave. Die Marke kannte Richie nicht. Seine Hände waren sehnig und lagen ruhig auf dem Tisch. Doch was sind schon Äußerlichkeiten. Er strahlte Ruhe aus. Die Körpergröße schätzte Richie auf 1,75 Meter, wenn der Umriss harmonisch wirken sollte. Sitzende Personen ließen sich schon immer schwer in ein Größenprofil einordnen. Er war genau der Typ den man sich wünscht, um mit seinen Problemen einen Gesprächspartner zu finden. So, dachte Richie, jetzt müsstest du aber das Gespräch beginnen mein Freund, ansonsten hast du deine Chance vertan.

       „Ich bin Kommissar Koschinski und heute hier der leitende Diensthabende. Sie haben die Nacht bei uns verbracht? Ich hoffe doch sie hatten keine Unannehmlichkeiten?”

       „Hab schon lange nicht mehr so entspannt geschlafen, wo doch der lange Arm des Gesetzes über mich gewacht hat.” Beide lächelten sich an.

       „Und warum sind Sie hier, Herr…”

       „…Zender. Wenn Sie das nicht wissen, dann wird es aber Zeit das Sie mich gehen lassen.”

       „Warum sind Sie mit so hoher Geschwindigkeit auf der Landstraße unterwegs gewesen?”, fragte der Kommissar, ohne auf Richies Bemerkung einzugehen.

       „Mit wie hoher Geschwindigkeit?”, fragte Richie zurück. „Ich bei keiner Geschwindigkeitskontrolle dokumentiert worden, woher will da jemand wissen wie schnell ich gefahren bin?”

       „Sie streiten doch die Tatsache nicht ab…”

       „…das ich zügig gefahren bin, weil ich einen Unfall gesehen hatte und Hilfe holen wollte.”

       „Davon steht hier nichts.”

       „Weil Ihre Kollegen das gar nicht wissen wollten. Wahrscheinlich liegt der Mann immer noch am Straßenrand und wartet auf Hilfe.” Die wahren Umstände und den Tathergang verschwieg Zender.

       „Wo…?”, fragte Koschinski nur ohne den Satz zu vollenden. Richie beschrieb die Stelle. Danach telefonierte der Kommissar und schickte einen Streifenwagen dorthin. Dann warf er wieder einen Blick auf die Papiere die er vor sich liegen hatte.

       „Warum fahren Sie eigentlich zu nachtschlafender Zeit hier durch Sachsen-Anhalt?”, erkundigte sich Kommissar Koschinski. Richie musste stark an sich halten um nicht vom Stuhl zu fallen.

       „Herr Kommissar, das ist so die dämlichste Frage die ich in den letzten Jahren zu hören bekommen habe. Ob Sie es mir glauben oder nicht. Und selbst wenn ich einen Grund hätte ginge es Sie nichts an. Oder verplempern Sie die Steuergelder neuerdings, indem Sie recht schaffende Bürger von der Straße weg fangen um eine gemütliche Talkrunde zu veranstalten?” Um eine Entgegnung kam Koschinski herum, da das Telefon klingelte. Er nahm das Gespräch entgegen. Schüttelte mehrmals mit dem Kopf und legte schließlich, mit einem eigenartigen, nachdenklichen Blick auf.