2
Zender legte einen Formel 1 reifen Start hin. Von 0 auf 100 in 4 Sekunden. Das konnte sich sehen lassen. Er hatte noch keinen Kilometer zurückgelegt, als er rund dreihundert Meter vor sich ein rotes Licht auf und ab bewegen sah. Die Kelle einer Verkehrskontrolle. Polizei! Der erste Gedanke war einfach weiterzufahren. Wir sind hier doch nicht im Wilden Westen. Eher im Wilden Osten. Doch so was kam nicht in Frage. Außerdem wäre es sowieso nicht möglich gewesen, da der zweite Polizist am Steuer seines Wagens saß und notfalls mit dem Fahrzeug eine Blockade errichtet hätte. Also runter bremsen, schnell noch das Nachtsichtgerät im Geheimfach hinter der Mittelkonsole verschwinden lassen, Minifernseher im Armaturenbrett einrasten und deaktivieren der Sonderextras. So jetzt war das Auto normal. Zender stoppte bei dem Polizisten mit der Kelle.
„Allgemeine Verkehrskontrolle, haben Sie Alkohol getrunken? Sie sind zu schnell gefahren. Bitte Führerschein und Zulassung.” Zender reichte beides in der Hoffnung schnell weiter zu kommen. Er verzichtete diesmal sogar auf seine üblichen Bemerkungen. Auch Kritik, die Beamten hatten sich nicht vorgestellt, verkniff er sich. Er musste Darkows Ermordung melden. Der nächste Satz ließ Zenders Hoffnungen aber leider nicht wahr werden.
„Bitte stellen Sie den Motor ab, und steigen Sie aus.” Zender tat was man von ihm verlangte. Innerlich kochte er vor Wut, hielt es aber unter Kontrolle. Der zweite Polizist hatte inzwischen seinen Streifenwagen verlassen und postierte sich schräg hinter Zender und hatte die rechte Hand auf seine Pistole gelegt.
„Also Sie sind zu schnell gefahren…”
„Woher wollen Sie das wissen?”
„Das haben wir gesehen, was Micha?” Der Zweite nickte.
„Und gemessen?”, fragte Zender.
„Brauchen wir nicht, dass war so schnell genug.”
„Da hätten Sie aber den Wagen vor mir auch anhalten müssen.”
„Welchen Wagen?” Stopp, dachte Zender, sind die überhaupt echt? Der Pickup war eh weg. Also schau ich mir mal die Polizisten an. Beide Hauptwachtmeister. Bestimmt Revier Dessau. Bevor er noch irgendetwas entgegnen konnte übergab der Polizist mit der Kelle Zenders Papiere an seinen Kollegen, den er mit Micha angeredet hatte. Zu Zender sagte er: „Sie werden uns begleiten müssen.” Richie wollte aufbegehren, aber unterließ es. In dem Moment als die beiden Zender auf den Rücksitz des Polizeiwagens verfrachten wollten, fuhr an ihnen Daniela mit ihrer Honda vorüber. Ihre Geschwindigkeit war auch nicht langsamer als seine vorher. Die Beamten reagierten überhaupt nicht. Sie knallten hinter Richie die Tür zu und Micha klemmte sich hinter das Steuer. Der andere holte den Skoda. Der Schlüssel steckte ja noch.
„Wohin geht’s?”, erkundigte sich Zender beiläufig und rechnete mit keiner Antwort.
„Aufs Revier natürlich, oder wollten Sie mit uns Essen fahren?” Das war erstaunlich. Die beiden Fahrzeuge starteten und fuhren die Landstraße in Richtung Dessau. Von Daniela oder dem Nissan Pickup war nicht die geringste Spur zu sehen. Sie hatten Richie keine Handschellen angelegt, da die Sicherheit des Fahrers durch ein Gitter zwischen den Sitzreihen getrennt war. Was sollte ich als nächstes unternehmen, fragte sich Richie und kam zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis. Er hatte im Moment nicht die Hauptrolle im Spiel, und das war nicht sein Ding. Er musste schnellstens wieder die Handlung übernehmen und erhoffte sich eine Wendung auf dem Revier. Er betete zu Gott, dass seine Partner, wenigstens über Funk verbunden, die Angelegenheit in den Griff bekamen. Doch viel gab er nicht darauf. Wenn Daniela den Unbekannten mit dem Pickup finden sollte, dann sollte sie Lotto spielen. Da standen die Chancen auch nicht schlechter. Sie hielten vor dem Polizeirevier in Dessau-Kochstedt. Die Tür neben Zender wurde aufgerissen und der Kellen Schwenker starrte ihn mit düsterer Miene an.
„Los aussteigen”, wurde er angeblafft. Sie betraten den Dienstraum. Ein Polizeimeister, der an einem PC saß, stand umgehend auf und fragte: „Wen bringt Ihr denn da zu später Stunde?”
„Ein Raser. Setzten ihn erst mal fest. Gehen den Doktor holen und müssen noch zur Gartenstraße. Sind gleich wieder da.” Das war Micha, der zu dem Mann am PC gesprochen hatte.
„Craner, Du kannst schon mal die Daten aufnehmen”, sagte der Kellen Schwenker zu seinem Kollegen, als Richie endlich hinter Gitter saß. „Und lass den lieber da drin, ist sicherer.” Craner grinste und stellte den Karton mit Richies Sachen in den Schrank. Das war dann doch eine kleine Abwechslung am Sonnabendabend.
„Warum bin ich hinter Gittern?”, fragte Zender als die anderen beiden weg waren.
„Alles zu seiner Zeit”, gab Polizeimeister Craner zur Antwort. „Erst nehmen wir mal Ihre Personalien auf.”
„Ich möchte Telefonieren”, sagte Richie, der sich kurzer Hand entschlossen hatte doch auf Hilfe von außen zu setzen. Diese blöde Geschichte kam doch raus. So oder so.
„Wen wollen Sie anrufen? Ihren Anwalt?”
„Ja.”
„Sie sind doch noch wegen gar nichts beschuldigt worden.”
„…aber sitze hinter Gittern wie ein Schwerverbrecher.”
„Gognik und Franzke werden schon ihre Gründe haben.”
„Ich möchte ihren Vorgesetzten sprechen.”
„Der ist bestimmt schon im Bett.”
„Dann wecken Sie ihn, verdammt noch mal.”
„Alles zu seiner Zeit”, sprach Craner. „Erst nehmen wir mal Ihre Daten auf.” Das sind die Beamten die wir brauchen, dachte Zender. Behalten in jeder Lage einen kühlen Kopf und Arbeiten die Vorschriften ab. Richie hoffte das der Arzt bald eintraf und er dann etwas in Gang bringen konnte. Doch zunächst hatte ihn Craner in seinen Krallen. Der hatte sich einen Laptop geholt und setzte sich vor Richies Zelle. Richie kochte vor Wut.
„Name?”
„Zender.”
„Vorname?”
„Richie.”
„Wie schreibt man das?”
„Wegen mir kannst du auch 3 Kreuze machen.”
„Komm mir ja nicht blöde.”
„Das wird nicht mehr nötig sein. Richie geschrieben und Ritschie gesprochen.”
„Geburtsdatum?”
„01.11.1960.”
„Alter?”
„Als ich Polizeimeister war konnten wir das noch im Kopf rechnen. Oder stimmt der Witz doch, dass ein Polizist nur ein ganzer Kerl ist, wenn er seinen Hund dabei hat. Und Hunde sehe ich hier aber nicht.” Craner guckte wie eine Gans wenn es blitzte. Dann sah Richie Wut über seine Äußerung im Blick des Polizeimeisters. Als es so aussah das er jeden Moment explodierte, fing er sich wieder und stotterte.
„Wir, wir sind Kollegen?”