Ein Jahr mit Dir. Lisa Karen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lisa Karen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847680499
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Hüte?

      »Ich weiß, es ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber mein Papa liebt mich einfach zu sehr!« Sie strahlt über das ganze Gesicht und tänzelt an den Abendkleidern entlang.

      »Ja, das scheint wirklich eine ganz besondere Liebe zu sein!« Immer noch schockiert von der Masse an Kleidung, bemerke ich nicht wie Marguerite verschiedene Kleider aus dem Schrank nimmt und mir an den Körper hält. »Was machst du da?« Sie scheint wie besessen von ihren Sachen zu sein. »Ich überlege, ob dir dieses Kleid von Chanel oder das Kostüm von Jean Patou besser stehen würde. Zusammen mit der Tasche von Hermes und diesen Sandaletten. Ah, ich glaube die Cremefarbenen passen besser dazu. Ja, ich glaube das funktioniert.« Bitte was?

      »Ich mag meine Sachen! Außerdem haben wir ja nicht vor zu einer Gala zu gehen.« Mit einem Mal scheint sie wie erstarrt und blickt mich mit weit aufgerissenen, ja beinahe vorwurfsvollen Augen an.

      »Ich glaube, ich muss dir mal eine Sache gleich von Anfang an klar machen. Paris ist nicht nur die Stadt der Liebe, sondern auch die Stadt der Mode. Sie lebt beinahe von ihr. Jeder Designer, der etwas von sich hält kommt hier her, weil wir Pariser unsere Passion zur Mode leben. Wir werfen uns morgens nicht einfach nur irgendein Stück Stoff über und sagen dann: „Ich mag meine Sachen!“ « Oh mein Gott, da scheine ich wohl in einen Bienennest gestochen zu haben. Und der Inhalt gefällt mir wirklich gar nicht!

      »Jedes unserer Kleidungsstücke spiegelt unser Innerstes wieder, unsere Stimmung, unseren Glauben, unsere Sexualität!« Was habe ich nur getan? Sie scheint das wirklich ernst zu meinen.

      »Ich kann mir nicht vorstellen, dass du nur hergekommen bist, um dir den Eiffelturm anzusehen, oder?« Ihr Blick wird weicher und ich glaube ein verschmitztes Lächeln zu erkennen. Sollte ich ihr vielleicht von Bastian erzählen? Vielleicht könnte sie mir helfen ihn zu finden. Seit gestern ist nicht eine Minute vergangen, in der ich nicht an ihn gedacht habe. Das Gefühl von seinem Atem in meiner Kniekehle ist noch genauso intensiv spürbar wie gestern. Es wäre eine Tragödie, wenn wir nur diese eine Zugfahrt miteinander gehabt hätten. Von der ersten Sekunde an, wusste ich, dass zwischen uns eine ganz besondere Verbindung besteht.

      »Ja, du hast ja Recht Marguerite. Um ehrlich zu sein, durfte ich schon ein wenig von den verbotenen Früchten Paris' kosten!« Habe ich das jetzt laut gesagt? Ich hoffe inständig sie versteht es und verurteilt mich nicht.

      »DU KLEINES LUDER! Ich wusste, dass deine Ich-bin-das-unschuldige-Mädchen-vom-Lande-Nummer nur Fassade ist.« Mist! Ich hätte es wissen müssen. Hoffentlich erzählt sie es nicht Tante Joselin. Das wäre mein Ende!

      »Du bist doch erst gestern angekommen und schon schnürst du deinen Keuschheitsgürtel etwas lockerer! Ich fasse es nicht.« Sie lässt sich rückwärts auf die kleine Sitzbank hinter ihr fallen, die Kleider immer noch fest umschlungen.

      »Nein! Marguerite, ich habe nicht..., na du weißt schon! Es war auf der Zugfahrt.« Meine Gedanken überschlagen sich. Wo soll ich nur anfangen?

      »Auf der Zugfahrt? Du konntest es also nicht einmal abwarten bis du in Paris warst? Onkel Willi scheint die Leine ja ganz schön kurz gehalten zu haben.« Wie bitte? Langsam fängt sie an mir auf die Nerven zu gehen.

      »Nein, du verstehst das alles ganz falsch!« Ich setze mich neben sie auf die Bank und versuche meine Worte etwas besser zu wählen. »Ich habe ihn auf der Zugfahrt kennengelernt, er kam zur mir. Und wir haben uns dann unterhalten, so etwa sechs oder sieben Stunden.« Erst jetzt bemerke ich wie absurd sich das anhören muss.

      »Unterhalten?«

      »Ich weiß, wie sich das jetzt anhören muss, aber es war einfach nur ... magique! Im Moment weiß ich aber leider nicht wo er ist. Wir wurden getrennt und ich hatte keine Zeit ihn zu fragen, wo er wohnt.« Mein Blick wandert zu meinen Händen, die sich nervös ineinander vergraben. Es macht mich traurig an ihn zu denken.

      »Ich glaube Emilia, wenn es wirklich Magie war und immer noch ist, wird er dich finden. Er ist bestimmt jetzt, in diesem Moment schon auf der Suche nach dir, und glaube mir Pariser Männer können in der Hinsicht wirklich erfinderisch sein.«

      Sie ergreift meine Hand und drückt sie ganz fest. Sie scheint wirklich auch eine liebevolle und mitfühlende Seite zu haben. »Ich hoffe du behältst Recht, Cousinchen.« Da müssen wir beide lachen und zum ersten Mal in meinem Leben, habe ich das Gefühl eine Freundin gefunden zu haben.

      »Und jetzt mein kleiner Trauerkloß, machen wir dich erst mal Paris tauglich. Raus aus dem Ding!« Mit einem Satz springt sie von der Bank auf und zieht mir mein geliebtes Baumwollkleid über den Kopf. Meine Chancen sich dieser modischen Tortur zu entziehen sinken schlagartig.

      In der nächsten Stunde probiere ich zahllose Kleider, Röcke und Hüte an. Ich komme mir vor wie ihr Schaufensterpüppchen, das sich aufgrund seiner eingeschränkten Möglichkeiten, nicht widersetzen kann. Als endlich etwas Passendes gefunden ist und ich meiner Erlösung bereits entgegen fiebere, winkt Marguerite mich zu einem gigantischen Frisier-und Schminktisch herüber. Den hatte ich bei den ganzen Kleidern glatt übersehen. Eine weitere Stunde vergeht, in der meine Haare auf überdimensionale Wickler aufgedreht werden, mein Gesicht unter einer Schicht Puder und Rouge zu versinken scheint und meine Augenbrauen einer Foltermethode unterzogen werden. Zwei Stunden in Marguerites Schönheitssalon, haben aus mir ein aufgetakeltes Püppchen gemacht, das jedoch unter all den anderen hier nicht allzu sehr auffallen dürfte. Dann hatte das Ganze wohl doch noch etwas Gutes.

      »Und? Was sagst du?« Ihre hoffnungsvollen, großen Augen blicken mich fragend an. Ich habe keine andere Wahl, als etwas Positives über meine Verwandlung zu sagen.

      »Schön!« Hoffentlich bemerkt sie nicht den ironischen Unterton, der meiner Meinung nach kaum zu überhören ist. »So anders. Hast du wirklich gut gemacht!« Abgesehen von der Schminke und den hohen Schuhen ist es eigentlich ganz in Ordnung. Sie hatte für mich ein cremefarbenes Etuikleid ausgesucht, über dem ich noch eine passende Jacke trage. Meine Haare sehen eigentlich aus wie immer, nur noch etwas voluminöser und glänzender. Alles in allem, doch nicht so übel. Ich muss mich wahrscheinlich einfach erstmal daran gewöhnen.

      »Gefällt es dir wirklich? Ich finde es klasse. Es holt irgendwie das Beste aus deinem Typ heraus!« Sie scheint nichts von meiner leichten Abneigung gegenüber meines neuen Aussehens bemerkt zu haben.

      »Können wir jetzt bitte los? Es ist schon nach elf und ich würde gerne noch so viel sehen heute.« Erst jetzt fällt mir auf, dass wir über zwei Stunden mit dieser vollkommen überflüssigen Prozedur verbummelt haben. Ich könnte jetzt schon dreimal auf dem Eiffelturm gewesen sein.

      »Ja, wir machen uns jetzt auf den Weg. Immer mit der Ruhe! Paris läuft uns bestimmt nicht weg!« Wir finden schnell unsere passenden Handtaschen in Marguerites Kleiderschrank und machen uns auf den Weg nach unten. Als wir in der großen, mit Marmor übersäten Eingangshalle stehen, ruft Marguerite laut einen Namen. »Eleazar!« Ich zucke zusammen. Ein großer, stattlicher Mann in einem schwarzen Anzug tritt aus dem Salon zu uns. Ich habe ihn schon einmal gesehen, als er Onkel Pierre und mich vom Bahnhof abgeholt hat. Erst jetzt fällt mir auf, wie gut er aussieht und dass er sehr muskulös unter seinem Anzug zu sein scheint.

      »Nous tenons à manger pour le déjeuner à La Coupole!« Langsam versuche ich in meinem Kopf ihre Worte zu übersetzen, aber ihr Akzent ist wirklich grauenhaft. Warte mal! Essen gehen? Jetzt?

      »Marguerite! Wir wollten doch zum Eiffelturm? Außerdem habe ich überhaupt keinen Hunger.« Die rücksichtsvolle Marguerite von eben scheint verschwunden. Werden wir hier denn jemals das machen, was ich möchte?

      »Man kann nicht so ein riesiges Bauwerk besteigen, ohne vorher etwas Anständiges gegessen zu haben. Aber vor allem muss ich dir zuerst unsere Kultur und das Wesen von Paris zeigen, du kleines Dummerchen!« Sie tippt mir mit dem Zeigefinger zweimal an die Stirn, wie eine Mutter, die ihr Kind zu tadeln versucht.

      »Allez-y! Wir wollen doch keine Zeit verlieren.« Eleazar eilt zur Tür und geleitet uns nach draußen. Es ist wirklich ein herrlicher Tag, schon beinahe zu warm für meine Jacke. Ich frage mich nur, wie ich den ganzen Tag auf diesen