Hans der Pole. Gräfin Bethusy-Huc. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gräfin Bethusy-Huc
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738036558
Скачать книгу

      Der Generaldirektor sah ungeniert nach seiner Uhr.

      „Verzeihung, Herr Präsident, aber ich möchte hier absteigen, ich habe noch einen wichtigen Abschluss heut zu machen.“

      „Ich bin Ihnen dankbar für das Zeitopfer, das Sie mir gebracht haben – es hat mich alles sehr interessiert, wenn ich auch nicht umhin kann, Ihnen nochmals mein Bedauern auszusprechen, dass – “

      „Ich bitte um Ihre Nachsicht, Herr Präsident!“

      Der Generaldirektor verließ den Wagen und schritt grüßend davon.

      Herr von Arden blickt ihm mit einem leisen Gefühl von Neid nach. Der da stand fest auf seinen Füßen und hatte den Mut der eigenen Meinung. Immerhin – so ungünstig er Schulen beurteilte, dass er einflussreich, von oben her gestützt und ein Mann mit einer Zukunft war, hatte er doch zugegeben.

      Der Präsident seufzte tief auf und fuhr nachdenklich nach Hause.

      Inzwischen saß Frau Maria von Mielosinska, die Gattin des Käufers von Warozin, auf einer der seidenen Ottomanen im orientalischen Salon der Villa Schulen, und die weiße, gepflegte Hand des Professors glitt liebkosend über ihr rötlich schimmerndes Haar, während er mit den weichsten Modulationen, deren seine Stimme fähig war, sagte:

      „Ich tue alles für Dich, mein süßes Lieb; wenn es nicht anders geht, kaufe ich Warozin, und anstatt des von Dir so sehr gefürchteten Landaufenthaltes an der Seite Deines Mannes machen wir ein verstecktes Liebesnest daraus, in das wir uns ab und zu einmal flüchten, wenn uns die übrige Welt zu langweilig wird!“

      Maria Mielosinska schmiegte sich lächelnd an seine Brust.

      „Ich wusste, dass Du mir helfen würdest, Charles“, flüsterte sie, „ich würde sterben, wenn ich mit meinem Manne die Hälfte des Jahres au fond de la sampagne sitzen müsste, wie dieser schreckliche Schwager „Oberlandsgerichtsrat“ es haben will. Sie sprachen beide französisch, nur den deutschen Titel hatte sie in hartem gebrochenen Deutsch hervorgestoßen.

      „Der Schwager ist ein Unmensch, eine Frau wie Du gehört nicht auf das Land“, sagte Charles. „Wie kommt Dein Schwager auf diese Idee?“

      „O, er sagt, wir verbrauchen zu viel Geld in Paris, ein halbes Jahr sollen wir sparen.“ Sie lachte. „Kannst Du Dir mich als so eine Art von deutscher Hausfrau denken?“

      „Nein, Schatz, das wäre, als ob man von einem Vollblute Ackerarbeit verlangte!“

      „O ja, Du verstehst mich! Und dann handelt es sich noch um Lonka – ach Du – eigentlich ist es schrecklich, dass ich nächstens eine erwachsenen Tochter haben werde.“

      „Wenn man als halbes Kind heiratet – die Konsequenzen der Tatsachen“, meinte er lächelnd. „Aber was hat Lonka mit den Wünschen Deines Schwagers zu tun?“

      „Das ist eine Geschichte! Er sagt: in der Hand der Frauen liegt die Zukunft Polens – darin hat er ja Recht, dass wir Polinnen immer viel für unser Vaterland getan haben. Aber er findet uns – mich speziell, glaube ich – nicht auf der Höhe stehend. Er hat ein Programm für die Erziehung polnischer Frauen, sagte ich Dir – und darin steht, dass sie nicht zu früh in die Welt treten, ernsthaft erzogen, auf ihre Mission vorbereitet werden sollen. Und nun soll Lonka, wenn sie aus der Pension kommt, mit uns aufs Land gehen – so eine Dummheit! Jeder Polin liegt ihre Mission im Blute, so was lernt sich nicht und braucht keine Vorbereitung – ach, ich glaube mein Schwager erdolchte mich, wenn er wüsste, dass ich das alles einem Deutschen verrate! Aber Du bist gar kein richtiger Deutscher, mein Liebling, Du bist international!“

      „So international wie die Liebe“, erwiderte er, den Arm um sie schlingend.

      V.

      Benno Arden hatte Hans Walsberg überredet, die Einladung seines Vaters anzunehmen, obgleich Hans nicht in der Stimmung war, eine Gesellschaft mitzumachen.

      „Es ist Dir gerade gut, Dich herauszureißen, nicht immerfort über Warozin zu grübeln“, sagte er, „ich habe schon mit Onkel Egon wegen des Urlaubs gesprochen:“

      Egon von Arden war der Bruder des Präsidenten und Kommandeur des 220. Regiments, in dem die beiden Freunde standen.

      Am selben Tage, an dem dieser die Urlaubsgesuche zur Geburtstagsfeier seines Bruders genehmigt hatte, stand die Notiz über den Polenverkauf in der „Ostdeutschen Nationalzeitung“. Sie wirkte in der kleinen Garnison wie eine einschlagende Bombe. Es hatte sich ja inzwischen herumgesprochen, dass Warozin verkauft werden sollte und dass der Oberlandesgerichtsrat von Mielosenski darum handelte. Aber niemand hatte bisher darin eine politische Aktion gesehen. Nun war der Verkauf als solche gestempelt worden.

      „Aber ein preußischer Beamter, das ist doch kein Nationalpole“, sagte einer der Kameraden, als die Sache im Kasino verhandelt wurde.

      „Der ist ja nur vorgeschoben, der eigentliche Käufer ist ein Stockpole“, erklärte ein anderer, „und mit dem durfte Walsberg sich natürlich nicht einlassen.“

      „Er ist ja noch gar nicht majorenn, die Mutter führt die Verhandlungen!“

      „Aber er muss doch, wie die Zeitung sehr richtig sagt, Einfluss darauf haben.“

      In den Streit der Meinungen hinein trat Hans ahnungslos, denn er hatte die Zeitung noch nicht gelesen.

      Er merkte sofort die veränderte Stimmung um sich her. Auf seine Frage wurde ihm das Zeitungsblatt gereicht.

      Er las, dann ließ er das Blatt sinken und sah die Kameraden an.

      „Ihr verurteilt mich, wie es scheint, ebenso wie dieser Zeitungsschreiber, der mich nicht kennt und nichts Näheres von der Sache weiß“, sagte er mit vor Erregung heiserer Stimme.

      Einer der älteren Kameraden trat auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter.

      „Ich weiß nicht, wie die Verhältnisse liegen, lieber Walsberg, und ob es für Sie möglich ist, in der Sache noch etwas zu tun. Aber ich glaube im Namen aller Kameraden zu sprechen, wenn ich sage: versuchen Sie es wenigstens, diesen Verkauf zu hintertreiben.“

      Hans biss die Lippen zusammen. Sollt er hier im großen Kreise davon sprechen, wie tief er unter dem Verkauf litt, sollte er erzählen, was er selbst vor kurzem erfahren hatte, dass Herr von Wolffen das Gut der Ansiedelungskommission vergeblich angeboten, dass er erst zu dem polnischen Käufer zurückgekehrt war, als alle deutschen Quellen, an die er sich wandte, versagten? Hätte das nicht ausgesehen wie eine Entschuldigung einer Sache wegen, an der er sich unschuldig wusste? Nein – nein!

      Er verbeugte sie.

      „Ich danke Ihnen, Herr Oberleutnant“, sagte er in dienstlicher Haltung. Dann verließ er das Kasino und ging nach Hause.

      Schon das Abendblatt brachte Notiz von der Initiative des Regierungspräsidenten.

      Hans hatte am Nachmittag keinen Dienst gehabt. Auch nicht einer der Kameraden hatte ihn aufgesucht. Jetzt trat Benno Arden, das Abendblatt in der Hand haltend, in Hansens Stube.

      „Das ist hübsch von meinem Alten“, sagte er, „nun wird noch alles gut!“

      Hans zuckte die Achseln. Er war sich nicht so minderwertig, so bei Seite erschienen wie jetzt, wo fremde Menschen bestimmten und zu Rate saßen über das, was ihm das Liebste und Heiligste war: seine Heimat.

      Benno nahm keine Notiz von seinem Schweigen.

      „Das wird auch Onkel Egon freuen“, sagte er, „der wird keinen schlechten Schrecken heute früh bekommen haben!“

      Hans saß in sich gekehrt da. Plötzlich stand er auf. „Ich muss nach Hause“, sagte er, „ich werde für morgen um Urlaub bitten.“

      Benno pflichtet ihm bei, und Hans griff nach Degen und Helm, um sofort zum Obersten zu gehen.

      Oberst von Arden war in seinem Gerten und schnitt an den Rosen herum, als Hans