„sie sind ein verständiger Mensch, Dzimbek, ich stehe auch nicht an, Ihnen zu sagen, dass mir nach dem Zeitungslärm, den dieser Guts kauf veranlasst hat, viel daran liegt, dass man die Notiz lancieren kann: „Die Witwe des Vorbesitzers von Warozin, die Baronin Walsberg, bleibt auf dem Gute wohnen, da der Käufer viel auf Reisen ist. Sein Vertreter ist der preußische Oberlandesgerichtsrat von M . . ., die bei dieser Gelegenheit entwickelte Polenhetze ist also wieder einmal recht ein Schlag ins Wasser gewesen.“
„Sehr gut, sehr gut“, rief Stasch Dzimbek lachend, „diese Deutschen sind zu dumm, man muss ihnen immer etwas vormachen.“
„Sagen sie das hier nicht laut, Dzimbek, überhaupt spielen sie sich nicht als Pole auf. Sie sprechen je glücklicher Wese beide Sprachen, hier sind Sie der Bruder der Frau Baronin, als Deutscher.“
„Nu, warum denn nicht!“ erwiderte Dzimbek, „aber die paar deutschen Elemente auf dem Hofe hier, die werde ich schon wegärgern, dass wie bloß sichere Stimmen zu nächsten Wahl kriegen.“
„Recht so, und wenn von mir die Rede ist, so betonen Sie nur immer den preußischen Beamten, der ich doch bin, dass wir hier Ruhe kriegen vor dem Geschrei über „polnische Umtriebe“.“
Ein feines Lächeln flog dabei über sein blasses Gesicht. Er hatte längst für sich die Formel gefunden, dass er „preußisch. Deutsch“ war, solange es sich um juristische Amtssachen handelte, Pole, aber in allem, was sein Gefühl betraf. So hatte es auch nicht sein Gewissen beschwert, dass er einer der Führer der großpolnischen Partei wurde, wenn das auch nur wenige Eingeweihte wussten. Das hatte ja doch mit dem „Nebenamte“ nach seiner Ansicht gar nicht zu tun. Bei Tische trafen er und Stasch mit Frau von Walsberg und ihrem Sohne zusammen, und die Baronin erzählte sofort in ihrer lebhaften Art, wie Hans unter der Verkaufsangelegenheit zu leiden habe.
Stasch lacht und sagte, daraus müsse er sich nichts machen, das Reckrutenexerzieren sei doch gewiss nicht eine so interessante Lebensaufgabe. Auf Wunsch seiner Schwester nannte er Hans „Du“, und dieser sollte ihn „Onkel“ anreden. Da das beiden schwer wurde, vermieden sie möglichst ein Gespräch mit einander.
Umso teilnehmender äußerte sich der Oberlandesgerichtsrat, der in liebenswürdigster Weise alle Möglichkeiten eines künftigen Berufes mit Hans erwog und zum Studium riet, das einem jungen Manne doch, wie er meinte, die meisten Chancen eröffnete. Während sie noch bei Tische saßen, ertönte plötzlich das Fauchen und Rasseln eines Automobils vor dem Hause.
„Jesus Maria, was ist denn das?“ rief Frau von Walsberg, ungeniert aufstehen und ans Fenster laufend. „So etwas ist ja hier noch gar nicht dagewesen, und denken Sie nur, Herr Oberlandesgerichtsrat, in dem Unding sitzen Ihr Bruder und eine Dame!“
Ein freudiges Lächeln glitt über Herrn von Mielosenskis Gesicht.
„Ah – meine Schwägerin – “
„Aber er hat doch gesagt, die würde nicht kommen!“
Der Ausruf blieb ungehört, denn die drei Herren eilten den Ankommenden entgegen.
Frau von Walsberg sah, wie die in einen großen Mantel und dichten Schleier gehüllte Dame dem Automobil entstieg, mit ein paar schnellen Bewegungen die dichten Fahrhüllen abwarf und in einem hellen, sehr eleganten Frühjahrskostüm die herantretenden Herren begrüßte.
„Aber Piotr, welche Idee!“ rief der Rat, seinen Bruder umarmend.
„Die Idee gehört Maria, sie hat das Auto vom Professor von Schulen entliehen, dem ich es überhaupt verdanke, dass sie sich zu der Fahrt entschlossen hat“, erklärte der jüngere Mielosenski.
Frau Maria lachte.
„Ja, man muss sein Freunde mit Vorsicht wählen“, sagte sie. „Herr von Schulen verfügt nicht nur über das beste Auto, sondern auch über die glänzendste Beredsamkeit, die ich kenne. Et – me voilà infolge das Autos und der Beredsamkeit!“
Hans wurde ihr vorgestellt.
Sie reichte ihm mit einem reizenden Lächeln die Hand.
„Ah – Monsieur le baron – ich freue mich sehr, Sie hier gleich zu finden, es scheint, ich habe mich unnötig vor der Einsamkeit auf dem Lande gefürchtet.“
Sie sprach französisch, doch als sie bemerkte, dass Hans ihr darin nicht recht folgen konnte, begann sie ein etwas mangelhaftes Deutsch zu redebrechen.
„Sie ist hübsch und lustig“, dacht Frau von Walsberg und ging nun ihrerseits den Fremden entgegen.
Frau Maria küsste sie nach polnischer Sitte auf beide Wangen, womit sie vollends Frau von Walsberg Herz gewann.
„O, ich habe immer gewunschen einer deutschen Hausfrau kenne zu lernen“, behauptete Frau Maria, „aber ich habe keiner gehabt in Paris.“
„Ich bin ja viel zu ungeschickt für Sie, aber ich werde versuchen, Ihnen hier zu helfen, so viel ich kann“, sagte Frau von Walsberg in polnischer Sprache.
Nun wurde sie erst recht umarmt, und: „Ich werde Ihnen auch helfen im Verzeihen von Ihrem lieben Sohn“, versicherte Frau Maria, währen ihre dunklen Augen halb schelmisch, halb schwärmerisch Hans anblickten.
Die Mielosenskis waren durch Erbschaft in den Besitz eines Gutes in Polen und eines ansehnlichen Barvermögens gekommen. Das polnische Gut war verpachtet, und der Oberlandesgerichtrat, der seines Bruders Fertigkeit im Geldausbeben zur Genüge kannte, hatte darauf bestanden, dass Herr Piotr einen Teil des auf ihn gefallenen Geldes in deutschem Grundbesitz anlegte. Da er seinen Bruder erst unlängst aus einer großen Verlegenheit befreit hatte und Herrn Piotr noch genug übrig blieb, um sein Pariser Leben fortführen zu können, so hatte er sich zu dieser Kapitalanlage bereitfinden lassen. Das polnische Gut gehörte beiden Brüdern gemeinsam, sie hatte es zusammen besichtigt, und Herr Piotr hatte sich auf dem Rückwege von Polen nach Paris in der Provinzialhauptstadt aufgehalten, wo sein Bruder in Amt und Würden war. Von hier aus war der Gutskauf betreiben worden, währen Frau Maria noch bei polnischen Freunden geblieben war. Ihre Bekanntschaft mit Professor von Schulen datierte von einem gemeinsamen Aufenthalt in Baden-Baden her, wo Schulen der Tägliche Begleiter des Mielosenskischen Ehepaares gewesen war. Dass dieses jetzt aber in dem Auto des Professors angekommen und dessen Freundschaft weiter kultiviert hatte, war gar nicht nach dem Geschmack des Oberlandesgerichtsrats.
„Weißt Du übrigens“ fragte er seinen Bruder, „dass Professor von Schulen aus seiner Polenfeindlichkeit geradezu ein Metier macht?“
Piotr Mielosenski wirbelte seinen dunklen Bart auf und lächelte, wobei ein paar glänzende schneeweiße und etwas vorstehende Zähne unter seiner Oberlippe sichtbar wurden.
„Ich kenne ihn nur von der liebenswürdigsten Seite“, sagte er.
„Hast Du denn nicht die abscheulichen Artikel über unseren Gutskauf gelesen?“
„Du weißt doch, dass ich keine deutschen Zeitungen lese! Herr von Schulen hat uns ein Dejeuner à trois in seiner Garconniere gegeben, das wir in Paris nicht besser hätten haben können.“
„Aufrichtig gesagt, ich würde es kompromittierend finden, ein Dejeuner bei einem Manne anzunehmen, dessen politische Parteistellung eine derartige ist.“
„Du nimmst das Leben eben schwerer als ich – “ Maria neigte sich zu Hans, der neben ihr saß.
„Die beiden streiten immer“, sagte sie, „wissen Sie, was der Schwager hat gegen den Professor von Schulen?“
„Leider nur zu gut, denn die Zeitungsartikel, von dem der Oberlandesgerichtsrat spricht, hat meine Karriere zerstört.“
„Oh, das müssen Sie mir erzählen, mir ganz allein, denn ich kann nicht die Deutsch verstehen, wenn sie sprechen alle zusammen.“
Und während