Hans der Pole. Gräfin Bethusy-Huc. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gräfin Bethusy-Huc
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738036558
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unwahrscheinlich – ihm war, als sei er plötzlich alt geworden, so alt, dass aller Jugendfrohsinn ihm wie ein fernliegender, für alle Zeiten zerstörter Traum erschien.

      „Subhastiert – subhastiert sollte Warozin werden – und ich wusste nichts!“ wiederholt er.

      Sie dachte nur daran, sich vor ihm zu rechtfertigen.

      „Wir hätten es Dir ja diesmal gesagt – der Vormund und ich, wir hatten es schon besprochen. Die Subhastation hätte doch erst in einem halben Jahre oder so herum stattgefunden. Da solltest Du noch einmal froh sein in Warozin, und als Du schriebst, Du brächtest noch einen Freund mit, das dachte ich: es ist gut, er soll noch einen schönen Tag haben mit seinem Freunde – der Vormund sollte erst übermorgen kommen – da war noch Zeit genug zum Weinen und zum Traurig sein, und Dein Freund wäre vorher abgereist und hätte nichts schlimmes gehört. Da kommt der Wolffen vor drei Stunden hier an mit den Käufern – ich denke, der Schlag rührt mich! Aber es ist doch gut, Hans, es ist doch gut für uns – bloß dass Du nichts gewusst hast, und wie Du so blass und erschrocken ausgesehen hast, das hat mich verrückt gemacht, Hans, und mir ist der Kopf so wirr, siehst Du, und dass Du nun nicht noch den einen schönen Tag haben solltest – – “

      Hans unterbrach sie.

      „Wenn sie erst vor drei Stunden gekommen sind, dann haben sie es doch noch nicht gekauft, dann kann noch alles rückgängig gemacht werden –“

      Sie trocknete ihre Tränen und sah ihn mit großen, erstaunten Augen an.

      „Rückgängig? Aber es ist ja so ein großes Glück Hans –“

      „Ein Glück, das mir fast das Herz bricht, Mutter, und über das Du heiße Tränen weinst –“

      „Ach Hanitschko, ich weine doch bloß über Dich, wie es Dir so weh tut, und auch weil das alles so schnell kommt, und ich bin doch seit 21 Jahren hier in Warozin und habe Dich hier geboren, und Du bist doch mein ganzes Glück und mein einziges, was ich auf der Welt habe!“

      Sie fing wieder an zu weinen, und Hans strich unwillkürlich wie tröstend über ihren braunen Scheitel, aus dem sich ein paar widerspenstige rötlich schimmernden Löckchen stahlen, und ihm war zu Mute, als sei er in diesem Augenblicke viel älter als seine Mutter.

      „Ich gehe jetzt zum Vormund“, sagte er und schritt der Kanzlei zu, in die vorher Herr von Wolffen mit den Beiden Fremden eingetreten war.

      „Tu’s nicht, tu’s nicht, Hanitschko, es nutzt ja doch nichts“, rief sie ihm nach. Aber er war schon hinter der Tür verschwunden. In der Kanzlei saß Herr von Wolffen am Schreibtisch, und die beiden anderen saßen ihm gegenüber. Bei Hansens Eintritt sahen sie alle auf, wie Leute, die bei einer wichtigen Sache unliebsam gestört werden. Aber ehe Herr von Wolffen das tadelnde Wort, das er offenbar auf den Lippen hatte, aussprechen konnte, stellte Hans die Situation klar, indem er sagte: „Wenn hier von Verkauf von Warozin die Rede ist, do denke ich, dass ich als Erbe und künftiger Besitzer dabei sein muss“.

      Herr von Wolffen rückt seinen Kneifer gerade.

      War denn das das Kind in Kadettenuniform, das er bisher gekannt und mit leichter Mühe bevormundet hatte?

      „Mein lieber Hans, das Leben bringt eben noch andere Konflikte mit sich, als man sie im Kadettenkorps kennen lernt, ich habe es daher für überflüssig gehalten, Deine Jugend vorzeitig mit Dingen zu beunruhigen, die noch nicht spruchreif waren. Wenn Du an unserer Verhandlung Teil zu nehmen wünschest, so wird das die Sache weder für Dich noch für uns erleichtern“.

      Hansens Wangen brannten.

      „Ich habe im Kadettenkorps allerdings keine anderen praktischen Einblicke ins Leben gewinnen können als die, die mit dem Dienst zusammenhingen“, sagte er, „aber ich werde suchen das zu verstehen, was Du mir sagen wirst, Onkel Wolffen. Weshalb ist von einem Verkauf von Warozin überhaupt die Rede?“

      Herr von Wolffen zuckte die Achseln. Er nahm eins der dickleibigen Rechnungsbücher, die vor ihm lagen, und schob es Hans hin.

      „Wenn Du das durchsehen willst, wirst Du Dir selbst die Antwort auf Deine Frage geben können“, sagte er.

      Da erhob sich der ältere der Herren von Mielosenski, ein schmächtiger Mann mit einem feinen, blassen Gesicht.

      „Es tut mir sehr leid, Herr von Walsberg, dass wir Ihnen Kummer bereiten“, sagte er, an Hans herantretend, und mit einem leichten Lächeln Herrn von Wolffen streifend, fügte er hinzu: „Und ich begreife auch, dass die Interpellation des jungen Herrn Ihnen gerade in unserer Gegenwart einige Verlegenheit bereitet, mein verehrte Herr von Wolffen. Aber ich möchte zugleich Ihnen beiden sagen: mein Bruder und ich, wir sind genau orientiert über die missliche Lage, in der sich die Verwaltung von Warozin befindet, wir wissen, dass das Gut überschuldet ist, dass Meliorationen notwendig sind und Barmittel bei dem erschöpften Kredit nicht zu beschaffen sind. Wenn wir trotzdem ein gutes Gebot machen, so geschah das in der Überzeugung, dass Warozin diesen Preis wert ist. Wir sind nicht gesonnen, aus Ihrer momentanen Verlegenheit Nutzen zu ziehen und den Preis zu drücken. Sie können daher auch in unserer Gegenwart diesem jungen Herrn offen sagen, dass Sie das Gut unter keinen Umständen mehr zu halten vermögen“.

      „Ich kann Ihnen leider nicht widersprechen“, sagte Herr von Wolffen, „Du hörst damit in kurzen Worten, wie es steht – – “

      „Aber ist es denn ausgeschlossen, dass die ganze Arbeitskraft eines jungen Menschen hier Wandel schaffen könnte?“ rief Hans. „Ich bin bereit, sofort den Abschied zu nehmen und wie ein Tagelöhner zu leben und zu arbeiten –“

      Herr von Mielosenski trat mit ausgestreckten Händen auf ihn zu.

      „Lassen Sie mich Ihre Hände drücken, Herr von Walsberg, wenn ich einen Sohn hätte, ich wünschte ihn mir nicht anders, als Sie sind, und mein Herz blutet, dass gerade ich es sein muss, der Ihnen das Erbe Ihrer Väter entreißen will!“

      Seine Augen schimmerten feucht, er sprach ein paar Worte in polnischer Sprache zu seinem Begleiter, auch dieser erhob sich und trat an Hans heran.

      „Glauben Sie auch mir, dass ich ganz mit Ihnen fühle, Herr von Walsberg, es ist ein schweres Schicksal, und wir bitten Sie, uns nicht zu zürnen wegen einer Sache, die zu ändern weder in Ihrer noch in unserer Macht steht“.

      „Ich kann das aber nicht glauben, dass es so hoffnungslos steht“, rief Hans, „ich bitte Sie, mir Zweit zu lassen, mich wenigsten persönlich genau zu informieren –“

      Wieder wechselten die Mielosenskis einige Worte in polnischer Sprache, während Herr von Wolffen heftig auf seinen Neffen einsprach.

      „Willst Du die einzige Chance, die sich noch bietet, vorüber gehen lassen, dann lege ich die Vormundschaft nieder, dann macht, was Ihr wollt“.

      Der ältere Mielosenski trat zwischen sie.

      „Was Herr von Walsberg verlangt ist nicht mehr als recht und billig“, sagte er, „mein Bruder und ich sind einverstanden damit, dass der junge Herr erst in alles Einsicht nimmt. Wir werden in drei Tagen wiederkommen und hoffen dann bestimmt die Angelegenheit zum Abschlusse zu bringen mit der vollen Zustimmung des Herrn von Walsberg, dem wir die Berechtigung zuerkennen, in diese Sache entscheidend mitzusprechen“.

      Als kurze Zeit darauf der Wagen mit den beiden Mielosenskis von der Rampe rollte, sagte Herr von Wolffen zu seinem Münder: „Na, wenn nun aus der ganzen Sache nicht wird, dann kannst Du und Deine Mutter betteln gehen – aber ich wasche meine Hände in Unschuld!“

      II.

      Vierundzwanzig Stunden später wusste Hans, dass ihm nichts anders übrig bleib als der Verkauf. Er hatte Rechnungsbücher und Wirtschaftsbeläge fast die ganze Nacht hindurch studiert, bis vor seinen, in solchen Dingen ungeübten Augen Zahlen und Worte in wirrem Durcheinander verschwammen. Er hatte lange Unterredungen mit Herrn von Wolffen und den Beamten gehabt, hatte dann wieder studiert und gerechnet – und nun wusste er genau, wie schlecht es um Warozin stand.

      Benno