Hans der Pole. Gräfin Bethusy-Huc. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gräfin Bethusy-Huc
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738036558
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Blei weder für sich noch für seinen Herzog kaufen will, springe ich selbst in die Bresche.“

      „Wie, Sie wollten – – –“

      „Warozin kaufen, wenn es keinen anderen Weg gibt, die Polen fern zu halten, gewiss, Herr Präsident!“

      Herr von Arden reichte ihm die Hand; in diesem Augenblick hatte er wieder einmal alle Animosität gegen den Professor vergessen.

      „Wenn wir viele Männer wie Sie hätten, Herr von Schulen, da stände es besser um uns!“

      „Ihre große Liebenswürdigkeit überschätzt mich, Herr Präsident“, sagte der Professor, sich tief verneigen, „vielleicht darf ich Ihnen sogleich eine Notiz vorlegen, die ich schon für alle Fälle für unsere Zeitung vorbereitet hatte.“

      „Ach, Sie haben auch schon daran gedacht! Darf ich bitten?“

      Der Professor schob auf seinem monumentalen Schreibtisch eine Sphinx von französischer Bronze zur Seite und zog darunter ein beschriebenes Blatt hervor, das er dem Präsidenten reichte.

      Herr von Arden las:

      „Wie wir hören, ist es der persönlichen Initiative unseres Regierungspräsidenten zu verdanken, dass weitere Krause für den Verkauf von Warozin interessiert worden sind. Unsere Leser werden sich erinnern, dass dieser seit Urväterzeiten deutsch Besitz in polnische Hände übergehen sollte. Es soll ein opferfreudiger Patriot gefunden sein, der bereit ist, das Gut zu kaufen, da der bisherige Besitzer, Baron von Walsberg, leider nicht in der Lage ist, es halten zu können.“

      „Sie beschämen mich“, sagte Herr von Arden, aber der Professor widersprach lebhaft.

      „Ich habe nur ausgesprochen, was Sie dachten, Herr Präsident. Sie kamen zu mir, um diese Initiative zu ergreifen!“

      Er geleitete seinen Gast zurück durch die Waffenhalle, vorüber an dem schweifwedelnden Bernhardiner, und öffnete selbst die Tür des Coupés, strahlend von Liebenswürdigkeit und Bonhomie, und Herr von Arden fuhr davon. Sobald der Professor aus seinem Gesichtskreise verschwunden war, hatte er wieder das undefinierbare unangenehme Gefühl, das ihn jedes Mal nach dem Zusammensein mit ihm beschlich.

      „Wenn man doch reich wäre!“ seufzte er. „Reichtum bedeutet Unabhängigkeit!“

      Aber er war nicht reich, und er hatte vier Kinder. Somit war er darauf angewiesen Karriere zu machen, und da hieß es beständig: lavieren, Kompromisse eingehen.

      Und Schulen war so begabt und konnte ihm so nützlich sein. Melancholisch blickte er durch das Fenster des Coupés hinaus auf die Straße.

      Da tauchte ein Großer, breitschultriger Mann vor ihm auf. Dem Impulse des Augenblicks folgend, gab der Präsident das Zeichen zum Halten des Wagens, und die Tür des Coupés öffnend, rief er hinaus:

      „Herr Generaldirektor Blei!“

      Der Angerufene wandte sein mächtiges, von dichtem, graumeliertem Haar umlocktes Haupt nach dem Wagen hin und trat grüßend näher.

      „Sehr erfreut, Herr Präsident!“

      „Sie sind im Begriff, zu Herrn von Schulen zu gehen?“

      „Fällt mir gar nicht ein!“

      „Aber Herr von Schulen erwartet Sie!“

      „Das schadet ihm nichts und mir auch nicht!“

      „Immerhin – es handelt sich um eine wichtige Angelegenheit, ich bin zufällig informiert – haben Sie Zeit, Herr Generaldirektor?“

      „Für sie habe ich immer Zeit, Herr Präsident!“

      „Dann steigen Sie ein.“ Der Präsident lehnt sich hinaus und rief dem Kutscher zu: „Fahren Sie über die Promenade.“

      Der Generaldirektor stieg ein.

      „Es ist ein glücklicher Zufall, der Sie mir in den Weg führt“, begann Herr von Arden. Und er entwickelte ihm die ganze Angelegenheit mit Warozin und schloss damit, dass ein deutscher Käufer sich ein eminentes Verdienst um das Deutschtum erwerben würde, was höheren Ortes des größten Beifalls sicher sein würde.

      Der Generaldirektor hatte ruhig zugehört, bloß in den Winkel seiner blauen Augen spuckte etwas wie ein unterdrücktes Lächeln.

      „Herr Präsident“, sagte er endlich, „nach meiner Ansicht ist es ein höchst patriotisches Werk, ein heruntergewirtschaftetes Gut an einen Polen zu verkaufen, denn der verkracht sicher darauf, und dann ist man ihn los!“

      „Herr Generaldirektor, ich habe in vollem Ernste gesprochen!“ sagte der Präsident vorwurfsvoll.

      „Ich auch“, versicherte der Generaldirektor. „Anstatt eine Polenhetze zu organisieren, sollten wir vor unseren eigenen Türen kehren, unseren Kram in Ordnung halten und, ohne viel Geschrei zu machen, ein jeder auf seinem Posten fest stehen. Warum soll ich meinem Herzog Warozin anhängen oder warum soll ich meine ohnehin in Anspruch genommene Arbeitskraft noch mit der Bewirtschaftung eines eigenen Gutes beschweren?“

      „Aber die nahe Nachbarschaft eines Polen kann doch für Sie nicht angenehm sein“, warf der Präsident ein.

      Der Generaldirektor zuckte die Achseln.

      „Davor fürchte ich mich nicht – höchstens sehen die Leute dann mit eigenen Augen, dass sie es bei mir besser haben als bei dem „Schlachzüzen“. (Szlachta – polnische Adel)

      „Ich verstehe doch nicht, Herr Generaldirektor, dass sie diese Sache so ruhig ansehen. Bedenken Sie: der erste polnische Grundbesitz in einem Bezirk, in dem bisher nur deutsche ansässig waren. Schon die Unverschämtheit dieser Leute empört doch unsereins.“

      „Verzeihen Sie, Herr Präsident, aber ich sehe hier nur die Konsequenz einer Tatsache sich vollziehen. Wir haben den Polen so viel Grundbesitz abgekauft, dass wir uns nicht wundern dürfen, wenn sie nun ihrerseits das von uns erworbene Geld in Gütern anlegen. Ich meine: kräftigen wir nur unseren deutschen Gutsbesitzerstand – das ist das beste Mittel gegen das Polentum. Und gerade weil ich die Phrasen des Professors von Schulen nicht ausstehen kann, gehe ich nicht zu ihm.“

      „Ich bin erstaunt, Sie so sprechen zu hören, Herr Generaldirektor, und Ihr Urteil über Herrn von Schulen ist mir ebenfalls ganz überraschend.“

      „Ja, Herr Präsident, ich kann keine Mördergrube aus meinem Herzen machen – mir liegt einmal dieses semitische Wunderkind nicht!“

      „Meinen Sie den Professor von Schulen damit?“

      „Allerdings – Sie sind erst zu kurze Zeit hier, Herr Präsident, um alle diese Verhältnisse zu kennen, aber unsereiner, der hier alt und grau geworden ist, kennt sich ja einigermaßen aus.“

      „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich einweihen wollten!“

      „Gern, Herr Präsident, habe ich doch die Familie gekannt, noch ehe sie in diesem jüngsten hoffnungsvollen Sprossen gipfelte, denn Schulens Vater, der reiche Jude Schmule, war Pächter der herzoglichen Kohlengruben, in denen er seine Millionen erworben hat.“

      „Davon hatte ich keine Ahnung“, murmelte der Präsident.

      „Er spricht nicht gern von seinem Vater, der Herr Professor“, versetzt der Generaldirektor“, „aber er hat Unrecht damit, denn der alte Schmule ist in seiner Art ein ganzer Kerl, lebt als kaufmännischer Patrizier, der sich vom Geschäft zurückgezogen hat, in Berlin W., hat Einfluss an allen Ecken und Kanten und ist eine Persönlichkeit – heißt übrigens jetzt auch Schulen, hat nur den Adel dem Sohne allein überlassen. Der kam mit 16 Jahren als Wunderkind auf die Universität, machte den Dr. phil. und jur., wurde mit 22 Jahren habilitiert, mit 27 Jahren ordentlicher Professor – Leuchte der Wissenschaft, und da sein Vater aus den materiellen Gütern Gewinn genug gezogen hat, stürzte er sich auf die idealen Güter, die gerade en vogue sind, na – Sie wissen ja selbst, wie er in Patriotismus, Sozialreform, Flottenbegeisterung und dgl. macht. Er hat’s verstanden, Liebling im Kultusministerium und Schützling der allmächtigen