Hans der Pole. Gräfin Bethusy-Huc. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gräfin Bethusy-Huc
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738036558
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mit ihm zu sein. Stand er doch an der Spitze des Nationalvereins zur Wahrung des Deutschtums, dieses Vereins, der die „Ostdeutsche Nationalzeitung“ ins Leben gesetzt und seit Berufung des Professors von Schulen auf der ganzen Linie eine unheimliche Rührigkeit entfaltet hatte.

      Das Coupé hielt vor einem gepflegten Vorgarten. Ein Bernhardiner erhob sich in königlicher Haltung von der Haustürschwelle, als die Glocke, die den Besuch anmeldete, erklang, und legte sich beim Anblicke des Coupés befriedigt wieder hin. Ein Diener in dunkler Livree geleitete den Präsidenten durch die mit afrikanischen Waffen und Tigerfellen dekorierte Eintrittshalle, die Treppe hinauf und bat, in einem kleinen Empfangszimmer zu warten, bis er den Herrn Professor benachrichtigt haben würde. Herr von Arden blickte mit einem gewissen Unbehagen um sich. Erstes war ihm das intensive, fremdartige Parfüm-, das den Raum erfüllte, unangenehm, dann lag ein gewisses, schwüles Etwas über der ganzen Einrichtung, das ihm auf die Nerven fiel. Diese mit orientalischen Seidenstoffen bezogenen Möbel, diese Frauenporträts in zum Teil recht derangierter Toilette, die vielen eleganten Überflüssigkeiten, die den Raum erfüllten, das alles war nicht der Rahmen für einen Mann der Arbeit und Pflichterfüllung, dachte der Präsident, aber zugleich wiederholte er sich, dass Professor von Schulen dennoch ein solcher Mann sei und dass man ihn jedenfalls gar nicht entbehren könnte. Da drang ein Ton an sein Ohr, der ihn zusammenzucken ließ wie unter einem Peitschenhiebe – eine Trau hatte laut und hell irgendwo gelacht. Die Stirn des Präsidenten rötete sich – nicht weil in einem eleganten Junggesellennest eine Frau ihre Gegenwart verriet – aber weil Professor von Schulen gestattete, dass sie es in dieser Weise vor den Ohren des ersten Vertreters der Regierung tat. Unwillkürlich richtete er sich höher auf – das Unpassende dieser Situation musste er gleich von vornherein markieren. Da wurde die Portiere zurückgeschlagen.

      „Mein hochverehrter Herr Präsident, welche unerwartete Freude und Ehre, Sie hier begrüßen zu dürfen. Ich war gerade im Begriff, mich zu Ihnen zu begeben, es hat offenbar eine merkwürdige Ideen-Assoziation zwischen Ihnen und meiner Wenigkeit stattgefunden – aber wollen Sie mir nicht die Ehre erweisen hier in mein Arbeitszimmer einzutreten, ich weiß, Sie lieben das bric-à-brac, das uns hier umgibt, nicht, das ist auch nur der Empfangsraum für alle Welt – ein Besucher wie Sie gehört ins Allerheiligste!“

      Es war doch schwer, in kühler Reserve zu bleiben dieser überströmenden Liebenswürdigkeit gegenüber und dem Blick dieser weichen, braunen Augen abweisend zu begegnen. Der Präsident hielt es daher für das Beste, sofort zu der question of matter überzugehen. Er zog das Blatt der „Ostdeutschen Nationalzeitung“ mit der blau angestrichenen Stelle aus der Tasche.

      „Ich komme in einer besonderen Angelegenheit“, begann er. Da fiel ihm auch schon der Professor ins Wort.

      „In dieser selben Angelegenheit wollt ich zu Ihnen, Herr Präsident, denn es ist mir ganz außerordentlich fatal, dass gerade unsre Zeitung einen so aggressiv gegen die Regierung gerichteten Passus gebracht hat! Ich war so überbürdet mit Arbeit, dass ich die Redaktion des „Provinziellen“ nicht durchsehen konnte; wer durfte dann auch ahnen, dass dieser Lapsus vorkommen würde.“

      Der Präsident hatte inzwischen wieder seine ruhige, korrekte Haltung angenommen.

      „Ich hab natürlich keinen Augenblick geglaubt, dass die betreffende Stelle von Ihnen herrühren könnte, Herr Professor“, sagte er, „die Frage ist nur die: wie machen wir diese Wendung wieder gut? Wenn ich mich persönlich auch ganz und gar eliminiere, so meine ich doch, wir schaden dem Ganzen, wenn wir das Vertrauen zur Regierung untergraben.“

      „Ich bin ganz Ihrer Ansicht, Herr Präsident, unsere Bestrebungen, das Deutschtum im unseren Ostmarken zu stärken, können natürlich nur Erfolg haben, wenn wir Hand in Hand mit der Regierung gehen, Zu meinem großen Bedauern sind ja manche Maßnahmen getroffen worden, die sich nicht ganz mit unseren Zielen decken.“

      „Das möchte ich doch bezweifeln, Herr Professor.“

      „Herr Präsident, Sie müssen mir ein offenes Wort gestatten, wie man es eben nur einem so hochdenkenden Manne gegenüber aussprechen darf – ist doch unser beider Bestreben nur darauf gerichtet, die nationale Sache zu fördern, nicht wahr?“

      Der Präsident machte eine zustimmende Bewegung, und der Professor fuhr fort:

      „Vor allem meine ich, dass die Triebkraft der öffentlichen Meinung in ihrem vollen Werte geschätzt und verwendet werden müsste, und dazu könnte unsere Zeitung in viel ausgedehnterem Maße als bisher dienen:“

      „Gewiss, an eine Beeinflussung der öffentlichen Meinung in regierungsfreundlicher Weise denke ich ja auch in erster Stelle, aber Sie sprachen von Maßnahmen.“

      „Da Sie darauf zurückkommen, Herr Präsident, so möchte ich mir erlauben zu bemerken, dass es mir nicht opportun schein, wenn wir einerseits den Kamp gegen des Polentum predigen und in der nächsten Zeitungsspalte die Nachricht von der Auszeichnung eines Mannes bringen müssen, der eine unpatriotische Handlung begangen hat. Ich erinnere nur an die Ernennung zum Deichhauptmann des Prinzen Hertram – dieses Mannes, der sein an der Grenze belegene Besitzung Scharnowitz an einen Nationalpolen verkauft hatte!“

      „Der Prinz hat sich aber zugleich Verdienste um die Ausgestaltung des Dammnetzes erworben.“

      „Weil seine noch deutschen Güter gerade am meisten von den Überschwemmungen des Chelmflusses zu leiden hatten – sehen Sie, mein verehrter Herr Präsident, ich kenne die Personalien all dieser Leute, und es gibt mir jedes Mal einen Stich ins Herz, wenn ein Mann, dessen nationales Empfingen ich als nicht ganz rein kenne, wenn ein solcher Mann irgendwie in den Vordergrund gestellt wird. Gerade unser grundbesitzender Adel muss mit leuchtendem Beispiel im Kamp um das Deutschtum vorangehen, und ich versichere Sie, diesen Herren würden ihre Pflichten erst klar werden, wenn Sie einmal ein Exempel statuierten, einen Mann, der um des Mammons willen sein nationales Empfinden verkauft hat, an den Pranger stellten zum abschreckenden Beispiel für andere! Sie ahnen vielleicht doch nicht in ganzem Umfange, wie scharf im feindlichen Lager mobil gemacht, wie alle Schleusen geöffnet werden, damit die polnische Sturmflut deutsches Land überströme. Ich habe die überraschendsten Aufschlüsse darüber in Händen, wie nahe verquickt die polnische Bewegung mit der sozialdemokratischen ist; glauben Sie mir, wir stehen an der Schwelle ernstester Ereignisse, wenn wir erhaltenden Parteien nicht fest geschlossen, Hand in Hand vorwärts gehen!“

      „Das ist allerdings auch meine Ansicht“, sagte der Präsident sehr ernst, „und ich hoffe, Sie geben mit in den nächsten Tagen Gelegenheit, eingehend mit Ihnen über diese Dinge zu konferieren.“

      „Sie kommen meiner Bitte zuvor, Herr Präsident; um auf den Ausgangspunkt unseres Gespräches zurückzukommen, so hoffe ich eine Aktion eingeleitet zu haben, die anstatt des polnischen Käufers einen deutschen für Warozin herbeischafft.“

      „sie denken an einen Ankauf durch die Landbank?“ bemerkte der Präsident.

      „Pardon, Herr Präsident, ich habe leider erfahren, dass der Vormund des Barons Walsberg in erster Linie an die Landbank herangetreten ist, mit dem Preise, den diese bot, aber nicht zufrieden war.“

      „Ja, unsere Mittel sind natürlich nur beschränkt; wenn diese Herren nicht selbst das Gefühl dafür haben, dass sei, selbst mit kleinem Verlust, besser tun, an die Landbank als an einen Polen zu verkaufen, so ist das ein trauriges Zeichen der Zeit.“

      „Ganz meine Auffassung, Herr Präsident! Trotzdem hoffe ich Wege gefunden zu haben, um Warozin in deutschen Händen zu erhalten.“

      „Das wäre wirklich ein nationales Werk, Herr Professor; darf ich näheres darüber erfahren?“

      „Gewiss, Herr Präsident, Sie wissen, ich stehe Ihnen mit meiner schwachen Kraft vollständig zur Verfügung! Die Sache ist die: Warozin grenzt, wie Sie vielleicht wissen, mit den Besitzungen des Herzogs von Allenstein. Der Generaldirektor des Herzogs ist mein persönlicher Freund – ich habe allen Grund anzunehmen, dass ein polnischer Nachbar ihm sehr unerwünscht wäre, und da er gerade auf der Rückreise von Karlsbad unsere Stadt passiert, habe ich ihn telegraphisch um eine Unterredung gebeten. Ich erwarte ihn eigentlich jeden Augenblick und bin überzeugt, er wird sich bereitfinden lassen,