Mordsschock!. Gaby Hoffmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gaby Hoffmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847656647
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      Während Herbie nervös mit einem Feuerzeug herumfummelte, heimlich seinen angekokelten Daumen abpustete und im Sessel verschwand, lenkte ich ihn auf sichere Pfade. Sein Vorrat an Mut schien mit der Einladung an mich aufgezehrt. „Politik war mir bisher egal. Ich glaube, ich bin das, was man eine Wechselwählerin nennt. Mal hier, mal da – das passt schon! Aber diese Typen von den Konservativen sind ja echt nett. Haben sich bei der Sitzung gleich vorgestellt. Und dann die Einladung von Ken Winter zu der Party.“ Ich schickte ihm einen naiven Augenaufschlag.

      Es funktionierte. Herbie wuchs im Sessel. Ein unverfängliches Thema, bei dem er seine Überlegenheit ausspielte. „Na klar, das ist normal. Die Opposition macht stets die bessere Pressearbeit. Sie wollen ans Ruder. Dazu brauchen sie natürlich jede Menge PR. Am besten wäre für ihren Stimmenfang irgendein von der Regierung verzapfter Bockmist, mit dem sie dann hausieren gehen können.“

      „Dieser von Stetten will wohl Huber ablösen und Bürgermeister werden?“

      „Logisch, nächstes Jahr sind Wahlen. Da geben die Konservativen jetzt richtig Gas.“

      „Und dabei sind zwei von ihnen auf der Strecke geblieben ...“

      „Du meinst die Toten in der Kieskuhle? Tja, der Ehrgeiz bei den jungen Leuten in der Partei ist enorm, das lässt manche vielleicht privat aus dem Ruder laufen. Schaffen sie es nächstes Jahr, werden jede Menge gute Pöstchen neu verteilt. Das baut Druck auf, viele wollen sich profilieren. Aber ich glaube, es ist einfach ein makabrer Zufall, dass beide in der gleichen Partei waren. Du darfst nicht vergessen, wir leben in einer Kleinstadt. Viele Leute sind politisch engagiert oder in Vereinen. Merkwürdige Zufälle sind hier normal.“

      „Wir haben als Jugendliche so lange die Luft angehalten, bis wir ohnmächtig wurden. Am besten ging es, wenn man den Kopf fest in einen leeren Müllsack steckte. Wer als Erster umkippte, hatte gewonnen. ‚Ins Koma fallen‘ haben wir das Spiel genannt. Vielleicht gibt’s bei den jungen Konservativen auch so einen Gruppenzwang? Aus Langeweile kommen manche auf die verrücktesten Ideen.“

      „Ein Spiel mit tödlichem Ausgang?“ Herbie schüttelte den Kopf. „Nein, kann ich mir nicht vorstellen. Das ist zu weit hergeholt, nur weil sie Parteikollegen waren. Außerdem handelt es sich nicht um Jugendliche. Beide waren schon Anfang zwanzig. Schaut mir eher nach Selbstmord aus.“

      „Freunde von mir sind früher regelmäßig zum Cruisen auf einen alten Schrottplatz gefahren. Kann doch sein, dass sich die Jungpolitiker in der Kieskuhle getroffen haben. Dabei geschah ein Unfall, die anderen haben kalte Füße bekommen und sind abgehauen.“

      „Davon habe ich noch nie was gehört.“

      Einen Moment lang sah ich wieder die Augen des toten Peter Heimann vor mir. Irgendetwas faszinierte mich an ihnen. Groß mit dunklen Pupillen, in denen jeweils ein helles Pünktchen blitzte. Ich vermochte sie nicht aus meinem Gedächtnis zu streichen. So jung blieben sie nun für ewig geschlossen.

      Ich schüttelte diese Gedanken ab und wollte ein bisschen Klatsch aus Herbie herausholen. Das gelang nur zäh. Die Riechling war da anscheinend eine dankbarere Quelle. „Hast du den Eindruck, dass Gundula in unseren Chef verknallt ist?“

      Herbie kraulte die Überreste seines spärlichen Haarschopfes, nahm einen großen Schluck Wein und kräuselte beim Kauen die Lippen. „Hinter mir war sie auch mal her! Natürlich ohne Chance!“ Stolz rutschte er im Sessel nach vorne.

      Das war der richtige Zeitpunkt, um an mein Ziel zu gelangen. Ich schlug meine Beine übereinander, die der kurze Mini entblößte, und flötete: „Ach, die nicht?“

      Mit Vergnügen bemerkte ich hektische rote Flecken, die über seinen Hals huschten.

      Er räkelte sich unruhig. „Hm, filigrane Beine!“

      „Genau das hat Erin Schulz auch gesagt.“ Stolz erinnerte ich mich an die Komplimente des Stardesigners, den ich interviewt hatte. Herbie blickte mich verständnislos an.

      „Mir ist kalt, darf ich ein bisschen ranrutschen?“ Scheinbar schüchtern kuschelte ich mich an. Leichter Moschusgeruch kroch mir in die Nase, damit wollte er zweifellos seine Männlichkeit unterstreichen.

      Herbie tastete zögerlich nach meiner Hand.

      Ich setzte mein verführerischstes Lächeln auf und flüsterte: „Herbie, ich liebe es, vorher ein Wannenbad zu nehmen. Das ist hinterher so romantisch, wenn alles gut duftet. Und wo mir so kalt ist. Darf ich?“

      Wenig später stand ich in dem weiß gekachelten Badezimmer, das ähnlich steril wie die übrige Einrichtung wirkte. Nichts auf den Ablagen erinnerte daran, dass hier Menschen lebten. Alle Kosmetika befanden sich offensichtlich in den Schränken. Beschämt dachte ich an meine vollgemüllte Ablage im Bad. Ich leerte meine Tasche und schüttete eine halbe Flasche Schaumbad in die Wanne. Jetzt zwei Sprudeltabletten in das heiße Wasser und hinein ins Vergnügen! Herbie hatte mir einen tragbaren CD-Player ausgeliehen, in den ich meine Entspannungs-CD packte. Das Glas Wein stellte ich auf den Badewannenrand.

      „Du darfst mich nicht stören. Sonst komme ich nicht in Stimmung!“, rief ich säuselnd das Treppenhaus hinunter in Richtung meines Gastgebers.

      Herrlich das Gefühl, in das heiße Wasser einzutauchen! Es ging nichts über einen schönen Badewannenabend! Ich lag da, ließ den Schaum um mich herum perlen, genoss die massierende Wirkung der Sprudeltabletten, atmete die ätherischen Öle ein, trank Wein, hörte Musik und hatte es einfach wonnig. Etwas nervig natürlich, dass mein verhinderter Liebhaber nach einer halben Stunde ungeduldig wurde und gegen die Tür klopfte. Ich beschwichtigte ihn mit meiner zauberhaftesten Stimme und aalte mich eine weitere Viertelstunde in der Wanne.

      Und dann passierte das, was ich aus unzähligen Soaps kannte, nie aber geglaubt hätte, es selbst zu erleben. Ich hörte Schritte und Stimmen im Treppenhaus.

      „Ich muss ganz dringend pullern!“, kreischte eine helle Kinderstimme.

      Ehe ich mich in Bewegung setzen konnte, wurde die Tür aufgerissen: Ein rothaariger sommersprossiger Bengel von ungefähr sieben Jahren stürmte in das Bad. Ohne mich wahrzunehmen, riss er den Klodeckel hoch und pinkelte in das Becken.

      Angewidert rümpfte ich die Nase. Ade meine schönen Wohlgerüche! Das pralle Leben holte einen überall ein.

      Als er seinen Sturzbach beendet hatte, fiel sein Blick auf mich in der Wanne.

      Ich winkte ihm freundlich zu.

      Er riss seine Kinderaugen auf und brüllte los: „Aiiiiiii! Mami, da sitzt ’ne fremde Frau in der Wanne.“

      Mit runtergelassener Hose stürmte er aus dem Bad.

      Ich stieg aus der Wanne, um mich abzutrocknen. Inzwischen zog es wie Hechtsuppe, weil die Tür sperrangelweit offen stand.

      Auf der Treppe wurde gestritten. „Max! Du sollst mich mit deinen albernen Fantasien in Ruhe lassen. Ich bin die ganze Strecke alleine durchgefahren, um Papi zu überraschen. Ich bin jetzt müde und habe keine Nerven für deine Spinnereien“, sagte eine strenge Frauenstimme.

      Max plärrte und schrie: „Da ist wirklich ’ne Frau in der Wanne. Immer sagst du, ich lüge. Aber ich lüge nie! Guck!“ Der wahrheitsliebende kleine Kerl zerrte seine Mutter ins Bad.

      Ich stand so da, wie ich einst auf die Welt gekommen war. Ich schlang ein Handtuch um die intimsten Körperteile. Mehr aus Rücksicht auf die jugendlichen Augen von Max als auf die seiner Mutter. „Guten Abend“, begrüßte ich die erschrockene Frau.

      Entsetzt starrte sie mich an. Stand ihr nicht schlecht. Es passte zu ihrer blonden Hochsteckfrisur, den blauen Augen und der schlanken Figur in Pulli und Jeans. Leider war sie nicht viel reifer als ihr Sprössling, denn prompt kreischte auch sie mit hoher Stimme: „Ahiiiiii! Herbert, wer ist das denn?“

      Ihr Ehemann klammerte sich inzwischen mit mulmigem Gesicht am Türrahmen fest und betrachtete skeptisch die Begrüßungsszene. „Darf ich vorstellen, das ist meine neue Kollegin. Sie kennt noch nicht so viele Leute, und da dachte ich ...“, stotterte er.

      Ehe