Mordsschock!. Gaby Hoffmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gaby Hoffmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847656647
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mich gerade an. Nun würde ich es denen erst recht zeigen!

      Am nächsten Morgen erschien ein Praktikant in unserer Redaktion. Volker Schöndorff. Ebenmäßige Gesichtszüge, Zahnpastalächeln, treuherzige braune Augen, schwarze Locken, schlank und stattliche 1,90 Meter groß. Er plante, seine Semesterferien bei unserer Lokalzeitung zu verleben. Genauso alt wie ich. Folglich nicht unbedingt ein Student der schnellsten Sorte.

      Während dieser Volker sich selbstbewusst vorstellte, scholl von der Straße lautes Stimmengewirr hoch.

      Ich wischte ein Guckloch in die staubige Fensterscheibe und spähte hinunter. Auf dem Bürgersteig gab es einen kleinen Auflauf wütender Passanten und Radfahrer. Ein in der Sonne funkelndes, silbernes Mazda-Cabriolet versperrte ihnen den Weg. „Ich glaube, dein Parkplatz kommt nicht so gut an.“

      „Och, man muss sich doch erst mal orientieren.“ Lässig schwang Volker seinen knackigen Po in der Markenjeans auf meinen Schreibtisch.

      „An deiner Stelle würde ich mich ein bisschen schneller orientieren. Sonst ist Papis Auto bald Schrott.“

      Ein älterer Herr ließ seinen Stock in diesem Augenblick bedrohlich in Richtung Mazda-Cabriolet kreisen.

      „Das ist nicht Papis Auto, sondern meins“, stellte er klar und lüpfte seinen Jeanspo elegant in die Höhe. Geschmeidig wie ein Gepard huschte er die Holzstiegen nach unten. Rums. Die Bürotür flog, beschleunigt durch Volkers Fahrtwind, mit lautem Knall zu.

      Schadenfroh presste ich meine Nase gegen das Fenster, um mitzuerleben, wie die Passanten den Neuen anpöbelten. Ich wurde enttäuscht.

      Kaum, dass er unten aus der Tür getreten war, baute er sich kerzengerade vor den wütenden Leuten auf und hielt eine kleine Rede. Ich verstand natürlich nicht, was er Wundersames verbreitete, aber es wirkte. Besänftigt gingen die Leute weiter. Er fuhr unbehelligt davon, um einen unspektakuläreren Parkplatz zu suchen.

      Der Neue erklärte uns im Laufe des Vormittags, wie die Welt funktionierte. „Schreiben kann ich! Ist nicht mein erstes Praktikum. Und überhaupt – wenn man studiert, muss einem das ja sowieso liegen. Bloß, ich dachte, es ist nie verkehrt, von der Pieke auf anzufangen. Mit den großen Sachen beschäftigt man sich eh früh genug. Deshalb ist es gut, wenn ich bei so einer kleinen Lokalzeitung mal reinschaue.“ Seine große Klappe schmückte er mit charmanten Gesten, die sogar Gundula von irgendwelchen pseudoklugen Kommentaren abhielten.

      Nur Herbie blieb sachlich. Trocken meinte er: „Du kannst um fünfzehn Uhr zur Einweihung des neuen Klohäuschens auf dem Bahnhof gehen.“

      Das selbstbewusste Auftreten dieses großkotzigen Charmebolzens wirkte auf manche kompetent. Das sollte sich mal eine Frau erlauben, die wäre sofort bei allen unten durch, dachte ich, als Volker Wagner Verbesserungsvorschläge für das Layout der Zeitung machte. Leider erlebte ich Wagners Reaktion nicht mit, weil ich ans Telefon gerufen wurde.

      Eine Beschwerde! Ein Leser erhitzte sich über meinen Gottesanger-Text: „Wie können Sie so einen Blödsinn schreiben?“

      Was war nun wieder los? Schließlich handelte es sich um meinen bisher einzigen Artikel, mit dem ausnahmsweise alle zufrieden waren.

      Der Mann schimpfte weiter: „Glauben Sie diesen Friede-Freude-Eierkuchen-Blödsinn, den Sie verzapft haben, selbst?“

      „Tut mir leid, ich wüsste nicht, was daran falsch sein soll.“

      „Alles ist falsch. Nichts ist in Ordnung!“

      „Was meinen Sie damit?“

      „Fragen Sie mal, wer die besten Grundstücke einsackt! Die haben sich unsere sauberen Herren Politiker längst untereinander aufgeteilt. Und wir gucken alle in die Röhre!“

      „Wie kommen Sie darauf?“

      „Ich habe mich um ein Grundstück beworben und heute die Absage bekommen.“

      „Was? Heute schon? Ich denke, die Frist ist noch nicht um ...“

      Erregt fiel mir der Mann ins Wort: „Da können Sie mal sehen!“

      Wenn da was dran war! „Können wir uns treffen und unterhalten?“

      Schlagartig wurde es leise in der Leitung.

      „Hallo? Wie ist Ihr Name?“

      Am anderen Ende klickte es. Er hatte aufgelegt.

      Ich beglückwünschte mich zu meiner Geistesgegenwärtigkeit, mit der ich die auf meinem Display erscheinende Nummer notiert hatte. Jedenfalls keine Handynummer, sondern eine Rosenhagener Vorwahl vom Festnetz. Hoffentlich hatte er aus keiner Telefonzelle angerufen, aber von denen existierten ja nicht mehr viele.

      Ich wartete etwa anderthalb Stunden, dann wählte ich die Nummer.

      „Krüger“, meldete sich eine Frauenstimme am anderen Ende.

      Das genügte. Ich legte auf.

      Wenig später spuckte mir das Suchprogramm das Ergebnis aus: Erich Krüger, Radenland 25.

      Aha, diesem Erich Krüger musste ich also auf die Pelle rücken.

      Mit offizieller Genehmigung vom Chef, der Vorwurf der Herumtreiberei wegen meines Ausflugs in die Kieskuhle dröhnte noch in meinen Ohren, fuhr ich los. Ich nahm den neuen Volker mit, falls Erich Krüger irgendwelche bissigen Hunde hielt. Dieser Praktikant mit seinen glorreichen Fähigkeiten war sicherlich in der Lage, die Hunde zu hypnotisieren.

      „Leute für eine gute Story zu überreden, ist für mich eine Kleinigkeit. Habe ich oft gemacht“, prahlte Volker, dem Jelzick den Rufnamen ‚Voller‘ verpasst hatte.

      In der Straße ‚Radenland‘ standen schmale Siedlungshäuser. Alle aus rotem Backstein, typisch für die Gegend. Einige lagen in großen Gärten, in denen die Bewohner neben Blumen auch Gemüse zogen.

      Nummer 25 war ein Eckgrundstück. Eine ältere Frau mit kurzen grauen Haaren, um deren rundliche Hüften sich eine blaugemusterte Kittelschürze im Frühlingswind blähte, hängte zwischen den Stiefmütterchenbeeten Wäsche auf.

      Ich war froh, dass wir in Tante Carlottas klapperigem Polo vorgefahren waren und nicht in Vollers großkotzigem Mazda-Cabriolet. „Guten Tag, wir kommen vom Rosenhagener Tageblatt und möchten gerne mit Herrn Krüger sprechen“, leitete ich die Unterhaltung ein.

      Abfällig wanderten ihre Blicke über meinen Körper. Dabei hätte mich heute im bodenlangen Sommerkleid, das ich leichtsinnigerweise angesichts der ersten warmen Sonnenstrahlen angezogen hatte, sogar Tante Carlotta zum Fressen gefunden. Nun ja, die lilagelben Monde auf dem blauen Stoff wären nicht unbedingt ihr Geschmack, aber sonst ...

      „Was woll’n Se von meinem Mann?“

      „Er hat angerufen, um mit uns zu sprechen“, antwortete ich schlau und fand mich ungeheuer raffiniert.

      Leider meinte der Supermann an meiner Seite, er hätte zwei Sekunden zu lange geschwiegen, und sagte: „Es geht um eine heiße Geschichte ...“

      Weiter kam er nicht, weil ich ihm von hinten einen Tritt ins Schienbein verpasste. Mit Genugtuung bemerkte ich aus den Augenwinkeln sein schmerzverzerrtes Sunnyboy-Gesicht.

      Jetzt fiel bei der Frau ein unsichtbarer Vorhang. Sie machte total dicht. „Mein Mann ist nicht da.“

      Höflich erwiderte ich: „Das ist gar kein Problem. Wir versuchen es morgen wieder.“

      „Morgen hat er auch keine Zeit“, erklärte sie abweisend.

      Ich bemühte mich, geduldig das Lächeln auf meinen Lippen zu fixieren und erneut vorzupreschen, aber die Frau wandte sich ab und hing weiter abwechselnd gestreifte Schlafanzughosen und grauweiße Ripp-Unterhemden auf die Leine.

      Voller strahlte plötzlich, woraufhin ich mich spontan umschaute, ob aus dem Gebüsch barbusige Schönheitsköniginnen aufgetaucht wären. „Nein, was haben Sie für eine bildhübsche Katze! Das ist ja eine ganz seltene Farbe!“

      Um