Mordsschock!. Gaby Hoffmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gaby Hoffmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847656647
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Frau drehte sich um. „Das ist unser Felixlein, den haben wir vor zwei Jahren bei uns aufgenommen. Irgendjemand muss ihn ausgesetzt haben.“

      Voller schüttelte tief betroffen den Kopf. „Was es für Leute gibt! So ein netter Kater! Wir haben auch sechs Katzen, von denen vier kein Zuhause mehr hatten.“

      Die Frau musterte Voller. Ihre Gesichtszüge glätteten sich. Liebevoll beobachtete sie, wie sich ihr süßer Felix an Grashalmen zu schaffen machte, um sie anschließend wieder auszuspucken. „Wissen Se, der Felix ist total in meinen Mann vernarrt. Als der mal zur Kur war, hat der Kater mir glatt jeden Morgen auf den Teppich gepinkelt. So hat er ihn vermisst! Und wenn wir ihm Knäckebrot mit Milch geben, macht der richtige Freudensprünge.“

      Voller strich sich die Locken aus dem Gesicht. „Knäckebrot mit Milch ist gut! Aber versuchen Sie mal, ihm eine Kindermilchschnitte zu geben. Danach sind unsere Katzen zu Hause ganz verrückt.“

      Und so lief das Gespräch weiter. Die Frau hatte ihre Wäsche vergessen und kramte sämtliche Felix-Anekdoten aus, die ihr einfielen.

      Voller brach jedes Mal in schallendes Gelächter aus und rief: „Nein, wie herzig! Tiere sind die besseren Menschen!“ Zwischendurch fütterte er uns mit seinen eigenen Katzenerlebnissen.

      „Also, Rita Martinek, die wohnt mit fünfzehn Katzen zusammen. Ich war mal bei ihr zu Hause“, wollte ich mich mit der Schauspielerin ins Gespräch einbringen.

      „Wer is Rita Martinek?“ Die Frau zog einen Panzer-BH Größe ‚Hängematte‘ aus dem Wäschekorb und schwang ihn auf die Leine.

      „Äh, wie gesagt, probieren Sie es mit einer Milchschnitte!“, bügelte Voller rasch meinen Einwurf aus.

      In meinem Kopf miaute und fauchte es mittlerweile. Ich dachte an Oscars Eskapaden in meiner Wohnung.

      Felix war das Katzengeschnatter zu viel geworden, er hatte sich längst verdrückt. Er ging auf gepflegte Mäusejagd oder himmelte eine Kätzin an. Von wegen Milchschnitte!

      Irgendwann bot Voller an: „Ich muss Ihnen mal Fotos von unseren Katzen zeigen. Die werden Ihren Mann bestimmt auch interessieren.“

      „Ja, mein Mann kann nicht ohne Felix sein. Wenn er nach Hause kommt, ruft er sofort nach ihm. Felix springt von irgendwoher auf seinen Schoß.“

      „Reizend! Wann können wir Ihren Mann mal kennenlernen? Er wollte mit uns über den Gottesanger reden.“

      „Komm‘ Se morgen Abend vorbei! Ich sach ihm Bescheid.“

      Wir verabschiedeten uns.

      Als wir im Auto saßen, fragte ich: „Sag mal, die vielen Katzen, die ihr zu Hause habt, das sind wohl alles Kater?“

      Voller lachte. „Ich habe nie eine Katze besessen. Ich bin allergisch gegen Tierhaare.“

      „Und die Milchschnitte?“

      „Esse ich manchmal ganz gerne! Hat doch geklappt. Okay, das mit der ‚heißen Geschichte’ war natürlich ein Anfängerfehler. Bin ein bisschen aus der Übung.“

      Gar nicht so übel, dieser Praktikant! Er gestand sogar Fehler ein!

      „Oh, oh“, stöhnte er in diesem Moment laut, sodass ich vor Schreck um ein Haar den Kantstein gerammt hätte.

      „Was ist los? Kriegst du einen Blinddarmdurchbruch?“

      „Beschreie es nicht!“ Voller presste sein linkes Ohr in Richtung Beifahrerspiegel, dabei drehte er beides so heftig, dass ich befürchtete, Spiegel und Ohr würden ihre Fassung verlieren. „Hier, siehst du es nicht? Ich muss sofort zum Arzt!“

      „Was um Himmels willen?“

      „Ein Geschwür hinter meinem Ohr. Bestimmt ein böser Tumor! Oh, was soll ich nur tun?“ Voller jaulte wieder auf und betastete sein Ohr.

      Ich parkte den Wagen am Straßenrand, um mir Vollers Tumor anzusehen. Hinter dem Ohr saß wirklich etwas. Ein winziger, harmloser Pickel! „Soll ich ihn dir ausdrücken?“

      „Ihh, bist du wahnsinnig!“

      „Weichei!“

      Am nächsten Tag leistete ich Heldenhaftes. Ich besuchte in einem der Dörfer um Rosenhagen herum eine der unzähligen Künstlerinnen, die unbedingt gedruckt werden möchten. Meistens schickten nach Selbstbestätigung suchende malende Ehefrauen ihre Männer vor, die anriefen und uns von den Fähigkeiten ihrer Angetrauten die Ohren volltexteten. Gut, man muss eine Zeitung ja irgendwie dicht kriegen!

      Ich verließ die hoffnungsvolle Künstlerin, die mir am liebsten stundenlang ihre Sylter Dünen und Blumenaquarelle gezeigt hätte. Pfeifend fuhr ich zu vollaufgedrehter Musik über die Schnellstraße, grübelte dabei über die beiden Toten in der Kieskuhle und den seltsamen Anruf von Herrn Krüger nach, als ich etwas Ungewöhnliches entdeckte. Auf einem der einsamen Rastplätze, die sich in unmittelbaren Abständen an der Strecke befanden, stand ein großes Wohnmobil. Nichts Ungewöhnliches, aber im Fenster hing ein überdimensionales knallrotes Herzschild ‚Girls, Girls‘. So auffällig, dass jeder normale Autofahrer es registrierte.

      Mir fiel eine Sendung im Fernsehen ein, in der über sogenannte ‚Lovemobils‘ berichtet wurde. Hier verdienten sich meistens Hausfrauen ein gutes Taschengeld. Allerdings in einer anderen Gegend.

      Ich fuhr ein Stück weiter und wendete bei der nächsten Gelegenheit, um das Objekt aus der Nähe zu betrachten. Rasant kurvte ich über den Parkplatz und hielt neben dem Lovemobil. Auf dem Beifahrersitz lümmelte sich eine schwarzhaarige Schönheit, die interessiert aus dem Fenster schaute. Sicher vermutete sie einen kapitalen Freier.

      Ich griff meine Kamera und knipste die Frau durch die Autoscheibe. Einen Moment lang erschien am hinteren Fenster ein älterer Frauenkopf mit kurzen grauen Haaren.

      Frau Krüger – durchzuckte es mich.

      Der Kopf verschwand.

      Wahrscheinlich plagten mich Halluzinationen, weil ich mich vorher in Gedanken mit der Krüger-Story beschäftigt hatte! Mir blieb keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Aus dem Gebüsch hinter dem Parkplatz schoss plötzlich ein riesiger grauer Amischlitten.

      Ausnahmsweise reagierte ich blitzschnell und fuhr zurück auf die Straße. Der Schlitten hinterher. Zum Glück war helllichter Tag, es herrschte relativ dichter Verkehr. Herzklopfend gab ich Gas, verriegelte meine Autotüren und riskierte gewagte Überholmanöver. Einen schrecklichen Moment lang stellte ich mir vor, wie Jelzick glückstrahlend meinen Crash auf der Eins platzieren würde. Oder noch eine bessere Story, wenn mich mein Verfolger schnappen und zu Apfelmus verarbeiten würde. Nein danke, ich legte keinen Wert darauf, Aufmacher zu werden!

      Ich quetschte mich zwischen zwei Lkws und kauerte mich krampfhaft hinter dem Lenkrad zusammen. Meine Ausfahrt näherte sich. Automatisch fuhr ich ab. Leichtsinnig von mir, auf einsamerer Straße könnte mich mein Verfolger besser stellen. Aber ich besaß wohl irgendwo einen Schutzengel. Hinter mir tuckerte nur ein harmloser Mähdrescher. Sonst niemand. Offensichtlich hatten die Lkws meinem Verfolger die Sicht genommen, und er jagte auf der Suche nach mir weiter.

      Erleichtert atmete ich durch. Mein T-Shirt klebte am Rücken, von der Stirn perlten Schweißtropfen. Ich schaltete einen Gang zurück, um meinen Pulsschlag zu beruhigen. Meine Hand tastete nach der Kamera. Geschafft! Das Foto war im Kasten!

      Stolz auf mein Heldenstück, kehrte ich in die Redaktion zurück. Natürlich malte ich die Geschichte aus. Mit quietschenden Reifen und einem zweiten Verfolger, der im Gebüsch lauerte. Jedenfalls genoss ich das Gefühl, dass meine Kollegen an meinen Lippen hingen. Sogar Wagner lobte mich.

      Und Gundula ärgerte sich. Ich glaubte, sie fletschte die Zähne hinter ihren festzusammengepressten Lippen. Gleich müsste es laut knirschen. Stattdessen lächelte sie Wagner verführerisch an und sagte: „Ja, ja. Das sind so die Anfängererlebnisse, die wir alle mal gemacht haben. Also, ich damals ...“ Und sie redete und redete.

      Ihr Ziel hatte sie erreicht. Ich fühlte mich nicht länger als Heldin. Seufzend setzte ich mich