12 fette Frauen. Cathrin Sumfleth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Cathrin Sumfleth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742774965
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er schüttelt den Kopf. „Genießen Sie ruhig Ihre Currywurst", sage ich. Er lacht. „Wissen Sie, Frau Groß, wenn Sie Interesse haben ... begleiten Sie mich. Morgen werde ich die 11 verbleibenden Frauen vernehmen! Es wäre sicher eine gute Inspiration für Ihren ... nun ja, Sci-Fi-Krimi." „Okay.", sage ich. „Okay?", er sieht mich prüfend an. „Vielleicht findet sich irgendwo noch eine Lovestory, so am Rande. Im Roman würde ich Wert darauf legen, denn in meinem eigenen Leben sieht das eher mau aus." „Wem sagen Sie das!", seufzt Clausen und schmeißt seine Currywurst-Pappe in den Mülleimer. „Morgen um 13 Uhr vor dem Wohnkomplex, ja?" Ich nicke. „Seien Sie pünktlich. Bis dahin!", wir nicken einander zu und er stapft um die nächste Ecke. Ich stelle mich noch eine Weile an den Fähranleger, bis ich mich dazu entschließe, mit der Fährlinie 62 zum Elbstrand zu fahren. In Övelgönne laufe ich eine Weile mit Musik am Wasser entlang, performe ungestört zu theatralischen Lovesongs und überlege, ob ich Ferdi langsam antworten sollte. Irgendwie wird mir bei jedem Gedanken an die Arbeit ein wenig übel und ich möchte jeglichen Kontakt soweit hinauszögern wie möglich. Auf der anderen Seite scheint er wirklich besorgt zu sein – um mich und meine angebliche Schwangerschaft. Ich entscheide mich für ein kurzes „Läuft! Mach dir keinen Kopf, ich komm zurecht" und frage mich, ob ich wirklich zurecht komme. Nach einem langen Elbspaziergang steige ich in den Bus und fahre nach Altona, wo ich Carmen und Rami im Klönschnack einen kurzen Besuch abstatte. Carmen hat bereits von Jürgen erfahren, dass ich in den nächsten Wochen ihre Nachtlicht-Schichten übernehmen werde, die erste sogar schon heute Abend. Sie nimmt mich begeistert in die Arme. „Du bist die Beste, Paula!" „Ist schon okay", sage ich. „Du musst dir echt mal ein bisschen Zeit für dich nehmen." „Sag ich ja!", ruft Rami, der gerade nebenan noch ein paar Aufbackbrötchen aus dem Ofen holt. Das riecht man. Hmmm ... langsam kommt mein Appetit zurück. Normalerweise hätte ich mir ganz bestimmt auch eine Currywurst bestellt, aber durch meinen Kater und das dazugehörige Unwohlsein (verdammter Jägermeister), hat sich meine Nahrungsaufnahme heute bis jetzt nur auf eine Flasche Cola beschränkt. Da ich alles andere als ein Fit Shake-Testimonial bin, und garantiert keins werden will, verlange ich eins der Brötchen und berichte Carmen und Rami kauend von meiner kommenden Karriere beim Morddezernat. Sie staunen schon ein wenig. „Meinst du, er will dich angraben?", fragt Carmen und schaut angewidert drein. „Oh Gott, nein!", ich schüttle energisch den Kopf. „Auf keinen Fall!" „Natürlich will ich, dass der Fall gelöst wird. Aber eine Liaison zwischen dir und dem uralten Ermittler ... das wäre ja schon etwas dubios", fährt sie fort. „Was für eine merkwürdige Anmache von ihm", sagt Rami. „Nur, weil er ihr nicht gleich ein komplettes Bollywood-Musical vorgetanzt hat ... weißt du, Rami, für einen Deutschen Mann ist das ziemlich offensiv, Paula zu Zeugenbefragungen mitzunehmen , geradezu verwegen", Carmen zieht beide Brauen hoch, dann lachen Rami und sie. Es sind definitiv der gezielte Rassismus von beiden Seiten und ihr absurder Humor, der die beiden selbst jetzt eng zusammenhält. Und viel, fast abartig viel Zuneigung, die sich in jedem ihrer Blicke widerspiegelt. Manchmal beneide ich die beiden. Vielleicht ist das die Art von Liebesgeschichte, die ich in meinen Sci-Fi-Kriminalroman integrieren sollte. „Paula! Pau-la-ha! Komm zurück in unsere Welt!", Carmen steht neben mir und tippt mich an. „Tagträumer!" „Oh sorry", sage ich, „ich habe gerade überlegt, wie ich eure Beziehung kunstvoll in meinen neuen Sci-Fi-Love-Krimi einbauen kann." „Haha! Rami wird so ein kleines Alien, mit Turban und einem Indischen Dialekt." „Wenn überhaupt, dann Akzent", sagt Rami. „Bayrisch ist ein Dialekt!" „Bayrisch wäre auch lustig", entgegnet Carmen. „Ja, Servus! Un grüas Gott z'samme! Wo koann I a schönes Madl aas dem Ghetto treff'n? - Joa, da gens a moal nach Steiiilshoap! Da findens doann aane!" Sie prustet. Die beiden haben sich kennengelernt, als Rami, der aus Altona kommt, das erste Mal in seinem Leben Steilshoop betreten hat, um dort ein Keyboard abzuholen, welches er auf ebay gefunden hatte. Beim Einparken in einem Hinterhof hätte er beinahe eine kesse Blondine überfahren, die mit dem Fahrrad eine Abkürzung nehmen wollte und nun drauf und dran war, ihn zu verprügeln. Aber nur wenige abfällige Bemerkungen später wurde klar, dass diese Begegnung die Begegnung ihrer beider Leben sein sollte. Rami spielte ihr ein schlechtes BonJovi-Cover auf seinem neuen Keyboard vor, sie lachte sich darüber kaputt und drei Monate später zog Carmen zu ihm nach Altona, wo sie nur ein Jahr darauf, nach dessen Scheidung, den Kiosk ihres Onkels übernahm. Nach Abschluss seines VWL-Studiums stieg Rami mit ein. Ihre erste Begegnung ist jetzt fast zehn Jahre her. Ich seufze. „Paula", Carmen rüttelt dieses Mal an meinem Ärmel. „Ja?" „Lass uns doch bald mal wieder was unternehmen. Irgendwas ... Normales. Weißt du, ich brauche was Normales. Shoppen, Spazierengehen, Maniküre, ... vielleicht sogar Sport! Lass uns doch mal wieder ins Fitnessstudio gehen, weißt du noch! So wie in alten Zeiten!" Carmen und ich hatten uns beim Fitness für Mollige im SportSpaß kennengelernt. SportSpaß, das hielten wir beide schon immer für ein Paradoxon und wurden in der Sportgruppe schnell bekannt, als wir nach dem Kurs in der Umkleidekabine zwischen den anderen Pummelfeen Sachen sagten, wie „Verdammt, wer hat meinen Schokoriegel gegessen?" - „Die Dicke war's" und „Hach, jetzt erst mal zu McDonald's". Okay, vermutlich fanden die anderen es nicht mal witzig und lachten nur aus Beschämtheit, aber Carmen und ich fanden uns extrem lustig und blieben, auch außerhalb des Kurses, und schon bald nur noch außerhalb des Kurses, in Kontakt. „Hier auf der Ecke hat ein neues Studio aufgemacht", berichtet Carmen. „Einer der Trainer ist sehr nett. Er kommt manchmal nach Feierabend vorbei und kauft Bier." „Ha! Weil ihr auch keine Protein-Shakes im Angebot habt!", rutscht es mir raus. „Paula", zischt Carmen. „Er ist wirklich nett, nicht der klassische Pumper, bei dem dir direkt der Bizeps ins Gesicht springt. Und er hat Rami und mir ein Probetraining angeboten. Wir beide wissen ja, dass Rami keine Sportart außer Fußball näher an sich ran lässt – und das ohnehin nur passiv." Rami, der wieder nebenan im Lager ist, hat seinen Namen gehört. „Waaaas?", brüllt er. „Nichts, Schatz", brüllt Carmen zurück. „Also, bist du dabei?", sie sieht mich auffordernd an. „Pffft. Na gut", sage ich und bin wenig begeistert. Aber was tut man nicht alles. „Okay", sagt sie. „Morgen Abend! Die haben bis 22 Uhr auf. Also lass uns doch um 20 Uhr hier treffen und dann einfach hingehen." „Hmpf", mache ich. „Schön, dass du dich freust", lacht Carmen.

      Bevor meine erste Schicht im Nachtlicht anfängt, haue ich mich noch für ein paar Stunden aufs Ohr. Im Halbschlaf höre ich noch mein Handy klingeln, blende es allerdings aus. Erst als jemand nicht aufhört, an der Tür Sturm zu klingeln, gebe ich mein Nickerchen auf und erhebe mich grantig. Es ist meine Nachbarin Mandy aus dem Erdgeschoss. „Oh, hast du geschlafen?", fragt sie, als sie meinen Gesichtsausdruck in der Kombination mit dem Abdruck meines Kissens im Gesicht bemerkt. „Hm." „Sorry! Kann ich ganz kurz Lotti bei dir lassen?" Sie schiebt den kleinen Menschen schon durch die Tür. „Es ist ein Notfall! Tilly ist noch bei der Tagesmutter und die hat eine Panne am Auto und jetzt kann sie ihn nicht vorbeibringen weil sie sich weigert, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen. Und ich will nicht im Feierabendverkehr mit zwei Kindern Bus fahren. Bitte Paula. Es dauert auch nur eine halbe Stunde, vielleicht 45 Minuten, aber bestimmt nicht länger." „Mandy, ich hab heute Nachtschicht auf dem Kiez und ich muss in einer Stunde los ..." „Auf dem Kiez? Okay, erzähl mir das später, ich beeil mich, danke Paula. Tschüsschen!" Und weg ist sie. Lotti steht vor mir und schaut mich verwirrt an. „Du hast doch gar keine Zeit für mich, Paula, wenn du gleich zur Arbeit musst. Können wir dann nichts spielen?" Sie ist dieses Jahr fünf geworden und schaltet schneller als ihre eigene Mutter. „Doch, Lotti, ein Puzzle können wir noch schaffen." Ich versuche sie anzulächeln und merke dabei, dass meine Gesichtszüge noch schlafen. Dann krame ich Mandys Notfallspielsachentasche aus einer Ecke, die tatsächlich regelmäßig zum Einsatz kommt und ziehe Lottis Minnie Mouse-Puzzle heraus. „So Lotti", sage ich. „Du fängst schon mal an und ich mache mich kurz schick für die Arbeit, okay?" „Okay", Lotti nickt tapfer und kippt die Puzzleteile auf meinem Schlafzimmerfußboden aus. Ich schließe fix meine Küchentür, weil ich nicht sicher bin, ob ich beim schnellen Durchkehren alle Teile des Aquariums erwischt habe und gehe ins Bad um mir ein neues Gesicht aufzumalen. Durch die offene Badezimmertür höre ich Lotti singen. Ich tippe auf Miley Cyrus' 'Wreckingball' und muss den Kopf schütteln. Mandy ist eben manchmal eine richtige Mandy. Während meine Schwester und ich mit fünf Rolf Zuckowski gehört haben und die schlimmsten musikalischen Fehltritte die Neue-Deutsche-Welle-Schallplatten meiner Mutter waren,