Traumtänzer. M. A. Audren. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: M. A. Audren
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754907252
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für seine vielen Bewunderinnen. Die Hand schon halbherzig in Richtung Handykamera ausgestreckt, gab Ellie ein leises Glucksen von sich, doch nicht einmal das lenkte ihn ab. Die bunten Bilder des Blockbusters erleuchteten sein Gesicht im Halbdunkel mit allerlei bunten Farben und sie kam nicht umhin darüber nachzudenken, wie wundersam diese ganze Situation eigentlich war. Wäre es unter anderen Umständen so gekommen? Mal abgesehen von ihrem Arbeitsplatz und einer Vorliebe für lächerliche Horrorfilme hatten sie nicht viel gemeinsam und auch ihre Freundeskreise und Hobbies hatten sich nie überschnitten. Ellie behielt sich die philosophischen Fragen sonst für drei Uhr morgens unter der Dusche auf, aber zeitweise kam sie nicht darum herum, ihr Leben genauer zu betrachten. Standen sie und ihr bester Freund sich nur so nahe, weil das Schicksal sie zusammenzuketten schien? Cains Eltern waren in einem Unfall verstorben - in derselben Explosion, die auch Ellies Mutter das Leben gekostet hatte, als sie erst wenige Wochen alt war. Soweit sie wusste, hatten ihr Vater und Marlyn danach Kontakt gehalten und bald waren Cain und Ellie gemeinsam über den Spielplatz gelaufen und hatten sich gegenseitig Sand ins Gesicht gestopft. Sie waren in dieselbe Grundschule gekommen, dieselbe Oberstufe … und über mehrere Umwege war Ellie in der Gärtnerei seiner Großeltern gelandet. Sie selbst war einfach in Pflanzen vernarrt, während Cain eher zwangsbeglückt in das Familienunternehmen eingearbeitet wurde, das er eines Tages übernehmen würde. Vorausgesetzt Marlyn riss ihm nicht vorher den Kopf ab und vererbte den Laden stattdessen Ellie. Das war eine ihrer liebsten Drohungen, wenn Cain einmal wieder mit den Kunden flirtete, anstatt ihre Bonuskarte abzustempeln. Die Frage nach Kausalität oder Korrelation verlor sich in einer besonders lauten Explosion aus dem Fernseher.Als sie Cain raus geworfen hatte und die grüne Tür hinter sich schloss, schwirrte Ellie immer noch der Kopf. So viel zu einem entspannendem Abend. Vom Film war nicht viel hängen geblieben, genau genommen wusste sie nicht einmal mehr, wie alles geendet hatte, als sie die Jalousien in Charles Zimmer herunter kurbelte und die Vorhänge nach innen zog.»Was denkst du, Dad? Wenn die Sache mit Mom nicht gewesen wäre … wäre Cain dann heute überhaupt hier gewesen? Vielleicht hätte ich auch mehr Freunde, wenn du sowas wie einen Sozialzirkel hättest. Freunde im selben Alter und so. Wenn man erwachsen ist, sind die nämlich gar nicht so leicht zu finden.« Es schien taktlos, einen schlafenden Mann aufzuziehen, aber Ellie dachte gerne, dass er es an ihrer Stelle genauso machen würde. Sie zupfte die Decken ein wenig gerade und brachte ein mildes Lächeln zustande. Es war nicht so, dass Charles keine Bekannten hatte … er zog es nur vor, alleine mit seinem Teleskop irgendwo hin zu fahren und den Sternenhimmel anzustarren. Ein wehmütiges Ziehen meldete sich in Ellie Brust. »Vielleicht ist es auch egal. Vielleicht ist nur wichtig, dass wir jetzt sind wo wir sind. Und nicht ganz alleine. « Charles schien zuzustimmen, zumindest erhob er keinen Einspruch und für sie war das genug. »Gute Nacht, Dad.« Damit stapfte sie aus dem Raum und ins Dachgeschoss um doch noch zeitig ins Bett zu kommen.Es war ein ruhiger Arbeitstag gewesen, dennoch fühlte sie sich ungewöhnlich ausgelaugt, als sie ihre Jeans abstreifte. Ihr Blick fiel auf ihr Sofa - wo ihr Traumfänger ganz unscheinbar auf ein paar Kissen lag. Denselben Fehler würde sie nicht noch einmal machen. Diesmal zog sie sich zuerst fertig um und putzte sich die Zähne, bevor sie auch nur daran denken konnte, einzuschlafen. Mit ihrer Abend-Routine fertig und mit dem Tag soweit möglich im klaren, beseitigte sie das Chaos, das ihre Übernachtung auf einem harten Sofa hinterlassen hatte und schlurfte einen Raum weiter in ihr bequemes Bett. Aus irgendeinem Grund behielt sie den Traumfänger dabei in den Händen. Es war nur ein lebloses Stück Metall und Fäden, doch wenn sie ihn ansah wurde ihr merkwürdig warm ums Herz. Vermutlich weil Charles in ihr gegeben hatte.

Divider Image Kapitel 4 - Amaryllis

      In Elgin war es selten richtig warm. Aber, dass sie barfuß bis zu den Schenkeln im Schnee stand und ihr halb gefrorene Wassertropfen ins Genick träufelten, war doch eher ungewöhnlich. Vor allem, weil das voraussetzen würde, dass sie draußen im Freien war und es in den letzten paar Stunden geschneit hatte. Da den ganzen Tag die Sonne schien und Ellie sich gerade eben ins Bett gelegt hatte, war das eher unwahrscheinlich. Um sie herum standen schmale, weiße Bäume, deren Spitzen so weit in den Himmel ragten, dass sie die Kronen mit bloßem Auge nicht erkennen konnte und als eine Windböe ihr mehrere handvoll Schnee von einem Ast ins Gesicht trieb, beschloss Ellie, nie wieder mit diesem verdammten Traumfänger ins Bett zu gehen. Auf den zweiten Blick schienen die Bäume nichts anderes als gewöhnliche Birken zu sein, was ihre bloße Anwesenheit aber nicht besser machte. Anstatt den zum Wetter passenden, nackten Ästen, trugen die Bäume reichlich Blattschmuck aus reinem Silber. Ellie kniff sich in die Nase, schloss die Augen und zählte bis zehn. Bei 45 waren die Bäume noch immer da. Langsam dämmerten ihr ein paar Erinnerungen der vergangenen Nacht wieder - hatte sie da nicht auch schon so einen Schwachsinn geträumt? Wenn das noch so ein Klartraum war, in dem sie mehrmals fast abkratzen würde, könnte das ja eine schöne Nacht werden.Vom herumstehen und erfrieren würde ihre Situation auf jeden Fall nicht besser, also setzte sie sich leise fluchend in Bewegung. Bedeutend langsamer, als in der Nacht davor, da sie bei jedem Schritt erst einmal ihre Füße aus dem Schnee bekommen musste. Der Wald selbst machte die Navigation nicht leichter, die Bäume standen unnatürlich dicht aneinander, sie musste sich immer wieder zwischen den schmalen Stämmen hindurch quetschen oder einen Umweg machen, wenn sie nicht durch passte. Nach wenigen Minuten musste sie schon das erste Mal einhalten. Die Luft war bissig kalt auf ihren Wangen und ihr Atem hinterließ schon eisige Tropfen auf ihren Augenbrauen und Stirnfransen. Ellie hob den Kopf und versuchte, etwas in der Ferne zu erkennen, doch so weit sie sehen konnte, war alles in weiß gehüllt. In anderen Fällen wäre das vielleicht szenisch, oder sogar romantisch gewesen, in diesem Fall war es jedoch viel zu hell. Besonders in Verbindung mit den silbernen Blättern reflektierte und strahlte es von jeder Oberfläche und nach wenigen Sekunden des Spähens fühlte sie ein schmerzhaftes Stechen in ihren Augen. Kurzerhand senkte sie den Blick wieder und stapfte weiter durch die schier endlose Schneedecke. Auch wenn die Kälte unerbittlich an ihren Knochen zerrte und sie begann, Angst um ihre Zehen zu haben, war dieser Wald gar nicht so furchteinflössend.Trotz der dichten Bepflanzung war es taghell und in der Ferne konnte sie Vogelzwitschern und die üblichen Geräusche wilder Natur ausmachen. Vages Rauschen erinnerte sie an einen fernen Fluss und irgendwo über ihr schien ein Specht seinen Spaß mit den Borkenkäferraupen zu haben. Das einzige Geräusch, das nicht so ganz ins Gesamtbild passte, war das merkwürdige Rascheln vor ihr. Es klang ein bisschen wie ein Tier, das sich im Unterbusch bewegte, aber neben den Bäumen gab es keine sichtbare Vegetation - nicht einmal die vage Form von Büschen oder Sträuchern unter der Schneedecke - und wenn sie sich nicht irrte kam es aus den Baumkronen. Wieder blieb sie kurz stehen, kniff die Augen zusammen und versuchte, einen Blick nach oben zu erhaschen. Vielleicht gab es hier Affen? Zu dieser Jahreszeit war es wohl kaum ein Eichhörnchen. Dass das in einem magischen Wald mit silbernen Blättern vielleicht kein Thema war, entfiel Ellie in diesem Moment. Auch wenn es kein Eichhörnchen war, irgendetwas kletterte da definitiv in den Bäumen herum. Sie konnte nur eine schemenhafte Gestalt ausmachen. Weißes Fell - oder Stoff? - das hervorragend mit der Umgebung verschmolz. Es fiel ihr schwer, die Entfernung auszumachen, von der Größe ganz zu schweigen und die Bewegungen waren so zaghaft und desorientiert, dass ihr beim besten Willen nichts einfiel, auf das die Beschreibung passen könnte. Es war kein Alb. Das jähe Erschaudern aus jener Nacht blieb aus, ebenso der brennende Schmerz, der sich in ihr Herz gegraben hatte, als die Monster sie verfolgten. Vielmehr fühlte sie sich zu dem Wesen hingezogen. Der Wind schien es nicht von sich zu stoßen, sondern wie eine sanfte Melodie durch die Baumkrone zu ihr zu tragen. »Hallo?« Ihre Stimme verhallte, ehe Ellie sie stoppen konnte - und das Wesen hielt inne. Dann bewegte es sich: Zuerst vorsichtig, geradezu irritiert, dann immer schneller, direkt auf sie zu. Das beunruhigte sie nun doch etwas. Um wegzulaufen war es zu spät, es sei denn der Schnee löste sich urplötzlich in Luft auf. Ellie warf einen Blick über die Schulter - genau in ihrem Rücken war einer der weißen Birkenstämme. Er hatte keine Äste, die tief genug für sie wären, sich in Sicherheit ziehen stand also außer Frage. Da, was auch immer da auch sie zu kam, ebenfalls behände schien, hätte es ihr ohnehin kaum genutzt. Trotzdem spielte sie mit dem Gedanken, sich an den Baum zu krallen - auch wenn es nur war, um ihre Füße aus dem Schnee zu kommen.»Ellie?« Jetzt war es an ihr zu erstarren. Sie wagte es kaum aufzublicken, während ihr Körper sich wie von selbst