Traumtänzer. M. A. Audren. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: M. A. Audren
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754907252
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»Dieser Ort hier, die Traumwelt, wie sie oft schon genannt wurde - sie ist echt. Du bist wirklich hier. Dein Körper ruht friedlich in deinem Bett, du bist also im großen und ganzen sicher, aber dein Geist befindet sich in Lancars.«»Im großen und ganzen?« Ein recht wichtiges Detail um es einfach so in einem Nebensatz zu verstecken.»Deine Seele ist hier und damit verwundbar, aber keine Sorge. Wir sind nicht in Lacrimosa, hier droht dir keine Gefahr.«»Das macht nicht besonders viel Sinn.«»Das tun wenige Dinge. Aber die Traumwelt existiert - wenn auch auf einer anderen Ebene als deine Welt. Es ist nicht so komplex wie man glauben würde … aber schwer in Worte zu fassen.« Der Tänzer seufzte schwer. Umständlich setzte er sich neben sie und starrte auf seine Handflächen. »Die Sache ist die … seit der Wandler sich erhoben hat, werden die Menschen hier immer seltener. Tatsächlich haben wir seit über 20 Jahren keinen mehr in unserer Welt gesehen.« Trauer huschte über sein Gesicht, doch ein kurzes Räuspern und er fasste sich wieder. »Fürs Erste sollten wir vorsichtig sein, nur für den Fall der Fälle. Wir geben dich als Tänzerin aus, da ist nichts dabei, und ich kann dir in Ruhe das Dorf zeigen, bevor du aufwachst! Früher gehörte es zur guten Sitte, Besucher herumzuführen und damit will ich nicht brechen.« Seine Worte schienen aufrichtig, doch irgendetwas passte nicht. Ellie wurde das Gefühl nicht los, dass er ihr etwas vorenthielt. Irgendetwas an der Art, wie er gesagt hatte, sie sei nur im Geiste hier. Nichtsdestotrotz fiel es ihr leicht ihm zu glauben. Vermutlich weil ihr Instinkt die Wahrheit schon kannte, lange bevor ihr Kopf es wahrhaben wollte.»Okay … überzeugt bin ich nicht, aber okay. Du hast bereits gestern von diesem Wandler gesprochen, wer oder was ist das? Einer der Alben?« Sie schien einen empfindlichen Nerv getroffen zu haben, denn Layan zuckte merklich zusammen.»Er … das ist unwichtig. Hör zu, Ellie.« Er hob seinen Blick, sah ihr direkt in die Augen. »Kaum ein Mensch schafft es noch hierher, lass uns die wenige Zeit, die wir haben, nicht vergeuden!« Sein Ausdruck war beinahe flehend und trotz dem Unwohlsein in ihrer Brust konnte sie einfach nicht verneinen. Wenngleich sie nicht verstand, warum sie sich unbedingt umsehen sollte … es musste etwas dahinter stecken. Ihre Neugierde gewann wider ihrer Vernunft überhand.»Na gut. Ich gebe vor eine Tänzerin zu sein, auch wenn ich mich im Gegensatz zu euch eher bewege wie ein Steintroll.«»Ab und an gibt es auch Traumtänzer, die nicht tanzen können, es wird sich also keiner daran stören, wenn du ein paar Krüge umstößt.« Sie schubste den nun kichernden Jungen unsanft zur Seite und verschwand mit den Stoffbahnen hinter dem Raumteiler. Trotz ihrer Fremdartigkeit hatte sie das Gewand bald angelegt - auch wenn sie sich ziemlich sicher war, irgendetwas falsch gewickelt zu haben. Die Kleidung war schlicht gehalten, weiß mit farbigen Säumen und bunten Stickereien, die sich wie ein Gemälde über die luftige Kleidung zogen. Zumindest waren sie bequem und tatsächlich erinnerten sie Ellie an die Gewänder der Mädchen von vorhin.»Und?«»Perfekt!« Der begeisterte Blick war ihr eher unangenehm, doch Layan schien das nicht zu bemerken. Die düstere Aura von zuvor war gänzlich verschwunden, zurück blieb nur neuer Elan mit dem er die Rothaarige schwungvoll zur Tür hinaus zog. »Es gibt einen Ort, den du unbedingt sehen solltest!« Ellie musste ihm dringend abgewöhnen, sie ständig durch die Gegend zu schleifen. Aber vielleicht war das ihre Gelegenheit auf ein paar mehr Antworten. Die Frage, wer dieser Wandler war, brannte immer noch auf ihrer Zunge - und sie verstand nicht, was das alles mit ihr zu tun hatte. Wieso war sie hier, wenn es seit zwei Dekaden keine Menschen mehr in dieser Traumwelt gab? Jetzt wo sie dem Tänzer schon versprochen hatte, sich herumführen zu lassen, konnte sie auch gleich herausfinden was sie hierher gebracht hatte - und was er ihr verschwieg. Bei dem Gedanken musste sie schmunzeln und betrachtete Lancars mit neuen Augen.Die Siedlung schien recht spärlich bewohnt, trotzdem kreuzten immer wieder andere Traumtänzer ihren Weg. Sie gingen ihren Aktivitäten mit wiegenden Schritten nach, grüßten Layan mit kurzen Gesten und musterten Ellie mit neugierigen Blicken. Von so nahem erinnerten die Häuser noch mehr an ein zu groß geratenes Bettenlager - heimelig und behaglich. Allerlei Pflanzen und buntes Tongeschirr säumten den Weg und immer wieder sausten bunte Feen nur knapp über ihre Köpfe hinweg. Eine Tänzerin schien mit einer der Feen zu streiten, während ein anderer neben ihr Brotlaibe in einem der Tongeschirre stapelte und den beiden Vorbeigehenden dabei ein freundliches Nicken zukommen ließ. Wie in einem normalen Dorf … nur magischer.»Wohin gehen wir?« Wider besseren Wissens war ihr Plan den Tänzer auszufragen in die Ferne gerutscht und sie spürte einen Funken Aufregung, als Layan auf ein steinernes Gebäude am Rand der Siedlung deutete.»Siehst du den Tempel? Er enthält die wichtigsten Artefakte unserer Welt.« Verunsicherung trat in Ellies Blick, doch der Blonde bemerkte es kaum und schritt weiter zielstrebig auf das alte Gebäude zu. Alles in Lancars hatte eine ganz magische, geradezu erhabene, Ausstrahlung, doch die konnte sie ertragen. Der Tempel hingegen … er hatte eine besondere Aura. Was es auch war, es ließ Ellie Respekt verspüren, ihren Atem langsamer werden und Feuer ihre Adern füllen. Sie interpretierte das Gefühl als ein Verlangen, diesem Ort so fernzubleiben wie nur möglich.»Diese Statue … was stellt sie dar?« Sie hoffte, der Tänzer würde inne halten und tatsächlich - er kam dermaßen abrupt zu stehen, dass sie beinahe ins Schleudern kamen und warf Ellie ein Lächeln zu, das ihr die Röte ins Gesicht schießen ließ.»Ich wusste doch, dass du Lancars sehen willst!« Er war ganz klar eine Frohnatur. Sofort zog er sie etwas näher zu der Statue die den Vorplatz des Tempels schmückte und sie musste den Kopf in den Nacken legen, um seinem Blick zu folgen. »Das hier ist die Göttin - Lisanna, die Rast.« Das Abbild der Frau schien tatsächlich alles andere als menschlich. Auf den ersten Blick war sie nur unglaublich schön, doch sobald Ellie versuchte, ihr Gesicht zu mustern, die feinen Konturen ihrer Lippen und das schimmernde Glänzen ihrer Augen zu erfassen, entzog sie sich wie magisch ihrem Blick und das Bild vor ihr verschwamm. Auch der Stein schien seine Beschaffenheit zu ändern, der Stoff der sich über ihre Brust spannte schien weich wie Seide, der goldene Gürtel reflektierte die Sonne wie tausend Kristalle und der alabasterfarbene Marmor ihrer Haut strahlte von innen - er verströmte Wärme, Licht und wohltuende Energie, die das Feuer aus dem Tempel hinter der Statue verbarg und die Schwere von Ellies Brust nahm. Leuchtete eigentlich alles in dieser Welt?»Ihr glaubt an Gott?« Für eine Welt aus Träumen hatte das etwas abstrakt menschliches an sich.»Die Götter - drei genau genommen. Aber sie haben diese Welt schon lange verlassen. Sie sind die Schöpfer von allem was du hier siehst, und auch von eurer - der menschlichen Welt.«»Wenn sie so göttlich sind, warum haben sie euch verlassen?« Das galt auch in menschlichen Kreisen als Streitfrage, umso absurder schien die Selbstverständlichkeit mit der Layan ihr das alles erzählte.»Weil sie ebenso menschlich wie göttlich waren.« Der Tänzer legte seine Hand an den weißen Stein, kurz wirkte er weit entfernt. »Mavis - der Träumer. Er war der Gott, der unsere Welt geschaffen hat - der Schöpfer der Traumtänzer. Doch er verlor sein Herz an Lisanna - «»Und?« Der Tänzer räusperte sich, nahm eilig seine Hand zurück und trat einen Schritt beiseite.»Er stand nicht allein. Lisanna liebte ihn, doch nicht so wie er es wünschte … vielmehr liebte sie Mavis Bruder: Maleechi, den Gram. Er war derjenige, der einst eure Welt erschuf.« Sie schluckte bei dem Gedanken. Wieso lebte sie genau in der Welt, die von jemandem erschaffen wurde, den man den Gram nannte. »Man sagt, Mavis hätte seinen Bruder aus Eifersucht getötet, ihn in die Welt der Toten verbannt … und sei daraufhin hart bestraft worden. Der Göttin hatte es das Herz gebrochen. Sie bestrafte sich selbst, entsagte ihrer körperlichen Form und wurde zu einem Netz aus göttlicher Macht. Man sagt, sie trenne die beiden Brüder bis zum heutigen Tag.« Ellie wollte fragen, wieso eine Statue von der Göttin erbaut wurde und nicht von Mavis selbst, wo er doch Patron der Träume war, aber Layan wirkte so zerbrechlich in diesem Moment … sie wagte es nicht, auch nur ein Wort zu sagen. Stattdessen brach der Tänzer selbst nach einigen Momenten die Stille.»Egal, es ist nur eine Geschichte, die man den kleinen Taumlern nachts zum Einschlafen erzählt. Los, lass uns in den Tempel gehen.« Bevor Ellie reagieren konnte, hatte er ihre Hand gepackt und schleifte sie mit sich in Richtung des Gebäudes. Sie hatte nicht einmal Zeit ihr pochendes Herz zu beruhigen, oder sich zu wundern, was ein Taumler sein sollte.Der Eingang zum Tempel war recht schmal und Ellie war drauf und dran, der Achterbahn in ihrem Magen nachzugeben und umzudrehen, als Layan sie schon ins Innere geschoben hatte. Vor ihr erstreckte sich ein erstaunlich geräumiger Raum. Das rege Leben der Straße hinter ihnen wurde von den dicken Steinwänden fast vollkommen verschluckt, sodass sie in Stille traten. Der Raum war weitgehend leer, an den Wänden hingen nur ein paar verlorene Gemälde - erst als tiefer vordrangen, bemerkte Ellie die niedrige Säule vor ihnen. Eine gläserne Karaffe thronte darauf, ein schlichtes Stück ohne jede Verzierungen, in der ein roter