Traumtänzer. M. A. Audren. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: M. A. Audren
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754907252
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weit mehr beunruhigte war, dass sie nicht mitbekommen hatte, wie sie aufwachte. Mit zusammengekniffenen Augen sah sie sich in der kleinen Gasse um, die so plötzlich vor ihr lag. Sie wusste weder, wo sie war, noch wie sie dorthin kam … Das letzte woran sie sich erinnerte, war das weiche Sofa unter ihrem Allerwertesten: Es gab folglich nur eine logische Erklärung. »Träume ich?« Antwort kam keine, aber die Angelegenheit war ziemlich eindeutig, besonders als sie sich genauer umsah. Von ihrem Sofa fehlte jede Spur und auch den Traumfänger hielt sie nicht mehr in ihren Händen, stattdessen fand sie sich inmitten einer fremden Straße wieder. Die Pflastersteine unter ihren Füßen waren dunkel und unförmig, bildeten gemeinsam einen beengten, dicht gewundenen Pfad zwischen himmelhohen Gebäuden hindurch. Schmale, schnurgerade Häuser mit silbrigen Fassaden, die sich eng aneinander schmiegten und Ellie sowohl den Blick auf den Himmel als auch auf alles, was hinter der Gasse liegen mochte, verwehrten. Nur vereinzelt säumten Laternen den beengten Pfad, ihr Schein schien von den dunklen Steinen verschluckt zu werden und in dem schummrigen Zwielicht konnte Ellie kaum die Hand vor Augen erkennen. Zögerlich machte sie einen Schritt nach vor, setzte ihren Fuß so sanft auf den Pfad vor sich, als fürchtete sie, er könnte jeden Augenblick verschwinden.»Hallo? Jemand zu Hause?« Ihre Stimme klang dünn und verloren durch die verlassene Straße und wieder blieb eine Antwort aus. War das hier ein Traum? Sie bewegte sich weiter und mit jedem Schritt wuchs ihr Unbehagen. Sie konnte kaum Details ausmachen und die Fenster der Gebäude um sie waren ausnahmslos schwarz und verwaist. Ein eisiger Windzug strich über ihre Haut und sie schlang die Arme um sich als eine Böe ihr die Haare in den Nacken schlug. Ein unbändiges Gefühl der Unruhe schien mit dem Wind zu reiten und Besitz von ihr zu ergreifen. Tausend Nadeln, die sich in ihren Magen bohrten und sie dazu brachte, ihren Blick hektisch durch die Gasse gleiten zu lassen. Kurz streifte sie ein Gedanke. War das ein Albtraum? Damit wäre zumindest die Wirksamkeit des Traumfängers endgültig widerlegt. Es blieb immer noch die Möglichkeit, sich einfach hinzusetzen und zu hoffen, dass sie bald aufwachte … doch die Unruhe trieb sie voran und ehe Ellie wusste, wie ihr geschah, war sie am Ende der Gasse angekommen. Vor ihr öffnete sich eine Querstraße, ein breiter Weg, gesäumt von denselben silbrigen Gebäuden wie zuvor. Doch hier waren die Häuser breiter, klebten nicht Fassade an Fassade sondern ließen gerade genug Platz um fahles Sonnenlicht auf das dunkle Pflaster zu Ellies Füßen fallen zu lassen. Mit jedem Schritt schien es etwas heller zu werden, auch wenn sie keine Sonne sehen konnte, und die Laternen kaum noch Licht von sich gaben. Langsam wurden die Konturen der Stadt klarer, Details sichtbar und in der Ferne, weit über den Dächern der Bauwerke konnte sie eine Turm ausmachen. Er schien alles um ihn weit zu überragen und ganz ohne es zu bemerken, lenkte Ellie ihre Schritte in seine Richtung. Langsam verging die unangenehme Kälte auf ihrer Haut und sie erwischte sich dabei, wie sie die Häuser um sich mit wachsendem Interesse musterte.»Wohnt hier jemand?« Erst jetzt bemerkte sie, wie still es war. Ihre Stimme schallte verzerrt von den Fassaden zurück, doch es gab keine Antwort - und auch sonst keinen Laut in der verlassenen Gasse. Dass es keine Menschen gab war eine Sache, insbesondere in einem Traum so sonderbar wie diesem - aber nicht einmal eine Maus? Allgemein schien jedes Leben aus dem Ort gewichen. Es waren keine Blumen an den Fenstern, keine Vögel in der Luft, die sich überall anders so früh morgens normalerweise die Seele aus dem Leibe zwitscherten. Sogar der Boden war restlos leer gefegt. Wo sonst Unkraut aus den Fugen kroch, war hier nur dunkler Staub und anstatt lose herum fliegenden Flyern und Papier-Müll am Gehsteig gab es nur vereinzelte Kiesel. Neugierig geworden trat Ellie an ein größeres Fenster heran und wurde herb enttäuscht als vor ihr nur gähnende Leere erschien. Einzig eine dicke Staubschicht fand sich in dem verlassenen Ladenfenster. Ein paar vereinzelte Möbel standen herum, erschreckend normal aussehende Stühle und eine umgestürzte Kommode, doch abgesehen davon keine Spur von Bewohnern.Mit gerümpfter Nase drehte sie sich wieder um, der schwere Knoten in ihrem Magen beinahe vergessen als sie sich mit wachsendem Eifer umsah. Gut, es war ein Traum, soviel war sicher. Sie war eingeschlafen und hatte nun den wohl langweiligsten Klartraum, den man sich vorstellen konnte. Aber wenn sie schon ihren wertvollen Schlaf hier vertrödeln musste, wollte sie wenigstens unterhalten werden! Ihr Schritt beschleunigte sich, auch wenn sie sich immer wieder dabei ertappte, wie sie nervös an ihren Haaren zupfte. Bald kreuzten Straßenschilder ihren Weg, doch sie waren genauso nutzlos wie scheinbar alles in dieser Gegend. Die Holzschilder waren mit ruhnenähnlichen Zeichen graviert und so fremdartig, dass sie kein Wort verstand und weiter aufs Geratewohl marschierte. Als sie dabei immerzu dem Echo ihrer eigenen Schritte horchte, kehrte das übermächtige Gefühl der Unruhe zurück. Die Stille war zermürbend genug, doch die Gleichartigkeit um sie herum gab ihr den Rest. Das einzig hervorstechende war ein halb geöffneter Gullydeckel, dem sie ausweichen musste, doch ansonsten glich jeder Zentimeter dieser ‚Stadt‘ dem anderen. Ellie überlegte bereits halbherzig, einfach vor sich hin zu singen, um die Stille zumindest mit irgendeiner Art von Kurzweil zu füllen, als endlich ein Geräusch an ihr Ohr drang. Ein leises Zischen in der Distanz, kaum vernehmbar, doch gerade laut genug, um sie mitten in der Bewegung zu stoppen. Wurde sie wahnsinnig? Brachte die ewige Stille bereits zum halluzinieren? Nein, es war da - viel zu leise und scheinbar meilenweit entfernt, doch unverkennbar da. Vorsichtig tapste sie dem Geräusch entgegen, tunlichst bedacht, die Quelle des Zischens nicht zu verjagen als sie die Hauptstraße verließ. Die Gasse sah genau aus wie die letzte, wieder fand sie sich in wachsender Dunkelheit, doch merkte es kaum, viel zu gefesselt von dem monotonem Zischen, das mit jeder Sekunde lauter wurde. Eine weitere Seitengasse dann noch eine. Dann endlich wurde der Laut klarer und als sie um die letzte Ecke bog, konnte sie es sehen: eine dunkle Silhouette, die vor ihr inmitten der Straße kauerte. Der Ursprung des Zischen. Ein vertrauter Geruch stieg ihr in die Nase, eine Mischung aus Vanille und Salz, die ihr den Atem verschlug. Fasziniert trat Ellie näher, streckte die Hand vor, um nach dem Ding zu greifen. »Hallo?« Sie spürte die Erschütterung in dem Wesen, sah das ruckartige Zucken, als es sich um wandte. Ein kleiner, unförmiger Körper, krallen-besetzte, schwerfällige Klauen, ledrige, schwarze Haut die sich über spitze Knochen spannte und Augen wie rot glühende Kohlen, die sie unverwandt anstarrten. Ellie warf sich die Hände vor den Mund um ihr erschrockenes Keuchen zu dämpfen, doch das Wesen hatte sie schon bemerkt - und stürzte auf sie zu. Ellie fuhr herum, stolperte beinahe über ihre eigenen Beine, als sie versuchte aus der Gasse zu hechten. Das war kein Traum. Es war ein Albtraum. Mit Mühe schaffte sie es um die Ecke, doch der Schatten folgte ihr. Über die engen Seitenwege zurück zu dem breiten Hauptweg von dem sie gekommen war, vorbei an den leeren Fenstern und flackernden Laternen während die unmenschlichen Laute dieses Dings von den silbernen Fassaden widerhallten. Bald spürte sie das Brennen ihrer Muskeln mit jedem Schritt, eisige Nadelstiche, die ihr bei jedem Atemzug die Lungen durchbohrten. Ihre Kehle schnürte sich zusammen, als das Monster hinter ihr trotz allem nicht langsamer wurde. Stetig rannte es weiter, kam immer näher und näher, bis es schließlich einen grausigen Schrei ausstieß. Doch es war nicht der triumphale Ruf eines Jägers, der seine Beute vor sich hatte: Es war ein Schrei nach Unterstützung - und die kam. Aberdutzende, koboldartige Wesen quollen plötzlich aus den Gassen, strömten auf die Hauptstraße und streckten ihre gigantischen Krallen nach Ellies Beinen aus. Immer wieder wich sie in Nebenstraßen aus, hetzte über das hallende Pflaster und rang nach dem bisschen Atem, das ihr noch geblieben war, während der Schweiß in dicken Perlen über ihren Nacken lief. Die Verfolger aber wollten nicht ablassen - und im Gegensatz zu ihr wurden sie nicht müde. Innerlich fluchte sie, wie war es möglich dass sie nicht erschöpften? Wieso wurde sie müder, wenn das alles nur ein Traum war? Wieso konnte sie sich nicht einfach aus diesem Albtraum aufwachen lassen? Ihre Verfolger wuchsen stetig in der Zahl und bald war vor ihr nur noch eine Gasse in der es nicht von den Bestien wimmelte. Sie musste einfach nur aufwachen und alles wäre vorbei - wieso also wachte sie nicht auf!? War es das, was einen Albtraum ausmachte?Mit letzter Kraft sprintete sie durch den schmalen Durchgang in die letzte freie Gasse- und verlor allen Mut, als sie eine Bewegung wahr nahm. Ellie beschleunigte. Sie hatte die Wahl zwischen einem Albtraum vor ihr und Dutzenden hinter ihr und sie würde nicht einfach aufgeben. Was ihr den Weg versperrte war aber kein Monster - es war ein Junge. Vielleicht einen halben Kopf größer als sie, blondes Haar … das war auch schon alles, was sie in ihrer Hetzjagd erkennen konnte.»HIER LANG!« Seinen Ruf hörte sie schon von weitem, aber erst, als sie direkt vor ihm war, erkannte Ellie die schmale Straße, in die er deutete - gut verdeckt von den obskuren Gebäuden der sich lichtenden Stadt. Der Fremde hielt ihr die Hand hin und Ellie packte sie, ohne auch nur langsamer zu werden. »RED’ NICHT NUR GROß, LAUF!« Bevor er reagieren konnte,