Traumtänzer. M. A. Audren. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: M. A. Audren
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754907252
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den Rücken jagte. Das brennende Funkeln des Steins fesselte ihren Blick und erst als Layan sie weiter schob, konnte sie sich wieder von dem Kleinod lösen. Sie waren keinesfalls alleine in dem Tempel. Neben dem Kristall stand ein gebeugter Mann. Er trug die gleiche Kleidung wie Layan und obwohl seine dunkle Haut von tiefen Falten und verschlungenen Tätowierungen überzogen war, strozte er geradezu vor Energie. Er wirkte keineswegs verärgert als er die Eindringlinge bemerkte - vielmehr blitzte Neugierde in seinen grauen Augen auf.»Wer ist deine bezaubernde Freundin, Junge?« Er verbeugte sich in fremdartiger Weise und Layans Lächeln wurde noch strahlender als sonst.»Das ist Elliyara, eine Freundin von weit her. Ellie, das ist mein Großvater, Palyk.« Hastig tat Ellie es dem alten Mann nach und begrüßte ihn mit einer sachten Verbeugung. Jede Bewegung dieses Volkes schien Stück eines Tanzes zu sein, ein Wiegen im Takt einer uralten Melodie und sie kam nicht umhin, sich zu fürchten, jemandem beim kosmischen Walzer auf die Zehen zu treten. Der Mann mit den ergrauten Haaren - Palyk - lächelte jedoch nur sanft und gab keinerlei Zeichen von Verärgerung von sich.»Du wolltest ihr den Seelenstein zeigen, nicht wahr?« Er nickte und der Mann winkte sie kurzerhand näher zu sich.»Sie wollte ihn unbedingt persönlich sehen.« Nur mit Mühe konnte Ellie sich einen Seitenhieb verkneifen.»Natürlich. Du scheinst kaum älter als Layan … auf dich müssen die alten Geschichten wie Märchen wirken.« Vorsichtig nickte sie, gelogen war es nicht. »Traurig. Wie unsere Vergangenheit verkommt oder gar in Vergessenheit gerät, nur weil die Zeit an ihr nagt. Früher gab es viele Wanderer musst du wissen - heute sind es Sagengestalten.« »Großvater kannte die letzte Wanderin persönlich,« flüsterte Layan ihr schnell ins Ohr, bevor Palyk mit einem Schmunzeln fort fuhr. Nicht, dass sie irgendeine Ahnung gehabt hätte, was eine Wanderin war. Alben, Wandler, Wanderin … nicht nur phonetisch, sondern auch inhaltlich verwirrend, wie sie fand.»Kennen ist etwas übertrieben. Aber ja, ich habe sie getroffen. Die Wanderin und ihren Begleiter, als sie vor vielen Jahren hier landeten. In der Nacht als Lacrimosa in den Himmel stieg und sie einen Teil Ihrer Seele zurück ließ.« Er warf einen bedeutungsvollen Blick auf den Stein und Ellies Neugierde war einmal mehr zügellos.»Wieso schwebt die Stadt? Und wenn dieser Stein Teil einer Seele ist … wieso ließ sie ihn zurück?« Palyk runzelte die Stirn und hastig schaltete Layan sich ein.»Sie ist eine Quin.« Der Alte nickte verständnisvoll, Ellie hingegen blickte verunsichert zu Boden.»Sorge dich nicht, Kind, es ist keine Schande.« Oh, was auch immer es war, sie würde sich später noch ausreichend bei Layan bedanken. Tatsächlich war der Tänzer ein paar Schritte von ihr gewichen, er spürte den anbahnenden Wutanfall wohl schon. »Lacrimosa - ‘die Tränenreiche’ … ich habe erlebt, wie die Stadt fiel. Ein dunkler Tag, der uns in die Schatten stürzte, in denen wir uns noch heute verstecken. Der Wandler - er ist der Albtraum, der uns alle in unseren eigenen Träumen gefangen hält. Seit er Lacrimosa in den Himmel hob, war unsere Welt nie mehr dieselbe.« Seine Erzählung war vage, schien viel Wissen vorauszusetzen, das Ellie nicht ihr Eigen nennen konnte und doch lauschte sie seinen Worte gebannt. »Viele mutmaßen, was geschah, doch keiner weiß eine wahre Antwort. Wir wissen nur, dass die letzte Wanderin und ihr Begleiter eines Abends vor Lancars strandeten - dort, wo uns heute die Kluft vom Rest der Welt trennt. Er trug die bewusstlose Frau auf seinen Schultern und in Händen hielt er, was ihr hier vor euch seht - den Kristall der Wanderin - ihren Seelenstein. Kein Objekt in dieser Welt ist so machtvoll wie dieser kleine Stein. Er ist die Verbindung der Wanderer zu den Wirbeln. Diese unscheinbaren Himmelslichter, die unsere Welt von der Menschenwelt trennen, können dem, der ihre Energie nutzen kann, uneingeschränkte Macht schenken. Kein Wunder, dass der Wandler hinter ihm her ist. Damals - er muss dunkle Magie angewandt haben. Wissen, über das kein Tänzer je verfügen dürfte, geschweige denn es nutzen … und er war kurz davor der Wanderin ihren Stein zu entreißen.Es gibt auch …Vermutungen. Gerüchte, dass er eine dunkle Kopie des Steins genutz hat, um sie zu bekämpfen. Die Wanderin und ihr Gefährte gaben uns den echten Kristall, ließen uns schwören, darauf Acht zu geben und ihn zu beschützen, denn sie würde es nicht mehr können. Wir wohnten dem Tod der letzten Wanderin bei und Lacrimosa erhob sich kaum einen Lidschlag später. Eine Erschütterung so stark, dass sie Berge entzweite und tiefe Kluften durch das Land zog.Bis heute schwebt die Stadt weit im Himmel, wirft ihren dunklen Schatten auf jene, die unter ihr stehen und trägt den Groll ihres dunklen Herrschers auf ihren Schultern über das Land. Der Wandler und die Wanderin … traurig wie ähnlich die beiden Titel einander doch klingen, wo ihre Träger doch das Ende des jeweils anderen bedeuten.«»Wenn der Stein so machtvoll ist … könntet ihr ihn doch im Kampf gegen die Alben nutzen? Oder um die Stadt wieder an ihren Platz zu bringen?«»Wenn wir das nur könnten.« Layans Seufzen klang so qualvoll, dass Ellie ein Ziehen in ihrer eigenen Brust spürte.»Nur ein Wanderer vermag sich der Macht im Kristall zu bedienen.« Auch Palyks Worte waren von Kummer getränkt. »Die letzte Wanderin ist tot und ohne Nachkommen von uns gegangen. Das einzige, was wir tun können, ist den Stein vor dem Wandler zu schützen. Bekommt er ihn, war alles vergebens. Nach ihren Spuren zu suchen bleibt uns als Tänzer verwehrt, die Welt der Menschen steht uns nicht zu.« Für einen Moment wirkte der Alte nachdenklich. »Wenn - «Dann hörten sie die Rufe. Palyk hielt inne, tauschte einen alarmierten Blick mit Layan und einen Herzschlag später packte der Tänzer Ellie an der Hand und zog sie mit sich aus dem Tempel.»Was - «»Streuner. Sie greifen das Dorf an. Wir dürfen nicht im Tempel bleiben, sie würden her gelockt.« Der Tänzer blickte sich hektisch um, während er sie immer tiefer in das Dorf führte, ohne dass Ellie eine Idee hatte, was vor sich ging. Der Ort war wie ausgestorben, nur flüchtige Schatten und aufgebrachte Feen konnte sie erahnen. Keine Spur von dem geschäftigen Treiben, das nur so kurz davor die Straßen erfüllt hatte.»Streuner, meinst du - « Ellies Stimme kippte kurz, dann sah sie ihre Befürchtungen wahr werden. Eine Kreatur mit ledriger Haut kroch aus einer Seitenstraße hervor - und heftete sich sofort an ihre Fersen.»Keine Angst, die Feen kümmern sich darum.« Sie war nicht überzeugt: So schnell ihre Beine sie trugen, stürzten sie zwischen den Häusern hindurch - der Schatten aber würde mühelos Schritt halten. »Wie viele sind es?« Sie blickte panisch hinter sich, als einer der Alben vor ihnen aus der Gasse brach und ihnen den Weg blockierte. »Versteck dich hinter der Palme!« Mit wilden Gesten scheuchte Layan sie hinter eine mannshohe Pflanze am Gassenrand, doch Ellie hatte den Hals voll.»DAS IST EINE AGAVE DU UNKULTIVIERTES STRICHMÄNNCHEN!«»Ich weiß nicht, ob wir gerade Zeit für - « Mit neu entfachter Wut packte Ellie eine der zahlreichen Tonvasen von der Straße und traf den Alb mitten ins Gesicht. Ein verzerrter Schrei durchbrach die Luft, als der Albtraum zu Boden ging und Layan tat unwillkürlich einen Schritt von der Rothaarigen zurück.»Ich bin nicht klein und hilflos und ich werde mich NICHT verstecken!« Für einen Augenblick starrte er zwischen dem Mädchen und dem betäubten Alb, der binnen Sekunden von Feen umzingelt war, hin und her.»Niemand hat jemals behauptet, dass du klein wärst! Du kannst nicht-«»Wie war das? Ich dachte, wir wären hier sicher!« Sie bemerkte kaum, wie der Albtraum in bunte Lichter getaucht wurde und sich nach wenigen Sekunden wortwörtlich in Luft auflöste. Sie hörte auch nicht die Triumph-Schreie hinter ihnen, als auch die letzten der wenigen Alben fielen.»Das sind keine Schatten des Wandlers, nur Streuner-«»Streuner!? So nennt ihr das hier also!« Ellies Hautfarbe begann langsam sich ihren Haaren anzupassen und es war unschwer zu erkennen, dass Layan am liebsten die Flucht ergriffen hätte. »Ich nenne das verrückte Mörder-Monster! Zuerst sagst du, sie würden ihre Stadt nicht verlassen und jetzt das!«»Ellie, einen Augenblick, bitte.«»Weißt du, wohin du dir deinen Augenblick schieben kannst!?« Es war unfair, ihm die Schuld an allem zu geben, aber sie konnte sich nicht helfen. Der fremde Ort, die Ungeheuer, die ganzen Erzählungen von Monstern und fliegenden Städten und Göttern - das alles wurde ihr langsam zu viel. Und am schlimmsten war der Traumtänzer selbst. Er starrte sie an, als täte es ihm furchtbar Leid. Als wäre alles keine Absicht gewesen und als würde er nichts lieber tun, als alle Katastrophen der letzten Nacht rückgängig zu machen - und eben darum konnte sie keinen Moment wirklich wütend auf ihn sein. Stattdessen begnügte Ellie sich damit, gegen ein paar Tonscherben zu treten und sich mit einem wütenden Schnauben auf einen nahen Felsen fallen zu lassen.»Ellie?«»Was?« Sie versuchte möglichst abschreckend zu klingen, doch der Traumtänzer ließ sich davon nicht beeindrucken. Er ging vor ihr in die Hocke und sie vermochte den Blick kaum abzuwenden von den Universen, die in seinen Augen tanzten.»Was passiert ist tut mir Leid. Ja, ich habe versprochen, dass du hier sicher bist und dir ist nichts geschehen.« Sie wollte widersprechen … doch er hatte Recht, außer der zerbrochenen Vase war nichts passiert. Auch die anderen Tänzer hatten kaum die Ruhe verloren.