Mit einem Zwinkern zeigte der Botschafter auf den Ausgang. Gemeinsam gingen Sie ins Erdgeschoss und auf die Straße. Sie stiegen in ein Fahrzeug, das bereits mit laufendem Motor wartete. Als der Wagen fuhr, wandte sich Wallace an Madsen.
»Verzeihen Sie diesen theatralischen Auftritt. In der Botschaft werden wir komplett abgehört. Das gegenüber liegende Gebäude ist zur Hälfte von der Staatssicherheit angemietet, und die sitzen dort den ganzen Tag und lauschen mit Richtmikrofonen. Einzig hier im Fahrzeug können wir frei sprechen. Der Wagen wird dreimal täglich nach Wanzen untersucht.«
Madsen nickte anerkennend.
»Ich bin erfreut, mit Profis arbeiten zu dürfen. Zu meinem Plan. Ich habe vor, einen neuen Agenten anzuwerben. Dieser soll möglichst aus Ost-Berlin kommen. Ich werde wegen der Kommunikation einen toten Briefkasten in West-Berlin und in Nürnberg installieren, wohin dieser Agent seine Informationen senden soll. Die ganze Aktion ist von Washington abgesegnet. Ich werde bei Ihnen in der Botschaft nur ab und an erscheinen. Ich brauche allerdings, um den Schein zu wahren, alle offiziellen Termine, an denen ich versuche teilzunehmen. Da hoffe ich auf Ihre Unterstützung.«
Seymour lächelte Madsen an.
»Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass ich lange genug dabei bin, um zu wissen, worum es geht. Meine Unterstützung haben Sie, aber Sie werden nicht so viele Termine haben. Das gesellschaftliche Leben hier hält sich in Grenzen. Oh, sehen Sie nur. Kennen Sie schon die so hoch gelobten Plattenbauten von Erich Honecker?«
Seymour zeigte aus dem Fenster.
»Wir sind hier in Hohenschönhausen. Ich glaube, ich habe in meinem Leben noch nie so etwas Hässliches gesehen«, brummte Seymour.
»Willkommen in der DDR.«
Kapitel 8
Die Sonne schien bereits den ganzen Tag. Das Thermometer zeigte 29°C Grad an. Es wehte ein leichter Wind, der von den am Nordrand des Plattensees wachsenden Mandelbäumen abgeschwächt wurde.
Heine beobachtete das gestern eingetroffene Paar schon den ganzen Vormittag. Gegen Mittag stand fest, dass er es versuchen wollte. Beide waren offenbar kinderlos, zudem scheinen sie ohne Freunde angereist zu sein.
»Schatz, wollen wir eine Runde schwimmen gehen?«, hörte er den Mann die Frau fragen.
Die Frau war schlank, mit einem wohlgeformten Po und kleinen festen Brüsten. Ihr langes rötliches Haar trug sie zu einem Zopf geflochten. Heine schätzte sie auf Ende Zwanzig. Sie war gut einen Kopf kleiner als ihr etwas älterer Mann.
»Gerne«, sagte sie lächelnd und stand von ihrer Liege auf.
Zusammen gingen sie zum See hinunter und tasteten sich langsam ins Wasser. Die Frau war schneller in dem kühlen Nass und fing an, den zögerlichen Mann zu bespritzen.
Heine folgte Ihnen ins Wasser. Vielleicht ergab sich eine Möglichkeit der Kontaktaufnahme.
»Na warte, das gibt Rache.«
Der Mann sprang seiner Frau entgegen und die beiden tollten gedankenlos herum wie zwei Frischverliebte. Die anderen Urlauber, die ebenfalls im Wasser waren, entfernten sich sicherheitshalber von den beiden. Heine paddelte genau neben dem ausgelassen Paar vor sich hin. Er spürte plötzlich ihre Fingernägel an seinem Arm. Die Gelegenheit!
»Hey, passen Sie doch auf. Sie haben mich gekratzt.«
»Entschuldigung«, entgegnete die Frau.
Die beiden hörten sofort auf mit ihren Spielchen und folgten Heine, der nun langsam zum Ufer ging.
»Ist es schlimm?«
»Halb so wild. Ich habe mich nur erschrocken. Nur ein kleiner unbedeutender Kratzer.«
Die Frau ließ nicht locker.
»Zeigen Sie mal her.«
Sie stand nun neben dem etwas rundlichen Mann.
»Hier«, zeigte er.
Da waren in der Tat zwei kleine, ganz leicht blutende Kratzer von den Fingernägeln. Die Frau nahm die Wunden in Augenschein und entschuldigte sich nochmals bei dem Mann, der nun lächelte. Der Ehemann kam hinzu und schaute neugierig auf Heines Arm.
»Alles halb so wild. Ich habe mich nur erschrocken. Sie können mich ja auf ein Gläschen Rotwein einladen. Dann heilt es schneller.«
Der Mann lachte nun. Das Paar musste auch lachen, allerdings mehr vor Erleichterung.
»Mein Name ist Siegfried, ich bin alleine hier im Urlaub. Gegen ein bisschen Gesellschaft hätte ich nichts einzuwenden. Ich hoffe, ich bin nicht zu aufdringlich.«
Der Mann übernahm nun das Gespräch.
»Wenn Sie Lust haben, können wir heute Abend gerne ein Gläschen zusammen trinken. Wir sind Dagmar und Bernd.«
Bernd reichte ihm die Hand, die der korpulente Mann annahm.
»Wo kommen Sie her? Ihr Dialekt kommt mir bekannt vor.«
»Ich bin Österreicher. Aus Wien. Und ihr beide?«
»Aus Berlin. Deutsche Demokratische Republik. Wir zelten hier. Gleich dort hinten.«
Bernd zeigte in die Richtung, wo ihr Zelt neben dem Trabant stand.
»Dann kommen sie heute Abend zu mir. Ich habe hier in der Nähe ein kleines Häuschen gemietet. Sie können gerne zum Essen kommen. Ich habe alles da, was man für ein leckeres Abendessen braucht. Nur Gesellschaft fehlt noch.«
Dagmar lächelte.
»Klar. Wir kommen gerne. Wann sollen wir da sein?«
»So gegen 19 Uhr?«
Der Wiener beschrieb den beiden den Weg zu seinem Ferienhaus.
»Sie können es gar nicht verfehlen. Dann also bis um Sieben. Ich freue mich.«
Heine nahm sein am Strand liegendes Handtuch und ging. Das ist wirklich ausgezeichnet gelaufen, dachte er.
Dagmar und Bernd sahen sich an.
»Scheint sehr nett zu sein«, sagte Bernd.
»Ein Freund aus dem Westen kann auch nicht schaden. Haben wir noch gar nicht gehabt.«
Beide gingen zurück ins Wasser, um noch ein wenig zu schwimmen.
Am Abend begab sich das Pärchen zu dem Ferienhaus. Bernd hatte noch einen Kanister Rotwein besorgt, den er mitnahm. Die Tür stand offen, der Österreicher erwartete sie bereits.
»Hallo. Schön, dass sie gekommen sind«, begrüßte sie der gemütliche Wiener.
»Kommen Sie rein.«
Sie betraten das Haus und sahen sich neugierig um. Die Wohnung bestand aus 2 Schlafzimmern im oberen Geschoss, einer kleinen Küche, einem Wohnraum mit TV sowie einem Bad.
Die Ausstattung war eher schlicht gehalten. Ein Stoffsofa in Beige, ein Schrank aus Birkenholz. Die Gardinen in den bunten Farben der frühen Siebziger. In der Küche sorgte ein Durchlauferhitzer für warmes Wasser. Der Fußboden war komplett mit einem grauen Teppich ausgelegt, der schon einige Gebrauchsspuren zeigte.
»Wir essen hinten auf der Terrasse. Ich habe bereits gedeckt. Das Essen ist auch schon im Ofen. Es dauert noch eine Viertelstunde, denke ich.«
Sie gingen durch die Wohnung zur Terrasse. Dort stand ein runder, weißer Tisch, der mit einer bunten Plastiktischdecke bedeckt war. Gedeckt war für drei Personen. Um den Tisch standen vier Plastikstühle, von denen drei mit einem Sitzkissen ausgestattet waren. Dagmar sah sich fasziniert um. Der Sichtschutz bestand aus einer zwei Meter hohen Hecke. Einige lieblos positionierte Blumentöpfe aus Kunststoff fielen ihr auf. Sie sah Bernd an und verdrehte die