Im Auftrag des Feindes. Günter Hein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günter Hein
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738051599
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      Bernd warf Dagmar einen bösen Blick zu. Wie immer war seine Frau sehr direkt. Der Österreicher nahm es anscheinend gelassen.

      »Wissen Sie, ich bin schon alleine. Meine Frau hat mich vor 5 Jahren wegen eines Gigolos verlassen. Da kann man nichts machen. Aber deswegen muss ich ja nicht unbedingt zelten. Das ist mir zu unbequem. Hier habe ich durch den Fernseher noch zusätzliche Unterhaltung, obwohl ich von dem Gefasel kein Wort verstehe. Meistens lese ich nebenbei. Ich habe mir ein paar Romane mitgebracht.«

      »Entschuldigen Sie bitte, wir wollten ihnen nicht zu nahe treten.«

      Bernd war die Sache sichtlich peinlich.

      »Schon gut. Ich mag diese Art. Direkt und unverblümt. Und lassen wir doch das Sie weg. Ich bin einfach der Siegfried.«

      Bernd nickte zustimmend.

      »Das ist gut. Und wir sind einfach Dagmar und Bernd.«

      »Und jetzt setzt Euch. Ich hole das Essen. Vielleicht könnt ihr ja schon mal etwas von dem köstlichen Tropfen einschenken.«

      Siegfried ging in das Haus. Dagmar nahm den Kanister mit dem Wein und fing an, die Gläser voll zu schenken.

      Nachdem sie gegessen und abgeräumt hatten, holte der Österreicher drei Schnapsgläser und eine Flasche Obstler.

      »So, zur Verdauung gibt es etwas ganz Edles. Den hier habe ich von Zuhause mitgebracht. Habt ihr schon einmal Obstler getrunken?«

      Die Hartmanns sahen sich an.

      »Nein, noch nie.«

      »Dann gebe ich euch einen Tipp. Erst ein wenig im Mund behalten und dann erst herunterschlucken. Dann schmeckt ihr die feine Note.«

      Die neuen Freunde hoben die Gläser und prosteten sich zu. Dann tranken sie. Der Österreicher nahm den Schnaps in einem Zug, während Dagmar und Bernd vorsichtig an dem Obstler nippten. Dagmar musste leicht husten. Bernd schnalzte mit der Zunge.

      »Also ehrlich, Siegfried. Klasse. Ganz große Klasse.«

      »Na dann, Bernd, hier ist noch einer.«

      Siegfried schenkte nach.

      »Auf einen schönen Urlaub.«

      Die neuen Freunde verbrachten seit ihrem Abendessen jeden Tag zusammen. Mittlerweile hatte Siegfried den beiden Berlinern das zweite Schlafzimmer angeboten. Die beiden hatten das Angebot mit Freude angenommen und ihr Zelt abgebaut. Nun lagen sie auf der Terrasse auf den Liegen und ließen es sich gut gehen. Bernd wandte sich lächelnd an seine Frau.

      »Das mit der Ferienwohnung ist eine gute Idee gewesen. Schatz, das sollten wir das nächste Mal auch so machen. Ich habe gestern Nacht so richtig gut geschlafen, das wäre bei dem Krach auf dem Campingplatz nicht möglich gewesen. Selbst du, die ja nun leidenschaftlich gern zeltet, hast es genossen. Gib es zu!«

      Dagmar seufzte nur ein zufriedenes Ja. Siegfried wandte sich an Bernd.

      »Weißt du, Bernd, die paar Mark mehr machen den Kohl ja auch nicht fett. Wir wollen uns doch erholen. Ich finde, der Urlaub ist die wichtigste Zeit des Jahres. Außerdem lege ich Wert auf ein richtiges Bett. Mein Kreuz schmerzt doch in letzter Zeit immer öfter. Tja, wir werden eben nicht jünger. Zudem will ich mit dir heute Abend in Ruhe reden, das wäre im Zelt auch ein Problem. Man hat in einer Wohnung mehr Privatsphäre.«

      »Du machst mich neugierig.«

      Bernd drehte sich zu seinem neuen Freund.

      »Hast du mir eine Überraschung mitgebracht?«

      »Warte ab, du wirst begeistert sein. Bei einem Gläschen leckeren Roten.«

      Bernd grinste.

      »Nachdem Dagmar uns etwas Feines zu Essen gezaubert hat. Glaub mir, die macht aus einem Geschirrtuch noch was Essbares. Und bis dahin noch ein kleines Nickerchen«, sagte er verträumt und schloss die Augen.

      Am Abend zogen sich die Freunde nach einem ausgiebigen Essen ins Wohnzimmer zurück, während Dagmar in der Küche aufräumte und Geschirr spülte. Heine schenkte dem Freund und sich ein Glas Rotwein ein.

      »Sag mal, Bernd, wie ist das so in der DDR?«

      »Wie soll das sein? Ich schätze mal, wie woanders auch.«

      Heine nahm das Glas Rotwein und starrte Gedankenverloren die Flüssigkeit an.

      »Erzähle mir ein wenig von deinem Leben. Was arbeitest du? Wie viel verdienst du? Ist das viel, was ihr zwei an Geld im Monat habt? Habt ihr eine Wohnung? Gibt es genug zu essen? Man hört bei uns so vieles. Sicherlich sind manche Sachen stark übertrieben. Aber das interessiert mich. Ich erzähle dir dann auch, wie es bei uns in Österreich ist.«

      »Also, eine Wohnung haben wir. Als wir geheiratet haben war, es einfach, eine kleine Wohnung zu finden. Wir haben ja vom Vater Staat einen Zuschuss bekommen, so dass wir uns einrichten konnten. Ich verdiene ca. 750 Mark, Dagmar so um die 500 Mark. Eigentlich genug zum Leben, die Waren bei uns sind aber ziemlich teuer. Wir haben als Beispiel einen kleinen Schwarz-Weiß-Fernseher. Ein Farbfernseher kostet so 5.000 Mark. Das können wir uns einfach nicht leisten. Ein Problem ist auch, die Waren überhaupt zu bekommen. Die meisten Dinge gibt es entweder beschränkt oder in extremen Mengen. Das ist ganz unterschiedlich. Es ist zum Beispiel immer so, wenn es etwas in einem Laden gibt, das sehr beliebt ist, dann darf man die Ware nur einmal nehmen. Diese Waren haben immer eine Markierung, woran man sie sofort erkennen kann. Da wir zu Zweit einkaufen, geht es allerdings. Wir teilen uns auf und dadurch bekommen wir die Sachen doppelt. Es wird nicht namentlich erfasst, wer wie viel kauft.«

      »Das ist bei uns anders. Es gibt alles im Überfluss. Wenn du in den Supermarkt gehst, dann kannst du alles kaufen, was du willst. Nur bei Weihnachtsbutter ist es beschränkt. Da darf jeder nur eine bestimmte Menge kaufen. Das kann man allerdings auch jeden Tag machen, so dass man mehr als genug bekommt. Es kontrolliert keiner wirklich. Wie sieht es mit Freunden und Verwandten aus?«

      Bernd verzog ein wenig den Mund.

      »Kontakte zu Freunden oder Verwandten gibt es eher weniger. Einige mögen Dagmar nicht, weil sie gerne redet, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Zu Weihnachten fahren wir immer zu Dagmars Eltern. Meine Eltern lebten zuletzt in Rostock. Sind beide bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Das war ein ziemlicher Schlag für mich. Mein Vater war im Ortsvorstand der SED und jammerte mir immer wieder die Ohren voll, wie schön er es fände, wenn ich mich auch ein wenig politisch engagieren würde. Ich habe allerdings nach meiner Zeit bei der FDJ keinerlei Interesse mehr auf staatliche Einrichtungen. Es interessiert mich einfach nicht. Ich will in Ruhe gelassen werden. Aber nach Vaters Tod meldete sich mein Gewissen. Ich habe mit mir gerungen, mich in der Partei zu engagieren. Sozusagen als Dankeschön an meine Eltern. Letztendlich habe ich es gelassen.«

      Siegfried hakte nach.

      »Und Dagmars Eltern. Wo leben die?«

      Bernd grinste.

      »Die sind eigentlich ganz in Ordnung. Sie wohnen in Brieselang, das ist nur eine halbe Stunde von uns entfernt. Dann und wann besuchen wir sie. Von ihnen haben wir den Wagen für den Urlaub bekommen. In Berlin fahren wir meist Straßenbahn. Wenn es schön ist, habe ich noch eine Schwalbe, mit der ich zur Arbeit fahre.«

      »Was arbeitet ihr? Ich bin Unternehmensberater. Selbstständig also.«

      »Ich bin Kfz-Mechaniker. Dagmar arbeitet als Schneiderin. Durch sie kommen wir billig an Kleidung.«

      Heine schaute auf sein Weinglas und drehte es am Fuß ein wenig. Nachdenklich blickte er auf.

      »Sag mal, Bernd, wenn ich dir eine Sache anbieten könnte, die dir ein wenig Geld mehr im Monat bringt, wärst du interessiert? Dann wäre auch irgendwann der Farbfernseher drin, soviel wird es dann schon sein.«

      Hartmann schaute seinem Gegenüber neugierig in die Augen.

      »Mehr Geld kann nie schaden. Es ist ja nicht so, dass wir keine Träume haben. Womit kann ich dir denn von der DDR aus helfen? Du