Im Auftrag des Feindes. Günter Hein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günter Hein
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738051599
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      Heine beobachtete seinen Freund. Anscheinend hatte er angebissen. Zumindest grübelte er nach.

      »Ich sehe, wie du deine Stirn runzelst. Es ist ganz simpel. Selbst von der DDR aus. Komm, ich erkläre es dir. Ich bin fest davon überzeugt, dass es dir gefallen wird«, sagte der gemütliche Österreicher.

      Nun kommt es drauf an, dachte Heine.

      »Also. Als Unternehmensberater arbeite ich auch für staatliche Unternehmen. Eines davon hat Interesse daran, zu wissen, was in der DDR und besonders in Ostberlin vor sich geht. Du würdest regelmäßig Briefe bekommen, in dem die Wünsche der Firma drin stehen. Du gehst dann los, schaust nach und schreibst die Sachen für die Leute auf. Das Ganze ist ungefährlich für dich, da du es verschlüsselt bekommst und auch verschlüsselt zurückschickst. Kein anderer außer dir und der Firma wissen, was geschrieben steht.«

      Hartmann schaute ein wenig misstrauisch. Er schien zu überlegen. Der Österreicher schaute ihn gespannt an. Das ist der entscheidende Moment, dachte er. Wenn er jetzt anbeißt, habe ich ihn.

      »Wie bei For Eyes Only – Streng geheim mit Armin Müller-Stahl? Den habe ich neulich im Fernsehen gesehen. Ist ein Agentenfilm. Das klingt bei dir jedenfalls auch so. Ist es so etwas?«

      »Naja, den Film kenne ich nicht. Aber ein wenig wie ein Agent wärst du schon. Und wie gesagt: Es lohnt sich für dich und ist völlig ungefährlich. Das Verschlüsseln ist kinderleicht. Das bringe ich dir schnell bei. Keiner wird etwas wissen oder ahnen können. Also, wenn ich du wäre….«

      Hartmann nahm einen Schluck Rotwein, sah auf sein Glas in der Hand und hielt es Heine hin. Heine schenkte grinsend nach.

      »Du hast doch Träume. Was ist denn dein größter Traum?«

      Hartmann musterte das Glas in seiner Hand und schaute den Rotwein durch das Licht an. Heine überlegte, was wohl in ihm vorging.

      »Freiheit.«

      Die Antwort überraschte Heine. Er sah Hartmann verblüfft an. Dieser merkte es aber nicht und erzählte verträumt weiter.

      »Freiheit ist ein ganz großer Traum für mich. Einfach ohne diese ganzen Zwänge leben. Reisen, wohin man möchte, ohne vorher irgendwo eine Erlaubnis einzuholen. Glaubst du, das wäre durch diesen Job eines Tages möglich?«

      Heine zuckte mit den Schultern.

      »Warum nicht? Vielleicht machst du deine Sache ja so gut, dass die Firma dich in ihren Reihen haben möchte. Man soll niemals nie sagen.«

      »Freiheit.«

      Hartmann sagte dieses Wort zu sich selbst. Er blickte auf und sah Heine in die Augen.

      »Ich wünschte, es würde wahr. Ich werde mich ins Zeug legen für diese Firma.«

      Heine lächelte.

      »Dann stoßen wir darauf an. Versuchen wir es. Und vertrau mir. Du wirst es nicht bereuen. Ganz bestimmt nicht.«

      Die nächsten zwei Abende verbrachten die Freunde damit, Hartmann die Grundkenntnisse eines Geheimagenten zu vermitteln. Wenn Dagmar sich müde zurückgezogen hatte, legten sie los. Hartmann lernte das Dechiffrieren und das Abfassen von Geheimbriefen. Nebenbei floss literweise der ungarische Rotwein.

      Kapitel 9

      Einen Abend hatte Siegfried die beiden Ost-Berliner zum Essen eingeladen. Die drei steuerten ein ungarisches Lokal an. Siegfried betonte, schon oft hier gewesen zu sein, und lobte das Essen als einmalig gut.

      Der Wirt empfing seine Gäste auch dem entsprechend. Nach der überschwänglichen Begrüßung brachte er wie selbstverständlich eine Flasche Weißwein. Siegfried nahm ihn gleich zur Seite, und flüsterte ihm einige Worte ins Ohr. Der Wirt nickte, und ging wieder.

      »Mal kurz zur Erklärung, ihr beiden. Eine Speisekarte wird Lajos nicht bringen. Ich habe die Bestellung schon aufgegeben. Ihr werdet staunen, was für wunderbare Sachen in dieser kleinen Küche gezaubert werden. Und nun lasst uns auf einen schönen Abend anstoßen.«

      Er hob sein Glas. Dagmar und Bernd stießen mit ihm an.

      »Ich bin schon ganz gespannt, was du uns hier servieren lässt. Außer Palatschinken kenne ich eigentlich gar nichts. Wir haben uns sonst immer selbst etwas gekocht am Zelt«, sagte Dagmar.

      »Die ungarische Küche ist äußerst würzig. Ich hoffe, ich enttäusche euch nicht, wenn es keinen Fisch gibt. Wir sind zwar hier am See, aber bei Fisch bin ich immer sehr vorsichtig. Aufgepasst, es geht los.«

      Der Wirt brachte einen großen Teller mit unterschiedlichen Wurstsorten darauf.

      »Lajos, erklärst du meinen Gästen bitte, was du uns hier Schönes gebracht hast.«

      Lajos nickte und erklärte in gebrochenen deutsch.

      »Wir hier haben véres hurka, das ist Blutwurst. Májas hurka, eine Leberwurst. Eine gute Debreziner. Kolbász, das ist Paprika, sehr pikant. Dazu Tarhonya und für guten Geschmack Erós Pista.«

      Siegfried rieb sich die Hände und sah zu Lajos auf.

      »Danke, mein Freund. So ihr beiden, dann lasst uns alles kosten.«

      Nachdem der Vorspeisenteller leer war, orderte Siegfried noch eine weitere Flasche Wein.

      »Das Zeug ist toll gewürzt, aber macht sehr durstig.«

      Bernd nickte zustimmend und leerte sein Glas mit einem Zug.

      »Können wir noch ein Wasser dazu bekommen, sonst bin ich bald betrunken«, merkte Dagmar an.

      »Natürlich, meine Liebe«, antwortete Siegfried und bestellte bei Lajos noch eine Karaffe Wasser.

      Als Hauptspeise gab es dann Pórkólt, eine Art Gulasch mit Túrógombóc, sogenannte Topfenbällchen mit Sauerrahm. Die Freunde genossen die ihnen unbekannten Gerichte.

      »Wirklich sehr lecker, Siegfried. Ich glaube, ich bekomme nichts mehr runter«, stöhnte Dagmar nach dem zweiten Gang.

      »Ich lass euch eine kleine Pause, aber um den Nachtisch kommt ihr nicht herum«, lachte Siegfried.

      Nach einer Weile servierte Lajos dann das Dessert.

      »Der Höhepunkt eines jeden Mahles bei Lajos«, freute sich Siegfried. »Esterházy-Torte. Bring uns dazu doch bitte einen Mokka.«

      Nach dem Essen ließ Siegfried noch einen Barack kommen, einen Aprikosenschnaps.

      »Der ist zur Verdauung nötig. Es gibt nach diesem Essen nichts Besseres. Prost.«

      Die beiden Ost-Berliner hatten das Gefühl, sich nicht mehr bewegen zu können. Als sie auf dem Fußweg ins Ferienhaus waren, ging Dagmar extra langsam, um tief durchzuatmen. Nachdem die Hartmanns sich überschwänglich bei ihrem Gastgeber bedankt hatten, zogen sie sich auf ihr Zimmer zurück.

      »Hast du das gesehen?«, wetterte Dagmar.

      »Was meinst du denn?«, fragte Bernd, in diesem Moment nicht wissend, was seine Frau zu Meckern hatte.

      »Na, dieses Bündel Geldscheine von Siegfried. Der hat dem Ungar einen dicken Batzen Geld für das Essen gegeben. Was meinst du denn, warum der so freundlich war und sich so bemüht hat, um diese ganzen Sachen zu servieren. Ich sage dir, wenn wir ins diesem Lokal alleine gesessen wären, der hätte uns doch mit dem Arsch nicht angeschaut. Das ist der Kapitalismus, das ist genau so gewesen, wie die Genossen es immer beschrieben haben. Jetzt verstehe ich erst, was damit gemeint ist. Ohne Geld bist du ein Niemand. Und dagegen kämpft unser System, unser Arbeiter- und Bauernstaat.«

      Bernd nahm Dagmar in den Arm.

      »Nun beruhigt dich mal. So ist das nun mal. Das änderst du auch nicht, wenn du dich jetzt so aufregst.«

      Dagmar gab Bernd einen Kuss und ging ins Badezimmer. Bernd setzte sich auf die Bettkante und las in dem Buch, was er sich mitgebracht hatte. Als Dagmar im Bad fertig