Intimsphäre. Inga Heliana. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Inga Heliana
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738088588
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beiden dann geholfen werden können. Meine Großmutter, die in Niederbayern lebte und oft zu Besuch kam, war eine sehr moderne, tolerante Frau. Sie hatte für sehr vieles Verständnis. Ich hatte jedoch nicht den Mut, mich ihr anzuvertrauen. Ich weiß nicht, ob sie es verstanden hätte. Es war nur gut, dass ich meine Tätigkeit im Büro nie aufgegeben habe, denn dann wäre ich unweigerlich in der Gosse gelandet. Ein Wunder nur, wie ich alles recht gut unter einen Hut brachte, denn ich hatte auch ein Privatleben. Wenn in dieser Zeit auch keinen festen Freund, lose Freundschaften allerdings, die nichts von meinem Nebenjob wussten.

      Ich lernte die verschiedensten Männer kennen und entwickelte mich mit der Zeit zu einer guten Psychologin. Zu irgendetwas musste doch dieses Leben nutze sein! Ich sagte mir, ich studiere die Männer und ihr ausschweifendes Sexualleben. Schon damals hatte ich den Wunsch, eines Tages ein Buch über mein Leben als Hure zu schreiben. Aber nicht um der Raffgier willen, sondern um den Menschen, auch den Ehefrauen, zu zeigen, wie sich das Leben eines Strichmädchens abspielt. Ihnen die bittere Realität vor Augen führen. Ich bin mir ganz sicher, eine jede von ihnen, die sich auf der Straße für Geld anbietet, hat eine Vergangenheit, die ihr diesen Weg geebnet hat. Jedes Straßenmädchen hat ihr Päckchen zu tragen – die eine ein schwereres, die andere ein nicht so schweres. Auch sie sind nur Menschen, die man auf keinen Fall verachten sollte. Im Gegenteil: Wenn es die Huren nicht gebe, würde keine Frau mehr vor Vergewaltigungen sicher sein. Außerdem sind Huren in der Regel die wunderbarsten Mütter – vielleicht bessere, als so manche Karrierefrau es je sein kann. Denn Huren haben ihr Herz auf dem rechten Fleck. Ich hatte im Laufe meiner abenteuerlichen Laufbahn genügend Zeit und Muße, auch diese Frauen kennenzulernen und zu studieren. Ich weiß also, wovon ich rede.

      Bei mir verkehrten die verschiedensten Berufssparten: Vom Rentner, Arbeiter, Angestellten, Studenten, Akademiker bis zum Generaldirektor war so ziemlich alles vertreten. Es kamen dicke Männer, es kamen dünne Männer und es kamen attraktive und gepflegte Männer mit und manche auch ohne Niveau. Aber ich ließ mich niemals mit schmuddeligen Kerlen ein. Wenn einer schon etwas muffig gerochen hat, wenn ich zu ihm ins Auto gestiegen bin, habe ich gleich wieder Leine gezogen. Ich sagte einfach: „Oh Entschuldigung, ich habe Sie gerade mit einem guten Freund verwechselt.“ Basta, Schluss! Desgleichen, wenn einer sich im Auto bei unserem kurzen Gespräch von einer sehr arroganten Seite gezeigt hat, bin ich stiften gegangen. Manchmal hatten die Männer auch ein loses Mundwerk, aber wenn man hinter ihre Masken blickte, waren sie in der Regel sehr menschlich und nett. Ich war stets liebenswürdig und versuchte mit Humor, der etwas zwielichtigen Situation das Peinsame zu nehmen. Wie sagte einst Wilhelm Busch in seiner Lebensweisheit: „Humor ist der Schwimmgürtel des Lebens.“ Mit Humor öffnet man Türen und Tore. Da ist viel Wahres dran.

      Zwei Drittel der Männer, die mir auf dem Straßenstrich begegneten, gingen entweder mit mir in ihre Wohnung (viele von ihnen lebten allein) oder in ein kleines Hotel, welches ich gleich am Anfang meiner Tätigkeit in der Nähe des Stiglmairplatzes aufgetan hatte. Das war angenehm, denn da konnte ich mich waschen und dafür sorgen, dass sich der Freier bei seiner Wäscherei auch gleich die Hände mitgewaschen hat. Denn so mancher fand ein Vergnügen daran, meinen Kitzler mit der Hand zu stimulieren. Da legte ich schon großen Wert auf saubere Pfoten. Im Auto krabbelte mir keiner am Mäuschen herum, da baute ich schon sehr geschickt vor. Sollte es einer dennoch probieren, schob ich seine Pranke einfach zwei Stockwerke höher. Da konnte er dann meinen Busen betätscheln. Aber im Hotel und im Bett war so mancher gerne am Wühlen. Da hatte ich schnell den Bogen raus, dass die Hände auch mitgewaschen wurden. So mancher hatte das allerdings gar nicht so gerne, weil er der Ansicht war, sie seien sauber. Wie denn, wenn er vorher schon am Lenkrad rumgegrabbelt hatte und was weiß ich wo noch alles?

      Das restliche Drittel der Klienten wählte die schnelle Bedienung. Da standen zur Auswahl: französisch (mit Mund und Zunge den mit Zipfelhäubchen bekleideten Pinsel schnell zum Abschuss zu bringen.) Dabei krabbelte und massierte ich die Hoden durch, währenddessen ich mit Zeigefinger und Daumen ein bisschen an der Wurzel des Zauberstängels drückte. Mit „französisch“ konnte ich mich auf dem Straßenstrich nie recht befreunden. Das artete jedes Mal in Arbeit aus und ich konnte nichts Lustiges dabei finden. Außerdem war es nicht so angenehm, auf so einem Gummiknochen herumzukauen, zumal ich auch den Kopf nicht frei hatte, war ich doch irgendwie dem Knaben ausgeliefert. Wenn der Kerl mir eins übergebraten hätte, wäre ich gar nicht mehr in der Lage gewesen, mich zur Wehr zu setzen. Die Lage konnte ich natürlich in diesem abwesenden Zustand auch nicht peilen: also nicht unbedingt das Ideale für mich!

      Manche Männer wollten sich auch nur per Handbetrieb einen runterfummeln lassen. Da sparte ich mir schon wieder den wertvollen Geschütze, denn oft geschah dies ohne. Ich hielt dann natürlich Tempo parat. Zu der damaligen Zeit konnte man noch nicht so einfach in das nächstbeste Geschäft marschieren und sich Pariser besorgen. Iris und ich mussten jedes Mal meinen Bruder Ralf bitten, uns diese Dinger zu kaufen. Einmal ging ich in eine Apotheke, weil mein Bruderherz gerade nicht parat stand. Na, die Verkäuferin, eine ältliche Dame, hat mich vielleicht mit ihren Blicken aufgespießt, bevor sie mir das wertvolle Gut hinknallte! Für die Zukunft musste mein Bruder immer gleich größere Mengen besorgen. So besonders angenehm war es ihm allerdings mit seinen 19 Jahren auch nicht. Er machte zwar optisch den Eindruck, als wäre er mit allen Wassern gewaschen und nichts könne ihn erschüttern. Aber dem war lange nicht so: Im Grunde genommen war Ralf ziemlich schüchtern. Mit den Huren hatte er allerdings kein Problem. Da konnte er sicher auftreten und hatte merkwürdigerweise sofort den richtigen Draht zu ihnen, ging es Ralf doch darum, mich und Iris vor Unannehmlichkeiten zu schützen. Natürlich zeigten wir beide uns bei meinem Bruder erkenntlich. Dabei half er uns gerne. Iris zeigte ihm alle Künste in der Liebe. Ralf war ein dankbarer und gelehriger Schüler und die beiden bildeten ein gutes Team. Iris war eine begeisterte Lehrerin. So war uns allen geholfen. Mit Iris zwei Jahre älterem Bruder Frank unternahmen wir öfters am Sonntag etwas. Wir vier hatten immer viel Spaß zusammen und wer uns gesehen hätte, wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass wir alles andere als zwei Liebespaare waren. Jedenfalls waren das für Iris und mich die idealen Verbindungen.

      Da gab es noch die schnelle Nummer im Auto. Wer die wollte, hatte sowieso nicht viel Zeit oder aber, er wollte das Hupferl möglichst schnell hinter sich bringen. Das war manchmal die reinste Akrobatik. Am meisten Spaß machte es mir in so einer engen Kiste, da brach jedes Mal meine Fantasie mit mir durch. Ich entwickelte in Eigenregie tolle Stellungen, auch für die etwas behäbigen Typen. Da hatte ich oft auch lustige Sprüche auf Lager, damit das Ganze nicht so steril über die Bühne ging. Bei der französischen Nummer ging das nicht, da hatte ich den Mund zu voll. Und beim Abwichsen konnte ich meist nur am Schluss ein launiges Sprüchlein loslassen. Vorher waren die Kerle viel zu ernst bei der Sache. Vielleicht hätte ich dann auch die pralle Lust zum Kippen gebracht; darauf wollte ich es natürlich nicht ankommen lassen.

      Wie wir (fast) bei unseren Vätern ins Auto stiegen

      Die dunkle Seite meines Lebens plätscherte leicht gelangweilt vor sich hin, als sich eines Tages etwas Außergewöhnliches ereignete. Ich muss gestehen, dass mich dieses Erlebnis, zumindest an diesem vorgerückten Abend, tatsächlich fast aus der Bahn geworfen hat.

      Also, ich schlendere den Kopf voll von unanständigen Gedanken – ein klein wenig mit den Hüften schwingend – die nur schwach beleuchtete Straße entlang, als ein alter Borgward mit quietschenden Bremsen neben mir hielt. Der Fahrer beugte sich zum Seitenfenster und kurbelte es herunter. Von wegen Quatschen am Fenster! Kommt gar nicht in die Tüte. Ich wollte schon die Tür aufreißen und mich wie üblich ins Auto schwingen, als ich einer Intuition folgend noch schnell einen Blick auf das rückwärtige Nummernschild werfe. Meine Augen werden groß wie Wagenräder: Natürlich ist es das Auto meines Erzeugers! Und wer sitzt wohl am Steuer ...?!! In meinem ganzen Leben habe ich mich noch nie so schnell in die Büsche geschlagen, wie an diesem Abend! Zu meinem großen Glück befanden sich ein paar Büsche und Bäume am Straßenrand, die mir das Verstecken leichter machten. Auf der Straße Funkstille. Das Auto stand noch. Wahrscheinlich wusste mein Vater dieses Intermezzo nicht einzuordnen und dachte vielleicht, es sei seine eigene Sekretärin gewesen, die ein bisschen Ähnlichkeit mit mir hat, die ihm da über den Weg gelaufen war. Auf einmal hörte ich das Geräusch von quietschenden Reifen. Ich schlängelte mich etwas aus meinem