Intimsphäre. Inga Heliana. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Inga Heliana
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738088588
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Unser Karolinenplatz bietet sich nicht nur geradezu fantastisch an, um auf Kundenfang zu gehen, sondern er ist auch ein kleines Juwel. Stellen Sie sich also einen großen runden Platz vor. In der Mitte ein kleines Rondell mit einem Rasen und wunderschönen, farbenprächtigen Blumen, in dessen Zentrum sich ein schlanker Obelisk in den Himmel reckt. Um das Rondell führt eine breite Straße, dann folgt ein breiter Gehsteig mit einigen Sträuchern. Die Bebauung ist aufgelockert, ehemalige Palais oder herrschaftliche Villen mit größeren, sehr gepflegten Vorgärten.

      Iris und ich sind der Ansicht, dass uns die Sträucher gegebenenfalls Schutz gewähren können, sollten plötzlich aus dem Nichts heraus Kolleginnen von uns auftauchen. Der Platz liegt äußerst zentral, nicht weit vom Stachus entfernt, dem Mittelpunkt der Stadt, und bietet genug Abstand zur Nymphenburger Straße, wo die registrierten Huren ihr Unwesen trieben. Direkt vom Karolinenplatz aus führt eine nicht sehr breite Straße hin zum Stachus. Und genau hier, gleich zu Beginn der Straße, hatte sich das sehr exklusive Nacht-Cabaret „Eve“ etabliert. In einem ehemaligen Palais wurden die noblen und honorigen Gäste bereits an der Tür von zwei livrierten Türstehern in Empfang genommen. Hierher verirrten sich auch viele reiche Geschäftsleute, die sich ein Amüsement versprachen. Enttäuscht wurden sie in diesem Cabaret bestimmt nicht. Wenn sie im Anschluss noch Appetit auf ein kleines Dessert hatten, konnten Iris und ich so manches Mal Abhilfe leisten.

      Der allererste Abend, an dem Iris und ich auf Männerfang gingen, war ein Tag gleich nach dem Monatsersten. Wir dachten, dass da die Männer etwas freigiebiger waren. Außerdem mussten wir uns doch auch erst einmal einstimmen in dieses fatale Gewerbe. In der Nähe des Karolinenplatzes fanden wir ein sehr gemütliches, kleines Abendcafé: leicht schummerige Beleuchtung mit vielen kleinen Tischchen und auch Nischen mit gepolsterten Eckbänken. An den Wänden Jugendstillampen und herrliche, altertümliche Bilder. Hier gab es auch bis 23.00 Uhr warme Küche. Das Café machte auf den ersten Blick einen sehr einladenden Eindruck auf uns, was sich im Laufe der Jahre als richtig herausstellte . Wir waren hier immer gern gesehen und fühlten uns wohl. Hier konnten Iris und ich uns auch Nachrichten hinterlassen.

      Zu zweit tranken wir eine Flasche Sekt, um uns auf unser großes Abenteuer einzustimmen. Leicht beschwingt zogen wir dann mit zitternden Knien los. Was würde uns da erwarten auf freier Wildbahn? Schließlich waren wir beide keine Profis. Und niemand zur Stelle, der uns schützte. Zu diesem Zeitpunkt hatte mein Bruderherz noch keine Ahnung. Wahrscheinlich hätte er uns unser Vorhaben sofort wieder ausgeredet!

      Iris und ich hatten vereinbart, dass wir uns nach etwa einer bis eineinhalb Stunden wieder in unserem kleinen Café treffen, um uns auszutauschen und eventuell zu überlegen, ob wir noch einen „letzten Fisch“ an Land ziehen wollten. Wer zuerst da war, sollte auf jeden Fall warten, auch dann, wenn es etwas länger dauern konnte. Gegen 21.00 Uhr hatten wir uns beide getrennt, denn wir wollten nicht auf der gleichen Straße traben. Sollte die andere bis Mitternacht nicht auftauchen, wäre zu überlegen, ob man die Polizei verständigte. Selbst dann, wenn eine von uns beiden sich in der Wohnung eines Freiers verquatschen sollte, gab es doch die Möglichkeit, die Freundin anzurufen und Bescheid zu geben. Das hatten Iris und ich als Vorsichtsmaßnahme fest vereinbart. Erst hatten wir in Erwägung gezogen, dass eine auf die andere wartet und zugleich das Autokennzeichen notiert. Aber das haben wir dann doch wieder nach reiflicher Überlegung verworfen. Wir wollten nicht gleich am ersten Abend das Unheil heraufbeschwören, indem wir uns beide zu intensiv damit befassten.

      Ich hatte mir eine kleine Seitenstraße in der Nähe des Karolinenplatzes für meinen Erstlingsversuch ausgesucht. Ich muss gestehen, mich hatte auf einmal so etwas wie Jagdfieber gepackt. So in etwa, wie ein Hund aufgeregt seine Beute wittert. Ich war auf einmal ein weiblicher Jäger, der auf Beutefang ging. So ein Gefühl hatte ich. Dabei musste ich nicht länger als fünf Minuten auf mein erstes „Opfer“ warten. Und mein erstes Erlebnis mit einem Freier wurde zu einem Erlebnis der besonderen Art. Hielt da so ein mittelalterlicher, gut aussehender Herr mit seinem Auto neben mir. Ich trug einen weit schwingenden bunten Rock, hohe Sandalen und ein knappes Mieder. Stöckelte langsam und gedankenverloren vor mich hin, hatte Eisenplättchen unter der Stöckeln, die so schön bei jedem Schritt klapperten. Nicht zu überhören. Zu übersehen war ich in meiner aufreizenden Verkleidung allerdings auch nicht.

      Jetzt wurde es mir doch mit einem Mal ganz schwummerig. Ich glaubte, ich habe Lampenfieber. Wo war auf einmal mein ganzes Selbstbewusstsein geblieben? Gerade war ich doch noch so voller Elan und so selbstsicher. Gerade war wohl tausend Jahre her! Meine Beine schienen plötzlich aus Gummi zu sein. In was für ein Abenteuer ließ ich mich da nur ein? Schon wurde ich schwankend, wollte weitergehen, mein verrücktes Vorhaben wenigstens für heute aufgeben, da hörte ich eine sonore Stimme: „Guten Abend, schöne junge Frau. Haben Sie nicht Lust, mir den Abend ein wenig zu versüßen?“

      Die Stimme gefiel mir, sprach mich an. Auch seine Worte. Duzte mich wenigstens nicht gleich. Also gab ich mir einen Ruck, überwand meine Schwellenangst, riss die Beifahrertür auf und schwang mich in das geräumige Auto. Dachte mir noch: Die Karre eignet sich ganz gut für ein Hupferl. „Einen schönen guten Abend“, gab ich dann wohlerzogen zur Antwort und strahlte meinen neuen Beifahrer an. „Fahren Sie doch bitte ein Stückchen weiter, wo wir uns in Ruhe ein wenig unterhalten können. In stiller Zweisamkeit“, schnurrte ich wie ein Kätzchen und bedachte den graumelierten, seriösen Herrn mit einem liebevollen Seitenblick. Der Mann lächelte und fuhr in die nächste Seitenstraße, wo er sogar einen Platz zum Einparken fand. Ich atmete tief durch. Das Schlimmste hatte ich schon einmal hinter mir: nämlich das Anbandeln. Den ersten Kontakt aufnehmen.

      Abwartend blickt mich der Herr an. „Und jetzt?“, fragte er nur.

      „Ich möchte Sie für einen Moment den Alltag vergessen lassen, indem ich Sie fantastisch im Auto verwöhne. Es sei denn, Sie befinden sich in der glücklichen Lage, eine sturmfreie Bude zu haben, wo ich es vielleicht schaffe, Ihnen die Sterne vom Himmel zu holen?“, gurrte ich und strich meinem Fahrer zart über die behosten Schenkel. Der somit Angesprochene musste lachen.

      „Ich habe tatsächlich eine sturmfreie Bude. Bin momentan Strohwitwer. Meine Frau ist noch für eine Woche verreist.“ In Gedanken rechnete ich schnell nach. Frauen kamen gern früher von ihrer Reise zurück. In der Regel aber höchstens drei oder vier Tage.

      „Das ist ja wunderbar“, gurrte ich wie ein verliebtes Täubchen. „Dann steht unserem Verwöhnprogramm ja nichts mehr im Wege.“

      „Und was soll das Programm kosten?“, holte mich da mein Galan wieder in die Realität zurück. Fast war ich schon am Davonschweben. Wenn es immer so einfach war, Männer aufzutun, war das ja eine mehr als angenehme Sache! Dabei hatten Iris und ich uns das viel schwieriger vorgestellt. Ich druckse bei der unvermeidlichen Frage herum, bevor ich dem Herrn der Schöpfung eine klare Antwort gab:

      „Das Mindeste, was ich mir in der Wohnung erwarte, sind hundert Mark. (Das war damals die übliche Taxe.) Ich bin dir (jetzt war es angebracht, zum Du überzugehen) jedoch keineswegs böse, wenn du mir etwas mehr schenkst, dafür, dass ich dich ganz besonders raffiniert verwöhne.“ Bei meinen Worten griff ich ihm sanft zwischen die Schenkel und ließ meine Finger seine „Kronjuwelen“ ertasten – war doch sehr überrascht über mich, mit welcher Selbstverständlichkeit ich mit einem Mal bei einem wildfremden Mann zu krabbeln anfange. Vielleicht geschah dies auch nur, um die eigene Unsicherheit zu übertölpeln.

      Der Mann verdrehte genüsslich die Augen und meinte: „Einverstanden. Wenn du mich besonders schön verwöhnst, will ich mich dafür gern erkenntlich zeigen.“ (Natürlich hatte ich das alles schon vorher mit Iris etwas geprobt. Aber die Wirklichkeit sieht dann doch etwas anders aus.) Puh. Ich atmete wieder tief durch, dieses Mal schon etwas leiser. Ich musste mich wohl doch auf ein großes Lernprogramm einstellen. Warum gab es eigentlich keine Kurse oder Seminare, wo Frauen auf diese besondere Tätigkeit vorbereitet werden? Für mich als Neuling war das alles wie ein Sprung ins kalte Wasser. Schwimm oder geh unter! Ich wollte aber nicht untergehen, also schwamm ich. Den Kopf nach oben.

      Wir fuhren also in die Wohnung des Freiers, die im Zentrum lag. Ein gutes Gefühl hatte ich nicht, als wir die gemütliche Dreizimmerwohnung betraten. Was war, wenn auf einmal doch die Angetraute hereinplatzte und mittenmang im Geschehen stand? Vorsichtshalber bat ich Jörn, so hieß meine erste