Intimsphäre. Inga Heliana. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Inga Heliana
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738088588
Скачать книгу
Bart, bevor er mit einem Satz aufsprang. Er zog sich einen seidenen weinroten Hausmantel über und bequemte sich mit herunterhängender Schnute zu Arco und mir. Gedankenverloren zündete er sich eine Pustarette an, inhalierte den Rauch und sah mich dabei finster an, statt sich zu freuen, dass ich mich so gut mit seinem Hund verstand. Dann ließ er sich in einen ledernen Ohrenbackensessel neben dem Kamin fallen und fragte mich schon gar nicht mehr, ob ich etwas trinken mochte. Jetzt hätte ich allerdings Durst gehabt, hütete mich aber, ihn noch mehr zu verärgern und ihn um ein Glas Saft zu bitten. „Ich habe Arco noch nie so zutraulich einem Fremden gegenüber erlebt“, brummelte Hermann. „Ich habe ihn auch so erzogen.

      „Ich bin eben etwas Besonderes und das hat Arco sofort gespürt“, lächelte ich leicht geschmeichelt.

      Nachdem Hermann seine Zigarette gepafft hatte, erhob er sich. „Ich bringe dich zurück.“

      Das fand ich allerdings nett von ihm, denn ich dachte schon, er hielte sich nicht mehr an sein Versprechen – so missmutig, wie er dreinschaute. Er hätte mir auch ein Taxi rufen können. Zärtlich verabschiedete ich mich mit einem Schmatzer auf die feuchte Hundeschnauze von Arco. Traurig schaute er mir mit seinen schönen braunen Augen nach. Am liebsten hätte ich mich noch stundenlang mit ihm beschäftigt. Doch es war mir nicht vergönnt. Schade.

      Auch wenn ich Hermann sexuell nicht verwöhnt hatte, war ich finanziell sehr gut weggekommen – zumal wir keinen Preis vereinbart hatten. Erst beim Einsteigen ins Auto steckte er mir diskret einen Blauen zu. (In der Regel wird der finanzielle Teil grundsätzlich vor dem Liebesspiel abgeklärt. Es gibt jedoch Ausnahmen, auch beim ersten Mal. Das ist jedoch nicht üblich.) Es hätte mir überhaupt nichts ausgemacht, wenn ich mit leeren Händen dagestanden wäre. Die Kuscheleinheiten mit Arco bedeuteten für mich höchstes Glück.

      Hermann war in seiner Ehre tief gekränkt. Auf der Rückfahrt sprach er kein Wort mit mir. Gerade, dass er beim Abschied noch ein kleines Lächeln zustande brachte. Er sollte sich doch lieber freuen, eine so tierliebe Hure kennengelernt zu haben! Von einem Wiedersehen war keine Rede mehr. Vielleicht wünschte mich Hermann in seinen Gedanken auch zum Deifi. Ich schüttelte mich innerlich vor Lachen. So etwas dürfte mir ruhig öfters passieren. Leider kam ich jedoch nie mehr in den Genuss einer solch netten Hunde-Episode.

      Der Zuhälter

      Eines Abends machte ich die „ehrenvolle“ Bekanntschaft mit einem Zuhälter. Das sah man ihm jedoch überhaupt nicht an. Er war sehr leger gekleidet. Ein unglaublich attraktiver, charmanter junger Mann, der mich mit in seine in auserlesenem Geschmack eingerichtete Wohnung nahm und mich als Erstes großzügig bezahlte. Na klar, er musste erst einmal Eindruck schinden. Nachdem er auch im Bett alle Register gezogen hatte, rückte er mit seinem Anliegen heraus und redete dabei wie ein Weltmeister – voller Überzeugungskraft. Er hatte eine Zweitwohnung mit vier Zimmern, da wäre gerade ein Zimmer frei geworden. Diesen Raum wollte er an mich gegen tägliche Miete abgeben. Und so ganz nebenbei würde ich ihn dann ab und zu noch ein bisschen verwöhnen. Natürlich aus Zuneigung. – Hat der Mensch denn Töne!

      „Leider bin ich bereits in festen Händen“, sagte ich. „Mein Freund ist ein Hüne von Mann, der von meiner Nebentätigkeit weiß und selbst Anwalt ist. Er würde dich zermalmen, wenn ich mich mit dir einließe.“ Ich zeigte ihm ein Foto meines Bruders, einem wirklichen Frauentyp, der tatsächlich 1,85 groß war. Ein richtiges Muskelpaket. (Das Foto trug ich in weiser Voraussicht von Anfang an bei mir.) Der Lude bekam den Blick eines Ochsen und wollte auf einmal nichts mehr davon wissen, dass ich in seiner Zweitwohnung anschaffe.

      Man darf sich nur nicht gleich ins Bockshorn jagen lassen! Niemals Angst zeigen. In dem Moment bist du verloren. Meine Courage war so manches Mal mein bester Schutz.

      Meine sexuelle Nebentätigkeit beschränkte sich auf die Tage Dienstag, Mittwoch, Freitag und Samstag. Meine Devise hieß von Anfang an: „Sonntags nie!“ Meiner Mutter musste ich vorflunkern, dass ich mich dienstags immer mit Geschäftskolleginnen treffe, stets bei einer anderen zu Hause. Mittwochs ging ich mit Iris ins Kino und anschließend noch zum Ratschen mit ihr in ein Café. Freitag und Samstag war Tanzen in einem der verschiedensten Tanz-Cafés angesagt, doch diese verdammte Schwindelei ging mir mit der Zeit ganz schön auf den Keks! Es war noch anstrengender, als den Freiern Gefühle vorzugaukeln.

      Einige Male mussten Iris und ich tatsächlich zum Tanzen gehen. Bis 23.00 Uhr schwangen wir dann das Tanzbein und hielten dabei stets vergeblich Ausschau nach meiner Mutter. Sie war nachmittags bei einer Freundin eingeladen und wollte mit dieser später nachkommen. Von wegen! Natürlich hatte es sich meine Mutter wieder anders überlegt. Uns beiden Liebes-Hühnchen ging dadurch einige Male eine lustvolle Nachtschicht verloren. Nach diesen Schieber-Tänzen mit so alten Knilchen (natürlich wollten die beiden Damen in ein altertümliches Tanz-Café gehen) waren wir so bedient und geschafft, dass wir keine Lust mehr hegten, auf die Walz zu gehen. Vom Mittelalter hatten wir an diesen Abenden die Nase voll! Natürlich trugen wir es beide nach anfänglicher Schimpferei mit Humor: Wenn meine Mutter gewusst hätte, was Iris und ich ihr zuliebe doch für Opfer brachten! Iris war meiner Mutter nicht böse, denn die beiden waren ein Herz und eine Seele. Natürlich trug auch ich meiner Mutter nichts nach, denn sie wollte sich anderntags jedes Mal ausschütten vor Lachen, als ich ihr von dem Verlauf des Abends berichtete. Meine Mutter war eine lebensbejahende, fröhliche Frau, und sie war im Großen und Ganzen keine schlechte Mutter. (Die nur einmal leider grundlegend versagte!) Desgleichen die Mutter von Iris. (Die war jedoch in jeder Beziehung okay!) Und trotzdem gerieten ihre beiden Töchter so sehr auf die schiefe Bahn! Wie gut nur, dass meine Mutter nicht den geringsten Schimmer einer Ahnung hatte! Inzwischen weilt sie nicht mehr unter den Lebenden. Es ist gut, dass sie niemals von dem zwielichtigen Lebenswandel ihres Töchterchens erfahren hat. Zum Glück sind Mütter manchmal doch sehr blauäugig.

      Einige Wochen lang kleckerten unsere nächtlichen Ausflüge in die „Unterwelt“ ohne besonderen Vorkommnisse dahin. Nichts Aufregendes tat sich. Es war gut, dass Iris und ich uns nach unserer jeweiligen Nachtschicht (oder auch mal zwischendurch) austauschen konnten – dass man sich auch den Ekel, das Entwürdigende dieser Situation von der Seele reden konnte! Dieses Leben ging Iris und mir manchmal schon ganz schön an die Nieren. Zwischendurch überkam uns beide ein rechter Katzenjammer und wir fragten uns, wozu eigentlich das Ganze? Was würde uns die Zukunft bringen, wenn wir uns weiterhin so treiben ließen? Der Straßenstrich hatte uns bereits fest in seinen Klauen. Das wurde uns immer wieder bewusst und es machte uns beiden Angst. Man muss sich einen Raucher vorstellen, der nach seinen Zigaretten giert. Er will das Rauchen einstellen, hat die besten Vorsätze und wird doch immer wieder rückfällig. Die Tage, wo wir nicht auf den Wackel gingen, bereiteten uns manchmal schon Probleme, weil wir von einer solchen Unruhe heimgesucht wurden! Das war tatsächlich seltsam. Wenn wir dann endlich die Straße wieder entlangstöckelten, überkam uns eine große Ruhe, die nicht selten von einem Orgasmus abgelöst wurde. Natürlich hatten Iris und ich aus diesem Grunde immer einige Ersatzhöschen in unserer Handtasche. In unserem kleinen Café hatten wir auch die Möglichkeit, uns zwischendurch immer wieder frisch zu machen. Das war sehr angenehm.

      Dieses Eintauchen in das Dunkel der Nacht hatte uns beide gekrallt. Es war wie eine Droge. Wenn du deinen Körper für schnöden Mammon hingibst, ist es gerade so, als ob du deine Seele verkaufst. In diesem Gewerbe bist du nichts weiter, als ein Abfalleimer, wo die Männer ihren Dreck abladen. Besonders deprimierend ist es, wenn du auf den Strich gehst – auch dann, wenn ich mich noch lange nicht von jedem hergelaufenen Kerl abschleppen lasse. Diese entsetzliche Droge Straßenstrich, sie ließ mich und Iris nicht los. Leider merkten wir es erst zu spät. Dabei waren wir so sicher, jederzeit wieder aussteigen zu können. Niemand da, der uns Vorschriften machte.

      Am Anfang war da der Kick, das Außergewöhnliche. Wir konnten Wut ablassen hinter einer Maske von Liebenswürdigkeit. Als wir uns gar nicht mehr so wohlfühlten in unserer Rolle, stellten Iris und ich mit Entsetzen fest, dass es zu einem Ausstieg zu spät war. Es erging uns wie einem Alkoholiker. Er kämpft verbittert gegen seine Sucht an. Er hat die besten Vorsätze und wird doch immer wieder rückfällig. Eines Tages findet er sich mit diesem Leidensdruck ab, wenn nicht von irgendwo her tatkräftige Hilfe naht.

      Leider nahte bei uns