Kapitel 9 - Khyra
Aufstehen Süße!
Hole dich in 30 Minuten ab. Beeil dich! :-)
Kuss, Kian
Khyra musste grinsen, während sie auf ihr Smartphone blickte. Sie rieb sich über das Gesicht und warf rasch die Bettdecke zurück. 30 Minuten... okay... duschen, anziehen, Zähne putzen. Mehr würde sie nicht schaffen. Sie rannte ins Bad, wobei ihr kurz schwindelig wurde, da ihr Kreislauf noch nicht ganz auf der Höhe war. Rasch zog sie Top und Boxershorts aus, stieg unter die Dusche und schrie auf, als das kalte Wasser auf ihre Haut traf. Rasch wusch sie sich die Haare und seifte ihren Körper mit Duschgel ein. Es roch himmlisch nach Pfirsich. Ob Kian der Geruch gefallen würde? Für eine Sekunde ließ sie es zu, dass ihre Gedanken abschweiften. Sie stellte sich vor, dass er hier bei ihr wäre... in diesem Augenblick... Doch im nächsten Moment rief sie sich zur Ordnung. Oh man, solche Träumereien waren nun wirklich noch nicht angebracht. Sie wusste ja nicht einmal, ob sie nun ein Paar waren... Obwohl natürlich alles darauf hindeutete. Doch sie hatten nicht darüber gesprochen.
Aber sie musste sich jetzt beeilen, wenn sie Kian nicht in Unterwäsche die Tür öffnen wollte. Obwohl der Gedanke durchaus etwas Reizvolles hatte... Schluss jetzt!
Rasch wusch sie sich den Schaum aus den Haaren und vom Körper und schaltete den Duschkopf aus. Sie beeilte sich mit abtrocknen, Haare föhnen und Zähne putzen und kehrte dann in ihr Schlafzimmer zurück. Vor dem Kleiderschrank machte sie Halt und stand vor dem größten Frauenproblem seit Menschengedenken. Was zum Henker sollte sie anziehen? Sie zerrte mehrere Pullover und Hosen aus dem Schrank, hielt sie sich an und warf sie anschließend aufs Bett.
Sie schielte kurz auf ihr Handy und sah, dass sie nur noch zwei Minuten hatte. Mist! Sie hatte eigentlich vorgehabt, sich noch zu schminken. Genau in diesem Augenblick klingelte es. Er war früh dran.
Ohne nachzudenken, sauste Khyra in den Flur. Sämtliche Gedanken an das, was sie noch hatte machen wollen, waren verschwunden. Sie drückte auf den kleinen Knopf neben der Sprechanlage und riss die Wohnungstür auf. Schon war Kian die paar Stufen hinauf gekommen und blieb auf dem Treppenabsatz stehen, als er sie erblickte. Seine Augen wurden groß und seine Wangen färbten sich leicht rot.
»Verdammt Khyra«, stieß er aus und lachte nervös.
»Komm schnell rein, bevor noch jemand kommt«, sagte sie lachend, streckte die Hand aus und winkte ihn heran. Er grinste verlegen und trat an ihr vorbei in die Wohnung.
»Hätte ich dir mehr als 30 Minuten geben sollen? Dann würdest du vielleicht mehr anhaben, als... bloß Unterwäsche.«
Sie schloss rasch die Tür hinter sich, lehnte sich an das kühle Holz und grinste ebenso verlegen. Kian... Heute trug er seine Locken im Nacken zusammengebunden. Ein paar Strähnen hatten sich aus der Frisur gelöst und hingen ihm im Gesicht. Er hatte sich nicht rasiert und Khyra spürte das merkwürdige Verlangen, über seine raue Wange zu streichen. Er betrachtete sie. Seine Augen wanderten über ihren nackten Bauch, hinab zu ihren Beinen. Er schien nichts dagegen tun zu können. Im nächsten Moment schloss er die Distanz zwischen ihnen und seine Lippen fanden die ihren. Sie spürte seinen heißen Atem auf dem Gesicht und die warmen Finger, die über ihre Taille glitten. Sein frischer, betörender Duft stieg ihr in die Nase.
Hungrig öffnete er den Mund und vertiefte den Kuss derart intensiv, dass Khyra schier die Sinne geraubt wurden. Sie krallte die Finger in seine Jacke und drängte sich gegen ihn. Die Stimme, die in ihrem Kopf schrie und verdächtig nach ihrer Schwester klang, ignorierte sie geflissentlich.
Doch Kian schien stärker zu sein. Vielleicht schrie die Stimme in seinem Kopf lauter?
Er löste atemlos den Kuss, während seine Hände an ihren Oberarmen verharrten.
»Khyra, ehrlich...«, flüsterte er und sah sie mit zusammengepressten Lippen an. »Bitte zieh dir was an.«
Sie grinste entschuldigend. Die kaum verhohlene Leidenschaft, die in seinen Augen flackerte, empfand sie nicht weniger intensiv.
»Dann musst du mich aber loslassen.«
Sein Lachen klang atemlos.
»Ich beeil mich«, versprach sie und ging rasch ins Schlafzimmer. Erst jetzt sah sie, welches Chaos sie veranstaltet hatte. Wahllos zog sie eine Jeans aus dem Haufen, der auf ihrer Bettdecke lag, schlüpfte hinein, und während sie auf einem Bein durchs Zimmer hüpfte, hielt sie Ausschau nach einem Oberteil.
Kian stand vor ihrer Bildergalerie, als sie in den Flur zurückkehrte, und betrachtete ihre Fotos. Sie zeigten hauptsächlich sie selbst und ihre Schwester.
Kian wandte sich zu ihr um und lächelte wieder.
»Schon besser«, sagte er. Sie grinste entschuldigend und ging etwas unsicher auf ihn zu. Wie sollte sie sich verhalten? Und waren sie jetzt ein Paar oder nicht? Nervös nestelte sie am Saum ihres Sweaters herum.
»Also, was ist? Darf ich dich auf ein Frühstück einladen?«
»Unser erstes Date?«, fragte sie und grinste erneut. Er lachte und nickte.
»Genau. Ich dachte, wenn wir schon die meisten Regeln der Kunst verletzt haben, können wir wenigstens ein paar andere einhalten.«
»Und dazu gehört ein Frühstück?«
Er verzog das Gesicht.
»Wenn ich es mir recht überlege, gehen in Filmen Leute nur nach einem One-Night-Stand zusammen frühstücken.«
Sie lachte.
»Aber das bin ich nicht für dich, oder?«
Er kam näher und strich mit den Fingerspitzen ganz sanft über ihre Wange.
»Auf keinen Fall«, sagte er leise und beugte sich hinab, um sie zu küssen.
»Ich möchte mit dir zusammen sein«, sagte er dicht an ihren Lippen, »und mir ist egal, dass wir einander kaum kennen. Wir können alles nachholen.«
Sie lächelte selig und stellte sich leicht auf die Fußballen, während sie seine Lippen küsste. Sie schob die Hand in seinen Nacken und spürte ihren ganzen Körper wie wild kribbeln.
Womit hatte sie ihn verdient? Kian... Ein gutaussehender Fremder, der plötzlich so viel mehr für sie war, als sie sich erträumt hatte. Hätte ihre Mutter das doch nur erlebt... Doch wahrscheinlich wäre es ihr egal gewesen... Schmerz durchzuckte sie und verzweifelt versuchte sie, ihn in dem Kuss zu ertränken.
Seufzend löste sich Kian von ihr und strich ihr durchs Haar.
»Schätze es spielt keine Rolle, was du anhast.« Seine Stimme zitterte leicht. Sie lachte wieder und traute sich endlich über seine Bartstoppeln zu streichen.
»Vielleicht sollten wir jetzt frühstücken gehen«, schlug sie vor und er nickte.
Vor dem Eingang des großen Cafés, das Kian ausgewählt hatte, standen Stühle und Tische, doch im Grunde war es noch zu kalt, um dort zu sitzen. Hand in Hand betraten sie den Innenraum des gemütlichen Ladens und Kian führte sie hinüber zu einem der kleinen Tische mit roter Ledereckbank. Sie setzten sich und waren beide etwas verlegen. Es war noch ungewohnt, sich gemeinsam in der Öffentlichkeit zu bewegen.
»Seit wann spielst du schon Gitarre?«, wollte Khyra wissen, während sie sich die Karte ansahen.
Er überlegte kurz.
»Keine Ahnung ehrlich gesagt. Ein Kumpel hat mir irgendwann mal die Grundlagen gezeigt. Und von da an habe ich allein geübt. Das ist nicht so schwer mit einem gewissen Grundverständnis von Musik. Es gibt genügend Tutorials im Internet.«
»Wirklich? Du hast dir das selbst beigebracht?«
»Ja, aber das tun viele. Und ich hatte den Vorteil, dass ich sowohl für Klavier, als auch für Geige bereits Unterricht bekam.«
»Das spielst du auch noch?«, stieß sie überrascht aus. Er wirkte