»Aber sie ist doch unglaublich gut«, sagte Chris und genau in diesem Augenblick endete das Lied mit einem melancholischen Ton und das Publikum brach in Begeisterungsstürme aus. Joe schien das nicht wahrzunehmen.
»Ich bezahl sie fürs Gläserfüllen, nicht fürs Singen.«
»Entspann dich, Mann!«, sagte Chris und stimmte in die Beifallsbekundungen ein. Joe hatte wohl mal wieder einen seiner schlechten Tage.
Nadeya kam strahlend vor Glück auf sie zu und umarmte ihre Schwester fest.
»Du bist so eine absolut irre, hirnverbrannte Kuh«, schimpfte sie, doch jede ihrer Fasern drückte Dankbarkeit aus.
»Das war unglaublich«, bekundete Chris, bevor er sich auf die Zunge beißen konnte. Überrascht sah sie ihn an und ihre Blicke begegneten sich. Ein merkwürdiges Fallgefühl machte sich in ihm breit. Oh verdammt, diese Augen... Was passierte nur mit ihm?
»Danke«, gab sie ein wenig reserviert zurück, bevor sie wieder über die Theke kletterte.
»Du - Küche - sofort!«, knurrte Joe und packte sie an der Schulter. Sofort spürte Chris das absurde Verlangen, hinterher zu rennen und sie vor dem Wutausbruch ihres Chefs zu bewahren. Doch was sollte er schon tun? Joe würde es sich nicht nehmen lassen, auf seiner Angestellten herumzuhacken. Dabei konnte sie nicht einmal etwas dafür.
»Kriegt sie jetzt wirklich Ärger?« Khyra blickte zerknirscht zu der Schwingtür hinüber. Chris nickte.
»Ich glaube schon. Joe ist manchmal etwas... eigen.«
»So ein Mist... Wenn ich das gewusst hätte.«
Chris antwortete nicht. Er starrte immer noch die Tür an, während sein Bruder auf der Bühne zum Mitsingen einiger Radiosongs animierte. Das Publikum stimmte bereitwillig ein.
Irgendwann kamen Joe und Nadeya wieder aus der Küchentür. Ihre Miene war eine steinerne Maske. Chris konnte nicht anders. Er funkelte seinen ehemaligen Chef böse an. Das sah der jedoch gar nicht, weil er sich freudestrahlend einigen Gästen zuwandte, die er offenbar gut kannte.
Nadeya sagte kein Wort mehr, während sie Gläser füllte und Gästen ihre Getränke reichte. Die Komplimente, die sie hin und wieder für ihre unglaubliche Stimme bekam, quittierte sie mit einem unverbindlichen Lächeln.
Irgendwann kündigte Kian das letzte Lied an, musste noch eine Zugabe geben und sprang schließlich von der Bühne.
»Endlich nach Hause«, sagte Khyra und stöhnte erleichtert. Sie sah wirklich fertig aus. Ihre Augen waren schon ganz trüb und das, obwohl sie bereits das vierte Glas Cola trank.
»Geht‘s oder muss Kian dich tragen?«
Chris grinste und sie musste lachen.
»Ich werd es grad noch so schaffen«, beteuerte sie.
»Was ist mit deiner Schwester?«
Verwirrt blickte sie auf.
»Willst du nicht auf sie warten?«
»Nein, wieso? Sie arbeitet, bis der Pub dichtmacht.«
Chris blickte sie nur einen Augenblick an, bevor er sich seiner Cola zuwandte. Wahrscheinlich ging sie Abend für Abend allein nach Hause. Die Vorstellung gefiel ihm überhaupt nicht, bei den ganzen Kleinkriminellen, die heutzutage draußen herumliefen. Doch was sollte er tun? Er konnte sie schlecht jeden Abend hier abholen. Und auch heute würde er mit Kian und Khyra nach Hause gehen müssen. Zu auffällig wäre es, wenn er auf sie warten würde. Damit würde er nur zu viel von sich preisgeben.
»Du schläfst ja schon im Sitzen ein«, sagte Kian, der über das ganze Gesicht strahlend auf sie zu trat. Ein wenig verlegen stand er vor seiner Freundin und streckte die Hände nach ihr aus. Sie ergriff sie und ließ sich von dem Barhocker ziehen.
»Du warst klasse«, sagte sie leise, das Gesicht dicht vor dem seinen. Chris wandte sich ab. Es gab Dinge, die wollte man als Bruder einfach nicht sehen.
Die beiden küssten sich, das musste er wohl oder übel aus dem Augenwinkel beobachten.
»Können wir nach Hause gehen? Ich penn gleich ein«, sagte sie und umarmte ihren Freund.
»Klar. Ich sag nur eben Joe auf Wiedersehen.«
Er ließ sie kurz los, trat an die Theke und winkte Joe zu. Der kam zu ihnen hinüber.
»Kian. Du warst wirklich klasse heute Abend. Aber solche Showeinlagen musst du vorher mit mir absprechen.«
Er grinste entschuldigend.
»Tut mir leid. Kommt nicht wieder vor.«
»Alles klar. Bis nächste Woche.«
Khyra winkte ihrer Schwester kurz zu, doch die war von irgendwelchen Gästen abgelenkt.
Zu dritt verließen sie den Pub und folgten der dunklen Straße. Nach der Lautstärke im Underground war die Stille draußen fast drückend. Aber Chris hatte das Bedürfnis, allein zu sein. Nein, eigentlich wollte er nur nicht mit diesem frisch verliebten Paar herumlaufen. Er wollte... Innerlich seufzte er. Es war nicht zu leugnen. Er wollte Zeit mit Nadeya verbringen...
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