Erben der Macht. Christine Stark. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Stark
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742777645
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      Maya war so müde und der gleißende Schmerz in ihrem Schädel wurde nur umso schlimmer, je mehr sie versuchte, dem Gespräch zu folgen. Sie hörte Schritte, die sich entfernten und das Geräusch von klackendem Metall. Die wackelige Stimme räusperte sich.

      „Ich komme heute Abend wieder und sehe nach ihr.“

      Wieder eine Pause. Maya begann schon wegzudämmern, als sie die Stimme erneut an die Oberfläche riss.

      „Darf ich Ihnen eine Frage stellen?“

      Pause.

      „Ich weiß, es geht mich nichts an, aber…“

      Pause. Heftiges Ausatmen.

      „Warum haben Sie ihr das angetan?“

      Neben Mayas Kopf raschelte Stoff. Jemand bewegte sich. Mayas Instinkte nahmen ein Grinsen wahr, als die tiefe Stimme endlich antwortete:

      „Haben Sie von mir etwas anderes erwartet?“

      Schweigen.

      „Doc?“

      „Ja?“

      „Kein Wort. Zu niemandem.“

      Dann hörte Maya eine Tür ins Schloss fallen. Fast augenblicklich war die warme Hand zurück, die ihr sanft über die Stirn strich. Maya spürte, wie das Pochen hinter ihrer Schläfe ein wenig nachließ. Die Hand wanderte wie beiläufig über ihre Schulter und blieb auf ihrem Arm liegen. Maya driftete davon. Der Schlaf begann, sie einzuhüllen und ihre Schmerzen zu dämpfen.

      Bilder tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Ganz langsam, unscharf und doch irgendwie klar. Weiße Bettlaken, heiße Haut, morgendliches Sonnenlicht, das durch die Vorhänge kroch. Langes, seidiges, schwarzes Haar, ein strahlendes Lächeln, blaugraue Augen.

      Ganz vorsichtig lösten sich die Finger von ihrem Arm. Die Kälte, die zurückblieb, zerstörte Mayas Traumbilder. Mit einem Mal durchströmte sie Panik. War er weg? Wo war er? Er durfte nicht gehen! Sie konnte jetzt nicht alleine sein!

      „Nicht“, krächzte sie. Ihr Mund war ausgedörrt.

      „Was?“ Die Stimme war nah und beruhigend. Mayas Herzschlag normalisierte sich.

      „Bitte bleib.“ Sofort umschlossen seine Finger ihre Hand. Maya atmete erleichtert auf und glitt in einen traumlosen Schlaf.

      Als Maya einige Zeit später blinzelte, konnte sie eine verschwommene Gestalt vor ihrem Bett erkennen. Irgendjemand musste sie in ein Bett gelegt haben. Das hier fühlte sich jedoch nicht wie ihres an, so viel stand fest. Maya blinzelte erneut, aber das Bild blieb unscharf. Die Gestalt war ein Mann, so weit sie erkennen konnte. Sie strengte sich an, um besser zu sehen. Dumpf hämmerte der Schmerz in ihrem Kopf. Was war passiert? War er es gewesen, der sie hierher gebracht hatte? Und warum? Maya erkannte rotblonde Haare und dunkle Kleidung. Wo war sie? War er der Mann mit der tiefen Stimme und den warmen Händen?

      „Hey, bist du wach?“ Nein. Seine Stimme war nicht tief genug. Seine Worte knackten in ihren Ohren und schickten kleine, heftige Peitschenhiebe ihren Nacken hinunter. Maya zog die Stirn in Falten.

      „Mhm.“ Es klang wie ein Räuspern.

      „Oh Mist, du hast bestimmt einen ganz trockenen Mund.“ Schnelle Schritte, Klirren, Kälte an ihren Lippen. Dankbar ließ Maya den Eiswürfel in ihrem Mund schmelzen. Geduldig wartete der Mann, bis sie fertig war. Er hatte helle Haut. Aber Details konnte sie immer noch nicht erkennen.

      „Wie heißt du?“, fragte er. Seine Stimme klang eindringlich.

      „Maya.“ Aber das musste er doch wissen. Die anderen Stimmen hatten es doch auch gewusst.

      „Maya. Und weiter?“ Irgendwo in ihrem lädierten Schädel schrillte eine Alarmglocke. Nichts sagen. Lügen.

      „Ausweis“, murmelte sie.

      „Ich weiß, was im Ausweis steht“, sagte er schnell. „Wie heißt du wirklich?“

      „Was?“ Maya versuchte ihr Gewicht zu verlagern, um sich ein wenig aufzurichten und ihr Gegenüber endlich vernünftig anzusehen. Im selben Moment schoss ihr ein gemeines Stechen durch die rechte Schulter. Überhaupt fühlte sich ihre gesamte rechte Seite an wie ein einziger blauer Fleck. Maya sog scharf die Luft ein.

      „Aua!“

      „Schon gut. Schhhh! Nicht bewegen.“ Der Mann drückte sie behutsam zurück ins Kissen.

      „Ich wollte nur…“ Er schwieg.

      Maya gab den Versuch auf, mehr als Weichzeichner zu sehen und schloss die Augen. Wenn sie wieder einschlief, konnte ihr der Blonde außerdem keine verfänglichen Fragen mehr stellen.

      „Er wird bald zurück sein…“, sagte der Mann in ihr Dunkel, als hätte sie ihn danach gefragt. War „er“ die tiefe Stimme mit den warmen Händen? Maya hoffte es.

      „So, jetzt machen Sie die Augen mal bitte ganz auf, Frau Solina.“

      Maya brauchte einen Moment, um zu kapieren, dass das ihr Name war. Der, der in ihrem Ausweis stand. Der Doc war zurück und er klang wie eine extrem forsche Krankenschwester.

      „Maya, Sie haben jetzt lange genug geschlafen!“

      Maya quengelte. Der Doc irrte sich. Es war lange noch nicht genug.

      „Frau Solina! Maya!“ Der Doc rüttelte an ihrer guten Schulter und diese Behandlung ließ ihr Gehirn schmerzhaft gegen die Schädeldecke knallen. Wütend riss Maya die Augen auf.

      „Na bitte, geht doch.“ Der Doc klang sehr von sich und seinen rabiaten Methoden überzeugt. Zu ihrer Verwunderung stellte Maya fest, dass sie endlich richtig sehen konnte. Der Doc war ein Mann Mitte 40 mit schütterem, braunem Haar und einem fliehenden Kinn. Auf seiner knubbeligen Nase trug er eine randlose Brille und sein schmächtiger Körper steckte in einem schokobraunen Cordanzug. Maya hatte ihn nie zuvor gesehen. Und auch dieser Raum war ihr völlig fremd. Sie war nicht in einem Krankenhaus. Krankenhäuser hatten keine Fenster aus Glasbausteinen und keine alten, abgewetzten Sekretäre mit Büchern drauf. Das hier war ein Schlafzimmer. Wem gehörte es? Und warum war sie hier? Die Fragen stapelten sich in Mayas Kopf und dieser pochte und protestierte.

      „Mein Name ist Doktor Igor Sarakis. Und ich bin Arzt. Auch wenn das nicht so aussieht“, stellte er sich höflich, aber nicht sonderlich herzlich vor. „Sie können mich Doc nennen. Das tun alle hier.“ Maya sah ihn mit den Augen rollen und vermutete, dass ihm dieser Spitzname nicht recht gefiel. Sarakis kramte am Nachtkästchen ihres Bettes herum.

      „Ich werde Ihnen jetzt gleich ein Schmerzmittel geben. Dann dürfte es Ihnen bald deutlich besser gehen“, erklärte er.

      Maya hatte eigentlich vor, sich zu bedanken. Doch als sie den Mund öffnete, sagte sie stattdessen:

      „Was ist passiert?“

      Sarakis blickte unsicher zur Seite und zögerte, bevor er eine Antwort gab.

      „Man hat sie… aufgefunden. Verletzt. Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber sie haben – soweit ich das feststellen kann – eine Gehirnerschütterung, mehrere schwere Prellungen und höchstwahrscheinlich ist ihr rechtes Schlüsselbein gebrochen. Können Sie sich an irgendetwas erinnern?“ Den letzten Satz flüsterte er und seine Augen lugten neugierig hinter seiner Brille hervor. Maya versuchte es. Doch da war eine seltsame Lücke in ihrer Erinnerung.

      „Nein.“

      „Das kommt vor“, beruhigte er sie automatisch und auch ein wenig enttäuscht. „Aber das ist nur vorübergehend. Wichtig ist jetzt, dass Sie sich gut erholen. Das bedeutet vor allem, dass Sie sich so ruhig wie möglich halten. Haben Sie mich verstanden?“

      „Ja.“

      Sarakis nickte.

      „Gut. Das ist wirklich wichtig. Wie schon gesagt, ich kann Ihnen Schmerzmittel geben. Außerdem