Erben der Macht. Christine Stark. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Stark
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742777645
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      „Wo bin ich hier?“

      Sarakis starrte sie einige Sekunden lang an. Dann blinzelte er.

      „Wie gesagt“, fuhr er fort „einen richtigen Verband. Dieses Provisorium ist nicht ideal. Und wenn es irgendwie wieder heilen soll, dann…“

      „Doktor Sarakis!“ Maya versuchte es, so laut sie konnte. Er verstummte sofort.

      „Wo bin ich hier?“ Der Arzt presste die Lippen aufeinander.

      „Du bist bei mir“, sagte die tiefe, heisere Stimme. Der Doc trat einen Schritt zur Seite und im Türrahmen lehnte Scar.

      Jetzt erinnerte sie sich.

      Am liebsten hätte er auf etwas eingeschlagen. Wie konnte er nur so dämlich sein? Natürlich jagte er ihr Angst ein. Er jagte immer allen Angst ein. Und ihr erst recht. Sie lag hier, weil die Mocovics verdammte Monster waren. Kalte Wut durchströmte ihn. Wie hatte er nur denken können, sie würde…

      „Wenn Sie beabsichtigen, irgendetwas kaputt zu machen…“ Offensichtlich hatte der Doc seine Patientin beruhigen können. Sarakis klang seltsam aufsässig in seinem Rücken. Scar warf dem kleinen Mann einen wütenden Blick zu und sah frustriert mit an, wie sich dessen Protesthaltung sofort in Luft auflöste.

      „Ich dachte nur…“ - fuhr er wesentlich freundlicher fort - „wenn Sie wieder aufwacht und sieht, dass Sie hier alles zertrümmert haben… Nun, vielleicht bekommt sie dann gleich wieder einen hysterischen Anfall. Und ich will Frau Solina wirklich nicht noch einmal niederspritzen müssen, jetzt, wo ich sie doch endlich wach bekommen habe“, fügte er schnell hinzu. Scar nickte stumm und schob seine Fäuste in die Hosentaschen.

      „Sie schläft jetzt – schon wieder. Ich habe die Gelegenheit genutzt, ihr den neuen Verband anzulegen. Wenn sie aufwacht, wird sie Durst haben. Und vielleicht wieder Schmerzen. Die Tabletten habe ich auf den Sekretär gelegt. Jeweils zwei im Abstand von 6 Stunden dürften reichen. Und sie soll sich so wenig wie möglich bewegen.“

      Scar nickte erneut. Der Doc packte seine Sachen.

      „Morgen Nachmittag sehe ich nochmal nach ihr, ja?“ Er wandte sich zur Tür und hielt noch einmal kurz inne. Dann drehte er sich wieder um.

      „Äh ja und sollte sie Hunger haben: Geben Sie ihr für den Anfang etwas Leichtes. Brühe oder so. Bis wir sicher wissen, dass alles in Ordnung ist.“

      „Doc?“

      „Ja?“

      „Danke.“

      Scar beobachtete, wie der Doc seine freie Hand zur Faust ballte. Er rang offensichtlich mit sich. Sarakis öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Wie ein Fisch.

      Scar rollte genervt mit den Augen.

      „Spuck’s aus, Doc“, befahl er.

      „Was…“ Sarakis musste sich räuspern. „Was haben Sie denn mit ihr vor, wenn ...“ Er sah irgendwie ängstlich aus, registrierte Scar irritiert. Hatte Sarakis Angst um seine Patientin? Noch schlimmer konnte es nicht werden, oder? Scar fixierte den Doc mit den Augen. Seine Stimme war ein Knurren.

      „Du meinst, was ich mit ihr anstelle, wenn sie wieder auf den Beinen ist?“ Der Doc setzte an, um etwas zu sagen, doch Scar fuhr ihm über den Mund.

      „Was werde ich schon tun? Ich werde da weitermachen, wo ich aufgehört habe. Ich werde sie quälen, schlagen und ficken, bis sie tot ist.“ Mit wenigen, schnellen Schritten stand er direkt vor Sarakis. Der kleine Mann wich zurück und sah mit erschrockenen Augen zu ihm auf.

      „Glaubst du das, mein Freund?“ Scar hob fragend die Augenbrauen.

      „Sieh mir ins Gesicht und sag mir, dass du glaubst, dass ich das will!“

      Sein Gegenüber war unfähig zu sprechen.

      „Na?“

      Hastig schüttelte der Doc den Kopf.

      „Nein“, stammelte er.

      Scar versetzte ihm einen Stoß. Der Doktor taumelte gegen die Tür.

      „Geh schon!“, zischte er böse. Sarakis griff zitternd nach dem Türknauf und sah zu Boden.

      „Und Doc?“

      „Kein Wort zu niemandem“, flüsterte der und verschwand hastig durch die Tür.

      Erschöpft sank Scar gegen die Wand und atmete tief durch. Wie hatte er nur in so eine Scheiße geraten können?

      In der Sekunde, in der das Mädchen bewusstlos zu Boden gefallen war, war auch Victors Interesse an ihr verpufft. Wie bei einem kleinen Jungen, dessen Spielzeug kaputt gegangen ist. Stattdessen war er auf Scar losgegangen.

      „Warum, zur Hölle musst du immer der Spielverderber sein!“ Es war keine Frage gewesen, sondern ein Vorwurf. Victor hatte seine Hände wütend gegen Scars Brustkorb gestoßen, doch er hatte es kaum gespürt. Carl, den Unterarm von der Schere aufgeschlitzt, hatte jammernd und schimpfend über Mayas schlaffem Körper gestanden und auf ihn eingetreten, während Blut von seiner Hand auf die Straße getropft war. Elias hatte sich ihm entgegengeworfen und Schlimmeres verhindert.

      „Lass das sein, Mann! Die hat schon genug!“

      „Sie hat mir den verdammten Arm aufgeschlitzt!“, hatte Carl zurückgeplärrt, wie ein Kleinkind.

      Shorty hatte unsicher daneben gestanden und Scar war schlagartig bewusst geworden, dass von ihm die größte Gefahr ausging. Obwohl Viktor Shortys Schlagstock an sich genommen hatte, war der Kleine immer noch bis zu den Zähnen bewaffnet gewesen. Zwei Pistolen und mehrere Messer gehörten zu seiner Grundausstattung. Hätte Viktor das Signal gegeben – Shorty hätte ohne zu zögern geschossen. Und Scar hätte hilflos zusehen müssen.

      „Ich höre dann auf, der Spielverderber zu sein, wenn du anfängst, dich wie ein Patron zu benehmen.“

      Victor hatte nicht eine Miene verzogen. Er war Scar ganz nahe gekommen und hatte geflüstert:

      „Das macht dich irre, nicht wahr? Dass ich der Patron bin und du nur ein dummer Idiot mit einem Gewissen.“

      Diese Worte hatten Scar wenig bedeutet. Doch ihm war das Herz in die Hose gerutscht, als Victor sich zu den anderen umgedreht hatte.

      „Shorty, Carl!“

      Scar hatte den Atem angehalten und gehofft – nein, um Gnade gefleht.

      „Lasst uns hier abhauen! Ich brauche etwas anderes als das hier. Etwas das Spaß macht.“

      Und dann war er auch schon an ihnen vorbeigelaufen. Gefolgt von Shortys schnellen Schritten und einem meckernden Carl.

      „Vic, ich glaube, ich brauche den Doc.“

      „Was ist, Carl? Verblutest du?“

      „Nein, aber es ist voll aufgerissen.“

      „Dann wickle dir was drum“, herrschte Victor ihn an. „Ich habe jetzt keine Lust, wegen dir und deinen Wehwehchen die Nacht so beschissen enden zu lassen. Weiß einer von euch, wo das nächste Puff ist? Ich muss heute einfach noch auf etwas einstechen. Und wenn’s nur mit meinem Schwanz ist.“

      Shorty hatte gekichert. Dann waren die drei um die nächste Ecke verschwunden. Erst ab da hatte Scar normal weiteratmen können. Ein kurzer Blick zu Elias hatte ihm bestätigt, dass es dem ebenso ging. Scar hatte ihm seine Autoschlüssel zugeworfen.

      „Hol den Wagen. Schell.“ Dann hatte er sich um Maya gekümmert.

      Und jetzt war sie hier. Durch seine geöffnete Schlafzimmertüre konnte er sie in seinem Bett liegen sehen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich in langsamen, regelmäßigen Abständen.

      „Maya, Maya“, flüsterte er. „Was mache ich nur mit dir?“

      Maya wurde einfach