Sentry - Die Jack Schilt Saga. Michael Thiele. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Thiele
Издательство: Bookwire
Серия: Die Jack Schilt Saga
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847651994
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Ich werde wahnsinnig, weil ich nicht weiß, was draußen vorgeht. Habe Jay Wasser gegeben. Er schaut aus (------ nicht mehr lesbar -------) Angst vor der Art, wie er mich ansieht. Jay hat mich angeschrien, ich solle abhauen, solange „sie“ mich noch nicht „erwischt“ hätten… auf meine Frage, wer „sie“ seien, antwortet er nicht, starrt aber weiterhin mit (------ nicht lesbar -------) nicht mehr lange haben. Spähe zwischen den Läden hindurch hinaus, es ist trügerisch ruhig. Niemand zu sehen (------ nicht mehr lesbar -------) viele Stunden vergangen sind, kann nur ahnen, was draußen (------ nicht mehr lesbar ------) fest eingeschlafen. Würde am liebsten die Baracke verlassen, einfach abhauen, aber ich wage es nicht, erst recht nicht jetzt, wo es dunkel ist. Jay macht mir immer noch Angst, obwohl es so aussieht (------ nicht mehr lesbar -------) Sekunde länger mit ihm hier drin verbringen. (------ nicht mehr lesbar -------) geschehen, spüre es ganz deutlich. Habe mich nach draußen gewagt und etwas Unglaubliches gesehen. Im tiefen Schatten der Nachbarbaracke kauerte ein merkwürdiges Wesen. Nicht groß, etwa so wie ein halbwüchsiges (------ nicht mehr lesbar -------) Gefühl, dass es mich fixierte. Dann war es von einer Sekunde auf die andere verschwunden. Keine Ahnung, was das war. Jay ist aufgewacht, er starrt mich unentwegt stumm an, sagt aber keinen Ton mehr. Manchmal grinst (------ nicht mehr lesbar -------) ertrage das alles nicht mehr lange. Habe einen Plan gefasst. Will im Schutz der Dunkelheit ausbrechen und nach Kelvin (------ nicht mehr lesbar -------) halten hier noch länger, es ist sowieso alles verloren. Gott stehe mir bei.

      

      Ich ließ das Journal sinken und das eben Gelesene wirken. Was war mit ihm geschehen? War ihm die Flucht nach Kelvin gelungen? Wer zum Teufel waren diese Skiavos, die Seite an Seite mit den Menschen kämpften? Von ihnen hatte ich noch nie gehört. Auch tauchte der Name „Kellswater“ zum ersten Mal auf. Allem Anschein nach existierten doch einst mehrere Siedlungen im Süden Laurussias, in Angmassab.

      Ich hatte erwartet, Antworten auf Ungewissheiten zu finden, doch das Gegenteil trat ein. Neue Rätsel türmten sich auf. Ich musste die wahre Geschichte der Menschen Gondwanas neu begreifen lernen, als Mosaik, dessen Gesamtbild sich aus Tausenden kleiner Steinchen zusammensetzte. Viele dieser Steinchen hatte ich im Laufe meines noch jungen Lebens angehäuft und zu einem Bild geformt, das so nicht zu stimmen schien. Ich weigerte mich, alles Alte in Frage zu stellen und zimmerte mir stattdessen ein separates zweites Bild zusammen. Es galt, falsch platzierte Teile des alten Mosaiks in ein neues zu übertragen, das auf den Erkenntnissen der von uns entdeckten Schriften basierte.

      Den Stapel Schriften zur Seite schiebend, kauerte ich mich wie ein Gestrandeter (der ich genau genommen ja nun war) vor die angeschwemmten Trümmer meines untergegangenen Schiffes, das mich einst sicher über die Meere getragen hatte. Altes löste sich auf, Neues wollte entstehen. Und tief in mir meldete sich erneut die Ahnung, auf etwas gestoßen zu sein, dessen Tragweite sich noch gar nicht erfassen ließ.

      In jener Nacht stellten sich die ersten Träume ein, welche ich später Visionen nennen und die mich für lange Zeit plagen sollten. Ich wanderte durch dunklen Wald, dessen dichtes Blätterdach das Sonnenlicht filterte. Graue Nebel folgten mir. Lief ich zu langsam, hüllten sie mich ein, beschleunigte ich meine Schritte, fielen sie zurück. Ich erkannte, dass die grauen Schatten von mir ließen, hatte ich den richtigen Pfad eingeschlagen. Sie bildeten jedoch eine undurchdringliche Wand, kam ich vom Wege ab.

      Nachdem ich das zweite Buch von einem mit totem Laub bedeckten Waldboden aufgelesen hatte, wurde mir allmählich klar, was die Nebel wollten. Mehr und mehr Licht drang durch die Kronen der riesigen Bäume. Laub fiel herab, junges, frisches Grün, und gesellte sich zu den welkenden Blättern. Je mehr Bücher ich fand, desto mehr lichteten sich die Baumkronen, füllte sich der Weg mit Licht. Ich trug bereits einen schweren Stapel vor mir her. Die Nebel zogen ab.

      Dann erstarb die Natur um mich herum zusehends. Die Bäume trugen nur noch wenig Laub, wirkten krank und vergänglich. Aber nicht alle starben. Einige wenige schienen zu erstarken, neuen Atem zu schöpfen. Sie bildeten Knospen aus, erblühten in strahlend weißen Farben, überwucherten ihre abgestorbenen Genossen, deren tote, blattlose Äste anklagend in den Himmel ragten.

      Ich hielt inne, um dieses Phänomen zu erkunden. In der Tat waren es die filigraneren Arten, die vom Tod ihrer einst stärkeren Artgenossen profitierten. Ein Raunen und Seufzen ging durch ihre vibrierenden Äste, als hätten sie diesen Moment seit Ewigkeiten herbeigesehnt. Fasziniert stand ich da, sah die mir bekannten Baumarten im Zeitraffer sterben. Aus ihrer geborstenen Borke drangen dafür neue, fremdartig anmutende Gewächse.

      Ein junger und starker Trieb, dick wie mein Unterarm, raschelte durch totes Laub auf mich zu. Flink wie eine Schlange wand er sich um mein rechtes Bein und kletterte an mir empor. Vor Schreck erstarrt beobachtete ich, wie sich die giftig grüne Liane um meinen Oberkörper wickelte, dann um meinen Arm, schließlich um die Hand. Am Ende berührte die Spitze des Triebes die Bücher, welche ich noch immer hielt. Sie zerfielen augenblicklich zu Staub, der durch klamme Finger rieselte. Der Trieb starb in Sekundenschnelle ab, schneller als die Bücher zerfallen konnten, verfärbte sich bräunlich, trocknete ein und bröckelte von mir herunter.

      Stumm und starr stand ich da, als die Nebel, die bedrohlichen Schatten, wieder auftauchten und mich einhüllten. Ich sah nichts mehr, hörte nichts mehr, fing an zu röcheln, als mir die Atemluft wegblieb. Spätestens an dieser Stelle erwachte ich stets. In leicht abgewandelter Form sollte dieser Traum in den kommenden Nächten mein treuer Begleiter werden. Einzelheiten änderten sich. Manchmal sah ich zwischen den sterbenden Bäumen die Körper toter Menschen, deren weit aufgerissene Augen mich bezichtigend anstarrten. Zuweilen erstarb der geheimnisvolle grüne Trieb noch bevor er an mir hochkletterte, und die Bücher in meinen Händen verwandelten sich in dunkelhäutige, echsenartige Kreaturen, die ich nach dem Erwachen nicht mehr zu beschreiben in der Lage war. Ein Ereignis aber blieb unverändert. Am Ende holten sie mich immer wieder ein, die Schatten, nahmen mich in sich auf und löschten die Welt aus. Gelegentlich setzte sich der Traum fort, dann lief ich, rannte ich los, um aus dem Nebel herauszufinden. Allein, ich rannte vergeblich.

      Mein Leben war im Begriff sich zu verändern. Mit den Nächten begann es. In absehbarer Zeit würde nichts mehr so sein, wie es einmal war. Und das war erst der Auftakt. Bald, sehr bald, sollte sie beginnen, die große Reise, an dessen Ende nicht einmal mehr das Bestand haben würde, was mich im Innersten ausmachte.

      Mitten in der Nacht fuhr ich hoch. Rob schlief tief und fest, ein beruhigendes Zeichen, doch nur in meinem wüsten Traum laut geschrien zu haben. An Schlaf war nicht mehr zu denken, so sehr ich es auch versuchte. Letztlich lockte mich das silberne Licht des Mondes den Strand hinunter, wo das wiederhergestellte Boot im Sand lag. Die rechte Hand auf das Ruder legend, ließ ich mich von der Erhabenheit der Natur beruhigen. Immerhin fühlte ich keine körperliche Bedrohung mehr, die Nachwirkungen des düsteren Alptraums nahmen ab. Schon wusste ich nicht mehr, wovon ich eigentlich geträumt hatte. Die schimmernde, mondbeschienene See präsentierte sich ausnehmend ruhig und still, kein Lüftchen ging. In meinem Kopf herrschte dafür das komplette Gegenteil, ein gnadenloses Durcheinander.

      Wieso wühlte mich der Fund dieser alten Schriften so sehr auf? Tagsüber betrachtete ich all diese Neuigkeiten, die mir begegneten, aus einer gewissen Distanz, wie ein Außenstehender, ein neutraler Betrachter, nach dessen Meinung niemand fragte. Doch nachts, im Schlaf, fand ich mich im Mittelpunkt der Ereignisse wieder und spielte eine ganz andere, eine überraschend aktive Rolle. Und immer wieder diese Bücher, die letzten Endes zu Staub zerfielen, ganz gleich was passierte.

      Meine Abneigung gegen die Schriften wuchs. Noch gestern hatte ich mich gefragt, wie ich es bewerkstelligen wollte, alle ohne Ausnahme nach Stoney Creek zu bringen, wo ich sie auszuwerten gedachte. Im Licht des Mondes war ich nicht mehr sicher, ob es sich um eine gute Idee handelte. Überzeugt, niemandem davon erzählen zu dürfen und den Kreis der Wissenden auf Rob und mich beschränkt zu halten, bis ich mir im Klaren war, wie damit umzugehen war, spürte ich jedoch auch, es nicht geheim halten zu dürfen.

      Lange saß ich grübelnd da, von einem Extrem ins andere fallend. Erst schien ich davon überzeugt, nur die Aufzeichnungen zurückzulassen, die ich nicht lesen konnte. Wenig später erachtete ich es als das beste, alle ausnahmslos mitzunehmen. Doch je länger ich die