„Schon wieder so ein unlogischer Mist. Kein Lebewesen kann auf Travorsa sein Dasein fristen. Die Toteninsel ist unfruchtbar wie die Nullarbor“, hielt mir Rob entgegen.
„Im Übrigen der Name einer Wüste auf der Erde.“
Rob sah mich geringschätzig an. „Ja, genau. Erde.“ Er betonte diesen Namen, als spräche er von einem widerlichen Insekt. „Was für ein merkwürdiger Name! Die Menschen stammen also von dieser Erde. Und dann Vestan! Ich verstehe kein Wort.“
„Willst du im Eiltempo wissen, wie ich mir das ganze zusammenreime?“
Rob zuckte nur mit den Achseln.
„So wie ich es kapiere, haben die Menschen aus welchem Grund auch immer irgendwann jene Erde verlassen. Mit Hilfe dieser Sternenschiffe. Vermutlich um andere Welten zu besiedeln. Vestan scheint nur eine davon zu sein. Gondwana eine weitere.“ Rob zuckte erneut mit den Achseln. Er machte es sich genau so wenig leicht wie ich. „Grob geschätzt sind sie vor eineinhalbtausend Jahren von Vestan aufgebrochen und nach 752 Jahre währender Reise hier auf Gondwana gelandet. Sie schufen neue Siedlungen, gerieten aus irgendwelchen Gründen in Streit und teilten sich. Einige zogen nach Süden, nach Laurussia, und gerieten mit den dort lebenden Opreju in Konflikt, der in den Großen Krieg mündete. Klingt einleuchtend, oder?“
„Ja, genau. Viel zu einleuchtend.“
„Das finde ich auch. Aber wie gesagt, so reime ich es im Augenblick zusammen. Lass mir noch etwas Zeit, da sind noch viele Schriften zu sichten. Sieht nach wochenlanger Arbeit aus.“
Rob schnaubte verächtlich. „Morgen hat das erst einmal ein Ende. Das Boot ist fertig. Ich denke, wir können in aller Frühe aufbrechen.“ Damit war das Thema für ihn erledigt.
Bis Sonnenuntergang widmete ich mich einer Art Tagebuch, das ganz zuunterst in dem Stapel lesbarer Schriften lag. Es handelte sich um das einzige Buch seiner Art, das private Aufzeichnungen enthielt. Umso mehr interessierte es mich. Philip J. Patterson aus Kelvin, Laurussia, entführte in eine Welt, die vor Jahrhunderten untergegangen war, von deren Existenz die verbliebene Menschheit Gondwanas nichts wusste oder am Ende vielleicht nichts wissen durfte. Welchen Kenntnisstand hatte ich schon von Laurussia, bevor mir dieses Tagebuch in die Hände gefallen war? Nicht den geringsten. Nach Lektüre desselben sah das Ganze etwas anders aus. Demnach musste Laurussia das zweite große Siedlungsgebiet der Menschen gewesen sein, mit der Hauptstadt Hyperion, der sogenannten Weißen Stadt, im Jahre 278 von den Opreju eingenommen und zerstört. Kelvin, eine weitere Siedlung im Süden Laurussias, war bereits Jahre früher ebenfalls von den Opreju vernichtet worden. Über sie wusste ich rein gar nichts, las ich ihren Namen doch heute zum ersten Mal. Umso mehr glaubte ich, in diesem Tagebuch kostbare Einblicke in eine unbekannte Welt zu finden, eine Welt, die es eigentlich gar nicht geben durfte. Anfangs blätterte ich ziellos darin, einige der in vielen Teilen bereits nicht mehr entzifferbaren Passagen lesend, andere überfliegend. Der älteste Eintrag ging zurück auf den 1. Januar des Jahres 231, der letzte endete im April 233. Und gerade die letzten Passagen waren es, die mich ganz in ihren Bann zogen.
31.04.233
Heute Mobilmachung. Der Kampf beginnt. Zusammen mit einer ganzen Schar kriegsbegeisterter Kameraden und Hunderter Skiavos marschieren wir los, um Kelvin zu verteidigen. Es ist so aufregend. Wir beziehen im Westen und Norden Stellungen, die die Stadt (------ nicht mehr lesbar -------) unseren Aufgaben zählt vor allem, Gräben auszuheben und Fangzäune zu errichten, um feindliche Offensiven so lange wie möglich aufzuhalten, damit (------ nicht mehr lesbar -------) eliminiert werden können. Es ist berauschend, endlich etwas Sinnvolles zu tun. Mache mir Sorgen um Mutter. Der herannahende Krieg verschlechtert ihren Zustand dramatisch.
32.04.233
Ganze Einheiten Skiavos führen die härtesten Jobs unter unserer Regie aus. Habe das Gefühl, sie gehorchen unseren Befehlen nur widerwillig. Jay vertraut mir an, dass er eine Meuterei befürchtet, aber ich glaube nicht recht daran. Es gibt jetzt nur einen Feind, und das schweißt uns mit den Skiavos zusammen.
37.04.233
Gestern Nacht ist sie gestorben. Bin nach Hause zurückgekehrt. Auf Betreiben (------ nicht mehr lesbar -------) dienstuntauglich gestellt. Wehre mich nicht sonderlich dagegen. Die Beerdigung erlebe ich wie in Trance. Kann nicht weinen, kann nicht trauern. Bin gelähmt und leer. Alles macht noch weniger (------ nicht mehr lesbar -------)
40.04.233
Bin heute an die Front zurück. Innerhalb der wenigen Tage meiner Abwesenheit sind die Arbeiten weit vorangeschritten. Komme in meine alte Einheit. Noch mehr Skiavos sind nun hier, bilden Rotten, mischen sich nicht mehr unter uns. Frage mich, wo die alle herkommen! Man erwartet in Bälde einen Angriff. Egal, Hauptsache, es passiert etwas. Mutter, kannst du mich hören? Kannst du mich sehen? Wo bist du jetzt? Ich denke Tag und Nacht an dich. Werden wir (------ nicht mehr lesbar -------)
02.05.233
Heute Nacht erste Feindberührung. Jay meint, es sei wohl nur ein Spähtrupp gewesen. Aufgrund der schlechten Wetterverhältnisse kamen drei (------ nicht mehr lesbar -------) im schwer zu überwachenden Abschnitt B4 direkt an den Zaun heran, machten aber (------ nicht mehr lesbar -------) Alarmposten von ihnen attackiert, drei leicht Verletzte auf unserer Seite. Es gehen Gerüchte, dass keine Unterstützung aus Hyperion zu erwarten ist. Fluggerät ist rar geworden. Bin sicher, der Norden befindet sich bereits im Krieg, nur sagt man uns nichts davon. Mir ist alles egal. Wenn das Ende kommt, dann bitte schnell. Bald sind wir wieder vereint, du und ich.
03.05.233
Der Zaun in unserem Abschnitt steht. Habe Bekanntschaft mit Frank Wills gemacht, einem ziemlich durchgeknallten Holzfäller aus Kellswater. Er spricht nur noch von Krieg. In ruhigeren Momenten bricht aus ihm die Verzweiflung über die aussichtslose Lage heraus. Ohne Hilfe aus dem Norden hätten wir keine Chance, so sagt er. Es werde auch keine kommen. Was schert es die Bastarde in Hyperion, wenn Angmassab zum Teufel geht? Die haben (------ nicht mehr lesbar -------) nie um uns geschert. Ich glaube ihm. Jay meidet Frank, er hält ihn für (------ nicht mehr lesbar -------)
Die Sonne ging unter. Ich überblätterte zwei Seiten und widmete meine ganze Aufmerksamkeit dem letzten, an vielen Stellen unleserlichen Eintrag, dem keine Datumsangabe voranging.
Jay ist (------ nicht mehr lesbar -------) gestikulierend stürmte er herein (------ nicht mehr lesbar -------) zu Boden, sein Gesicht ist rot wie eine überreife Tichina, als hätte ihn jemand mit Lackfarbe beschmiert. Er schreit herum, alle seien tot. Ich habe uns in der Baracke verbarrikadiert und (------ nicht mehr lesbar -------) wieder Schreie draußen... manchmal auch Schüsse... es sind wohl doch nicht alle tot. Weiß nicht, was ich tun soll. Habe Jay aufs Bett gelegt, sein Gesicht ist immer noch feuerrot, als wäre seine Haut verbrannt, aber sie ist kühl und eigenartig feucht. Fühle mich so hilflos. Er ist nicht ansprechbar, starrt nur