„Ihr habt es wirklich eilig“, bemerkte Finn mit geringschätzigem Blick. Ihm entging keine Sekunde, wie Krister dem Ledersäckchen, welches er jetzt an einer Schnur um den Hals trug, eine kleine schwarze Perle entnahm und dem Wirt als Bezahlung offerierte.
„Lass gut sein! Ich habe euch eingeladen“, warf Grünauge mürrisch dazwischen. „Eine Schwarzperle für zwei Korma? Du machst uns hier die Preise kaputt, Fremder!“
Krister sah ihn fest an, er machte aus seiner Abneigung keinen Hehl mehr.
„Ich bleibe niemandem etwas schuldig, wenn ich es nicht muss“, sprach er und erntete dafür einen verächtlichen Blick. „Angenehmen Abend noch!“
Wir standen auf und gingen. Auf dem Weg nach draußen lauschte ich den Reaktionen, doch gab es keine. Unser Weggang wurde mit Schweigen quittiert.
„So ein Idiot.“ Krister war in der Tat aufgebracht. „Welches Recht glaubt er zu haben, ein derartiges Verhör zu führen?“
„Vergiss ihn! Jetzt wird gepennt und morgen früh geht’s weiter. Wir hätten erst gar nicht mehr in diese dumme Taverne gehen sollen. Hoffentlich finden wir jetzt im Dunkeln das Mataki.“
Es war in der Tat stockduster geworden. Zwar drang Licht aus den Fenstern der umliegenden Häuser, doch war es bei weitem nicht ausreichend, um genügend zu erkennen. Ich zählte im Geiste hundert Schritte und sah mich dann um. Nichts. Der Versuch, einen Passanten aufzuhalten, scheiterte kläglich. Auf meine Frage bekam ich keine Antwort, und als ich mich anschickte, ihm nachzugehen, rannte er ängstlich davon.
Achselzuckend gingen wir weiter und erreichten alsbald einen düsteren, gepflasterten Platz. Hier waren wir mit Sicherheit noch nicht gewesen, mussten am Ziel vorbeigelaufen sein. Also wieder zurück. Wir hielten uns dicht an den Wänden der rechten Straßenseite und begutachteten jedes Haus, das wir passierten. Eines davon musste das Mataki sein!
Zweimal war mir so, als hörte ich hinter mir Kies knirschen, als hielte sich jemand in unmittelbarer Nähe auf. Doch sah ich nichts, und auch Krister, der glaubte, etwas wahrgenommen zu haben, konnte in der Dunkelheit beim besten Willen nichts ausmachen. Unschlüssig blieben wir einen Augenblick stehen und lauschten.
Nichts.
„Jetzt leiden wir schon an Verfolgungswahn“, hörte ich ihn frustriert stöhnen. „Als nächstes fürchten wir uns noch vor dem schwarzen Mann. Eins schwöre ich dir, Jack, nie wieder Korma!“
Es war aber auch zu dämlich. Diese bescheuerte Herberge ließ sich nicht finden, dabei konnten wir unmöglich weit entfernt sein. Ich nahm mir das nächste Haus vor, unverkennbar ein Eckhaus. Damit schied es schon aus. Rechts davon mündete eine kleine, rabenschwarze Gasse, die sich wie ein gähnender Rachen auftat. Ich spähte fröstelnd in die Finsternis hinein. Wieder hatte ich das unbehagliche Gefühl, jemand hielt sich in unmittelbarer Nähe auf, auch wenn ich rein gar nichts sah oder hörte.
„Wer ist da?“ rief ich in die Dunkelheit der Gasse hinein. Alles blieb ruhig. Dumm, wer eine Antwort erwartete. Sollte jemand hier mit bösen Absichten lauern, würde er sich wohl kaum selbst verraten. Ich löste mich von der Hauswand und überquerte die Einmündung. Erneut knirschte es deutlich vernehmbar hinter mir. Drehte ich jetzt völlig durch? Spielte mir der Alkohol in meinem Blut einen garstigen Streich?
„Na, haben wir uns verlaufen?“ hörte ich eine spöttische Männerstimme dicht hinter mir. Ich wirbelte auf der Stelle herum und sah den Knüppel schon auf mich zurasen. Hastig zog ich den Kopf zur Seite und konnte auf diese Weise wenigstens den Schädel aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich bringen. Dafür traf der wuchtige Hieb ungebremst die linke Schulter. Schreiend ging ich zu Boden, rollte mich instinktiv Richtung Straßenmitte ab und kam wieder auf die Beine. Meine Schulter schien Feuer gefangen zu haben. Dank des explosionsartigen Schmerzes war ich mit einem Schlag stocknüchtern. Alle Sinne schalteten im Nu auf Verteidigung um. Ein Stück neben mir hörte ich Krister fluchen und dann unverkennbare Kampfgeräusche. Es waren also mehrere.
Verdammt!
In dieser Dunkelheit war verwünscht wenig zu erkennen. Knirschender Kies direkt vor mir, ein huschender Schatten. Ich tauchte nach rechts weg und ließ das linke Bein auf gut Glück hochschnellen.
Treffer!
Wie es sich anfühlte, hatte ich meinen Gegner in den Unterleib getroffen, aber bei weitem nicht kräftig genug, um ihn loszuwerden. Als ich auf die Füße sprang, spürte ich einen Windhauch haarscharf an meiner rechten Wange vorbeisausen. Das war knapp! Dieser Bastard musste über Katzenaugen verfügen, er wusste offensichtlich zu jeder Zeit, wo ich mich befand, während ich rein gar nichts sah. Noch mehr Gelegenheiten mich auszuschalten wollte ich ihm nicht mehr zugestehen!
Auf Verdacht katapultierte ich mich in die Richtung, in der ich meinen Widersacher vermutete und prallte auch sofort gegen ihn. Wie merkwürdig leicht und schmächtig er sich anfühlte. Mich in seine Kleidung krallend riss ich ihn wuchtig mit zu Boden, inständig hoffend, dass er kein Messer in den mordlustigen Pfoten hielt.
Fluchend und ächzend rollten wir über das Pflaster, und als ich auf ihm zu liegen kam, fand meine Linke seine Kehle. Ich packte kräftig zu und schickte meine Rechte auf die Reise. Planmäßig fand sie ihr Ziel. Mit einem letzten Röcheln erschlaffte der Körper unter mir. Okay, einer weniger!
„Krister, wo bist du?“ keuchte ich in die Dunkelheit und lauschte.
„Hier!“ kam es aus unmittelbarer Nähe.
„Bist du in Ordnung?“
„Alles in Ordnung. Und bei dir?“
„Bestens! Mein Baby schläft bereits.“
Krister lachte missmutig. „Meins auch. Das dritte hat das Weite gesucht.“
Es waren demnach drei gewesen. Ich staunte nicht schlecht, als sich mein Opfer als der dürre Kerl mit der langen Nase aus der Taverne entpuppte. Wetten hätte ich darauf abgeschlossen, simplen Wegelagerer in die Hände gefallen zu sein, die zufällig unseren Weg kreuzten.
Krister hielt einen kleinlauten Finn in eisernem Griff, der bei Bewusstsein war und mich hasserfüllt anstarrte. Seine lädierte linke Schläfe sah aus, als hätte ihn eine Moaklaue gestreift. Da hatte wohl jemand Kristers Wehrhaftigkeit maßlos unterschätzt. Zornig packte ich ihn am Kragen und zog die blutige Visage zu mir heran.
„Was sollte das denn? Aus welchem Grund habt ihr uns überfallen?“
Finn kniff beide Augen zusammen, als erwartete er weitere Schläge.
Krister hielt mich zurück.
„Lass gut sein, Jack! Hier, das war der Grund.“ Und er hielt mir das Säckchen mit den Perlen entgegen. Die Schnur, die es um seinen Hals gehalten hatte, war gerissen. „Reine Gier war es. Aber es lief nicht ganz nach Plan, nicht wahr?“ Er schüttelte den überwältigten Angreifer wie eine nasse Ratte. Grünauge wimmerte wie ein verängstigter Welpe.
„Mieser kleiner Straßenräuber! Was machen wir jetzt mit den beiden?“ Ich war einigermaßen ratlos.
„Nichts, nehme ich an. Von denen geht keine Gefahr mehr aus. Das Dumme ist nur, sie wissen wo unsere Unterkunft ist. Noch dümmer ist, dass dieser Saukerl offenbar mit unserer Wirtin verlobt ist. Ich denke, mit der Nachtruhe auf einem weichen Lager dürfte es vorbei sein.“
Ich dachte ähnlich. Wir konnten es kaum noch riskieren, die Nacht im Mataki zu verbringen. Krister schickte den winselnden Finn mit einem gezielten Fausthieb „schlafen“, wie er es nannte, und zusammen schleiften wir die beiden besinnungslosen Halunken an den Straßenrand.
Wo war das verfluchte Gästehaus? Nicht ein Mensch begegnete uns mehr. Traute sich in Van Dien nach Einbruch der Dunkelheit niemand mehr aus dem Haus? Wir hangelten uns von Gebäude zu Gebäude – und fanden es endlich. Aufatmend rüttelte ich an der Türe, die natürlich verschlossen war. Erst nach mehrmaligem Poltern rührte sich etwas.
Mir kam ein Gedanke. „Glaubst du, dieser Amny können