Was hatte er zu ihr gesagt, als er gegangen war, vielleicht konnte sie darauf Bezug nehmen? Doch sie konnte sich nur vage daran erinnern, weil sie viel zu sehr verschlafen gewesen war. Irgendetwas über das Zimmer, das bezahlt sei …? Ja, das war es gewesen. Aber dazu etwas schreiben? Nein.
Dann fiel der Polizistin in ihr etwas anderes auf: nicht etwa das, WAS er gesagt hatte, sondern WIE er es gesagt hatte! Und grinsend tippte sie die Worte in ihr Display: „Guten Morgen. Du hast einen Fehler gemacht! Jetzt kenne ich ein weiteres Geheimnis von dir: dass du unter anderem sehr gut Deutsch sprichst … LG Miriam“
Bereits kurze Zeit später erhielt sie seine Antwort – ebenfalls in Deutsch geschrieben: „Du hast mich ertappt.“ Der Rest des Textes war in Arabisch, eine Grußformel und gute Wünsche.
Miriam musste lächeln. Dieser mühelose Wechsel der Sprache war so typisch für ihn. Aber der deutsche Teil rief Zweifel in ihr hervor: War es wirklich ein Versehen gewesen, dass er Deutsch gesprochen hatte?
Dann merkte sie, dass das genau seine Absicht gewesen war – sie zu verwirren. Und erneut war sie ihm auf den Leim gegangen. Lächelnd duschte sie sich, zog sich an, gönnte sich noch ein ausgiebiges Frühstück und machte sich auf den Weg zur Arbeit.
Als ihre Kollegen ihre ausgesprochen gute Laune bemerkten, wollten sie sie mit allerlei anzüglichen Bemerkungen über ihren gestrigen Tag necken. Es hatte sich natürlich herumgesprochen, warum sie so kurzfristig zu diesem besonderen Fall gerufen worden war.
Doch sie nahm ihnen allen den Wind aus den Segeln, indem sie antwortete: „Was wollt ihr? Ich habe luxuriös gegessen und hatte danach den besten Sex meines Lebens!“
Sprachlos starrten ihre Kollegen sie an. War das ihr Ernst? Und wenn ja, warum teilte sie es ihnen so offen mit? So brachten ihre Bemerkungen die Kollegen zum Schweigen und die Männer zum Grübeln. Das hatte sie von Rayan gelernt.
Grinsend machte sie sich an ihre Arbeit.
05.02.2015 - Hummers Haus in Alessia - Terminplanungen
Rayan betrat vom Haus aus den Garten von Hummers Anwesen und ging zu dem kleinen Pavillon, von dem man ihm gesagt hatte, dass er dort Carina finden würde.
Von weitem nahm er sich einen Moment Zeit, Carina in Ruhe zu betrachten. Er liebte diese Frau noch immer. Was auch immer er inzwischen mit anderen Frauen gehabt haben mochte – es waren alles Flüchtigkeiten gewesen. Niemals war ihm eine Frau derart unter die Haut gegangen wie Carina. Noch nicht einmal Amina, Tahsins Mutter, die er ebenfalls geliebt hatte, hatte die gleiche Macht über ihn besessen.
Doch durfte er sich jetzt nicht von diesen Gefühlen beeinflussen lassen. Sein Entschluss stand fest.
Er trat leise an die Liege, auf der sie es sich mit einer Decke zum Lesen bequem gemacht hatte. Es war ein typischer Wintertag mit etwa 25 Grad.
Wie von ihm beabsichtigt, bemerkte sie ihn erst, als er direkt neben ihr stand. Sie schreckte von ihrer Lektüre auf. „Rayan, Gott sei Dank, es geht dir gut!“, so gut es mit ihrem bereits merklich runden Bauch ging, stand sie auf. Rayan widerstand der Versuchung, ihr dabei zu helfen.
Er entgegnete nichts und schaute sie stattdessen nur kühl an. „Hallo Carina“, war alles, was er ihr entgegnete. Sie hatte Deutsch gesprochen, doch er antwortete in Arabisch. Es war das perfekte Mittel, seinen Wunsch nach Distanz zum Ausdruck zu bringen.
„Was ist in München passiert? Hast du Probleme gehabt mit der Polizei?“, fragte sie mit einer Mischung aus Neugier und Besorgnis. „Immer ganz die Reporterin“, fuhr es Rayan durch den Kopf.
Es trug keineswegs dazu bei, seine Laune zu verbessern.
Laut sagte er nur: „Nein, keine Probleme – wie du siehst, bin ich hier. Ich bin gestern mit dem Flieger aus Dubai hier angekommen.“ Er wollte sie wissen lassen, dass sie keineswegs sein erstes Ziel nach seiner Ankunft gewesen war, sondern er sich im Gegenteil sogar Zeit gelassen hatte, um nach ihr zu sehen. An ihrem Blick konnte er sehen, dass es sie verletzte – ganz wie er beabsichtigt hatte.
Doch Carina ließ sich nicht entmutigen, sie kannte ihn und seinen Stolz inzwischen gut genug, dass sie eigentlich mit nichts anderem gerechnet hatte.
Darum fuhr sie gelassen im Plauderton fort: „Ja das hab ich bereits gehört, du wolltest zuerst ins Krankenhaus, um nach den Ergebnissen der Proben der Attentäter zu fragen. Und? Habt ihr etwas herausgefunden?“
Ein wenig hämisch stellte sie fest, dass Rayans Augen blitzten. Es war ihm überhaupt nicht recht, dass sie derart detailliert informiert war.
Rayan nahm sich vor, mit dem Anführer der Wachen, die Ruhi zu Carinas Schutz abgestellt hatte, ein ernstes Wort zu reden. Denn diese Information konnte ja nur von einem der Aufpasser stammen. Der würde sich warm anziehen müssen.
Als Rayan nicht antwortete, drängte Carina weiter: „Nun komm schon, schließlich bin ich auch persönlich betroffen. Was schätzt du, bis wann ihr die Hintermänner gefunden habt? Ich möchte wieder nach Hause – nach München und in meine eigene Wohnung!“
„Ach weißt du“, antwortete Rayan gedehnt, denn das Gespräch nahm genau den Verlauf, den er geplant hatte und er holte langsam zu seinem Höhepunkt aus. „Den Namen des Hintermannes hat uns der Anführer in München ja freundlicherweise verraten. Das vereinfacht und beschleunigt die Dinge …“ Und mit einer gewissen Genugtuung sah er die Erleichterung in Carinas Gesicht. Sie hoffte auf eine baldige Heimkehr nach Deutschland. Noch.
Abrupt wechselt er das Thema: „Wie ich höre, war der Arzt mit deinem Gesundheitszustand höchst zufrieden? Dem Baby fehlt nichts?“
Carina war verblüfft über den schnellen Themenwechsel. Doch dann antwortete sie, ehrlich erfreut über sein Interesse: „Ja, alles bestens. Danke.“
„Und der Arzt hat deinen Zuspruch gefunden? Bei dieser Art von Untersuchungen ist es ja auch wichtig, dass sich die Mutter auch wohl fühlt …“, er ließ den Satz etwas verlegen verklingen.
Ebenfalls peinlich berührt lachte Carina kurz auf. „Ja, er war ganz bezaubernd. Sehr sympathisch. Ich bin Hanif sehr dankbar, dass er so besorgt um mich war und auf dieser Untersuchung bestanden hat.“
Von wegen Hanif, dachte sich Rayan, in dessen Auftrag die Untersuchung durchgeführt worden war. Aber diese Information behielt er noch für sich.
Carina dachte, mit ihrer Bestätigung sei das Thema abgeschlossen, aber Rayan hakte nochmals nach: „Und es hat dir nichts ausgemacht, dass es ein Mann war? Oder wäre dir die Behandlung durch eine Frau lieber?“
Sie war verwirrt, wieso stellte Rayan ihr diese Fragen?
„Nein, das ist schon in Ordnung. In München gehe ich ebenfalls zu einem männlichen Frauenarzt.“
Rayan nickte zufrieden: „Dann ist ja alles prima. Denn weißt du, du hast vorhin danach gefragt, wie lange es wohl dauern wird, bis wir die Männer erwischen. Doch dies ist nur die eine Zeitkomponente, was deinen Aufenthalt hier angeht.“ Er hielt kurz inne, um sicherzugehen, dass er Carinas volle Aufmerksamkeit hatte. In ihren Augen konnte er eine Ahnung aufkeimen sehen und setzte nach: „Der andere Zeitpunkt ist der Termin der Entbindung. Etwa 10. Mai, nicht wahr?“
Letzteres war natürlich eine rhetorische Frage, denn der Arzt hatte ihm das Datum bereits bestätigt.
Misstrauisch beantwortete Carina die Frage trotzdem: „Stimmt. Was soll das bitte heißen?!“
Rayan machte sich nicht die Mühe, den Triumph aus seiner Stimme zu verbannen, als er ihr antwortete: „Dass du bis zur Entbindung hier bleibst natürlich. Danach kannst du gehen.“
Er betonte das Wort „du“ derart, dass kein Zweifel aufkommen konnte, dass diese Erlaubnis nicht für das Baby galt.
Carina riss die Augen auf und holte Luft um ihrer Entrüstung Ausdruck zu verleihen. Doch er kam ihr zuvor: „Was denn? Überrascht dich das wirklich?! Du hattest vor, mir mein