für die anderen würde er auf dem heißen Stein der Kochstelle gut
durchbraten, er selbst bevorzugte es, wenn das Fleisch noch ein wenig blutig
war. Er blickte auf, als seine Schwester Leoryn eintrat. »Hast du
Myrrgenkraut gefunden?«
Leoryn lachte ungezwungen. »Welche Frage. Der Strauch, an dem man es
findet, wächst hier doch überall, und ich weiß, wie sehr Mutter den
Geschmack des Krautes liebt. Du hast übrigens dein Gewand beschmutzt.«
»Mutter wies mich schon darauf hin.« Lotaras nahm etwas Kraut, das auf
dem Stamm eines bestimmten Strauches wuchs. Strauch und Kraut waren
eine Symbiose eingegangen: Der Strauch ernährte das Kraut, und dieses
sonderte einen Duft ab, der Insekten fernhielt. Er sah auf die Sammeltasche
seiner Schwester. »Süßholz?«
»Ich weiß doch, wie sehr du es magst.« Leoryn holte die Wurzeln hervor,
und als Lotaras nach einer von ihnen griff, zog sie das Süßholz rasch zurück.
»Nein, nicht jetzt, Lotaras. Du weißt, dass es unser Nachtisch werden soll.«
»Ich wollte nur prüfen, ob es etwas taugt.«
Leoryn biss spöttisch in eine der Fasern. »Es ist gut. Du kannst mir
glauben.«
Lotaras blähte empört die Wangen. »Du bist schrecklich grausam,
Schwester.«
Sie lächelte ihn schelmisch an. »Noch grausamer wäre es, dich kosten zu
lassen. Denn dann würdest du es nicht mehr bis zum Essen aushalten. Die
Wurzeln sind wirklich schrecklich süß.«
Sie mussten beide lachen, und während Lotaras das Fleisch zubereitete,
dessen würziger Duft den Wohnraum zu erfüllen begann, zerstieß Leoryn die
weichen Wurzeln und vermischte sie mit Pflanzensaft zu einem Brei. Ihre
Eltern waren in der Bibliothek, wo sie leise miteinander sprachen, und die
Geschwister spürten, dass es Neuigkeiten gab.
Wenig später saßen die vier Elfen um den gedeckten Tisch herum, und
noch während sie Braten, Gemüse und den Salaten zusprachen, schielte
Lotaras begierig zum Süßwurzelbrei hinüber. Zu trinken gab es gegorenen
Beerensaft, dessen Alkoholgehalt einen Angehörigen des Menschenvolkes in
kürzester Zeit sturzbetrunken gemacht hätte. Doch die Elfen konnten das
sanfte Prickeln des Alkohols genießen, ohne dass er selbst bei
hochprozentigen Getränken ihre Sinne oder Reflexe trübte.
»Ihr wisst, dass unser elfisches Volk sich auf die große Reise über das
Meer vorbereitet«, begann Elodarion unvermittelt und tauchte seine
Fingerspitzen zum Säubern in eine Wasserschale. »Es weicht der großen
Vermehrung und Ausdehnung der Menschenwesen in den hiesigen Gefilden.«
»Und den Gefahren durch den Schwarzen Lord«, murmelte Lotaras, was
ihm einen mahnenden Blick der Mutter einbrachte.
»Einst waren wir viele und stemmten uns gegen die Gefahr der dunklen
Mächte«, sagte Elodarion leise. »Doch nun sind wir nur noch wenige, und der
Kampf gegen das Dunkle muss von den Menschenwesen weitergeführt
werden. Wir stehen ihnen bei, so gut wir es vermögen, Lotaras, aber wir
müssen auch an den Fortbestand unserer elfischen Häuser denken. Als wir
zum ersten Mal zusammen mit den Menschenwesen gegen die Horden der
Orks des Schwarzen Lords antraten, waren unsere Häuser noch zahlreich, und
wir brachten Zehntausende von Kämpfern in die Schlacht. Heute jedoch kann
man die Zahl unserer Häuser an den Fingern zweier Hände abzählen.«
»Also fliehen wir und überlassen die Menschenwesen ihrem Schicksal.«
Eolyn wollte Lotaras zurückhalten, aber Elodarion nickte. »So könnte man
es sehen. Aber wir tun es nicht aus Gleichgültigkeit den Menschenwesen
gegenüber. Unsere Kraft lässt nach, meine Kinder, während die der
Menschenwesen größer wird. Ja, sie werden zahlreicher und stärker und
treten so in die Spuren unserer Häuser. Oh, das einzelne elfische Wesen ist
noch immer stark, aber unsere Zahl verringert sich. Der lange Kampf über so
viele Jahrtausende hat viele Leben gekostet, und uns wird nur selten die
Gnade der Geburt zuteil.« Elodarion sah seine Kinder liebevoll an. »Ihr wisst
selbst, welch seltenes Glück ihr für das Haus Elodarions seid.«
Eolyn, die den wiederholten Blick des Sohnes zu der Schüssel mit
Süßwurzelbrei bemerkt hatte, nickte lächelnd. Lotaras grinste breit und zog
die Schüssel zu sich heran. Er liebte Süßspeisen, das hatte sich in den
fünfhundert Jahren seines jungen Lebens nicht geändert, und Eolyn lächelte
verständnisvoll, als er den Brei verteilte und sich dabei den üblichen
Extralöffel auf den Teller gab. Lotaras verschlang den ersten Löffel und sah
dann seinen Vater zwinkernd an. »Also hast du mit ihnen gesprochen.«
Elodarion lachte bitter auf. »Ja, das habe ich.«
Leoryn stieß einen begeisterten Schrei aus. »Dann werden wir sie
wiedersehen!«
»Das werdet ihr«, versicherte Elodarion und spürte wehmütig die
Begeisterung seiner Kinder. Sie waren noch so jung, dass sie noch gar nicht
sahen, welche seelische Last das Wiedersehen mit sich bringen würde. »Ihr
werdet eure Freunde wiedersehen.«
»Die Pferdelords«, sagte Lotaras mit breitem Lachen. »Garodem und
Larwyn.«
»Und den kleinen Dorkemunt«, stimmte Leoryn zu. »Und Nedeam. Und
Meowyn, die Heilerin.«
Elodarion räusperte sich und sah seine Kinder streng an. »Es wird keine
Vergnügungsreise werden, meine Kinder. Euer Aufbruch hat einen ernsten
Hintergrund und dient einem anderen Zweck. Daran müsst ihr denken, wenn
ihr die menschlichen Wesen wiederseht.« Er klopfte nachdenklich mit den
Fingern auf die polierte Platte aus Steinholz. »Ihr