mich auf Mittheilung dessen, was sagenhaften
Ursprungs und Herkommens ist. Deßgleichen
bleibt auch das M ä r c h e n von dem Bereiche dieses
Buches ausgeschlossen. Es unterscheidet sich wesentlich
von der Sage, indem es reines Spiel der Phantasie
ist, während jene – wenn auch nur mit losen Fäserchen
– auf historischem Grund und Boden haftet.
Wie die Vollständigkeit dieser Sammlung ohne
Abdruck oben verzeichneter Monographieen angestrebt
wurde, lehrt am Besten der Augenschein. Ich
bemerke nur Folgendes. Viele der hier gesammelten
Sagen, die bereits in oben erwähnten Schriften gedruckt
erschienen, sind doch keineswegs aus diesen,
sondern aus den ursprünglichen Quellen entlehnt, was
ganz einfach durch meine Quellenangaben, die bei
jenen fehlen, erwiesen wird. In Mittheilung neuer, d.h.
in jenen Monographieen zuerst erzählter Sagen, hielt
ich verhältnißmäßig das Maaß ein, welches die Verfasser
dieser Schriften ihren Vorgängern gegenüber
eingehalten haben. So nahm B e c h s t e i n eine
Reihe von Sagen aus M o n e ' s Anzeiger (ohne jedoch
die Quelle zu nennen), deßgleichen P a n z e r
eine Anzahl aus Bechsteins Sammlung. Häufig wiederkehrende
Sagen, die auch bereits von Andern gesammelt
waren und keine neuen und wichtigen Züge
darboten, sind nur einmal oder auch gar nicht aufgenommen,
sobald sie namentlich den Charakter alltäglicher
Spuk- und Gespenstergeschichten trugen12.
Denn wer da alle Geschichten von verwünschten
Schätzen, schwarzen Hunden, feurigen Männern, umgehenden
Geistern auflesen und nacherzählen wollte,
der würde in jedem Pfarrsprengel sattsames Material
zu einem Sagenbuche finden. Im Uebrigen verfuhr ich
meinen Vorgängern gegenüber in der von G r i m m
(D.S. II., Vorr. S. XXII. u. XXIII.) angedeuteten
Weise.
Das äußere Gebiet dieser Sammlung bezeichnen
die Grenzen des Königreichs Bayern in seiner jetzigen
Gestalt. Nur wo der Zusammenhang es erforderte,
oder die jenseits lebende Sage auch diesseits vorkam,
fand ausnahmsweise Ueberschreitung der politischen
Grenze statt.
Bei der A n o r d n u n g konnte das alphabetischtopographische
Princip zu Grunde gelegt werden. Das
wäre zum Nachschlagen bequemer, auch für Einsicht
in den Sagenschatz eines Ortes dienlich gewesen. Dagegen
war zu bedenken erstens, daß bei solcher Anordnung
ganze Sagenkreise, wie von Karl dem Großen,
auseinander fielen; zweitens, daß sehr viele
Sagen nicht einem bestimmten Orte, sondern einer
ganzen Gegend, einem Berg- oder Flußgebiete, einem
Geschlechte u.s.w. angehören.
Weiter konnten die Sagen nach der inneren Zusammengehörigkeit
und Verwandtschaft geordnet werden.
Auch dieses Princip ließ in sehr vielen Fällen keine
Anwendung zu aus dem einfachen Grunde, weil keine
Zusammengehörigkeit vorhanden ist. Ich glaube, daß
auch hier die G r i m m den richtigsten Weg eingeschlagen
haben, indem sie keine Ordnungsweise,
weder die örtliche, noch die inhaltliche, noch, bei geschichtlichen
Sagen, die chronologische steif und
hartnäckig befolgten, sondern diejenige Anreihung der
Sagen für die natürlichste und vorteilhafteste hielten,
»welche überall mit nöthiger Freiheit und ohne viel
herumzusuchen,« unvermerkt auf einige geheim und
seltsam waltende Uebergänge führt. Solche Uebergänge
sind bald innere, bald äußere. Mir schien die
Rücksicht auf äußere vorwalten zu müssen, weil ein
Uebergewicht innerer Zusammengehörigkeit die Leser
ermüden würde, wie wenn z.B. eine große Anzahl
Zwergsagen oder Wundersagen oder Versteinerungssagen
zusammengehäuft wäre. Zum Theil aus demselben
Grunde sind d i e S a g e n e i n e s u n d
d e s s e l b e n O r t e s n i c h t z u m a l u n d
z u s a m m e n g e l i e f e r t , was auch weder thunlich
noch nothwendig war; thunlich nicht, weil alsdann,
wie schon bemerkt, gewisse Sagenkreise zerrissen,
auch später einlaufende Mittheilungen dennoch
nachgetragen werden müßten; nothwendig nicht, weil
die aus topographischer Zusammenordnung ersprießenden
Vortheile für Uebersicht und wissenschaftliche
Benützung ebensowohl durch Register erzielt werden
können. Solcher Register gedenke ich d r e i am
Schlusse der Sammlung zu verfertigen. Einmal soll
ein vollständiges t o p o g r a p h i s c h e s V e r -
z e i c h n i ß die geographische Vertheilung der
Sagen sowie den Sagenreichthum jedes Ortes veranschaulichen;
ferner soll ein S a c h r e g i s t e r die Benützung
des Materials für wissenschaftliche Zwecke
erleichtern; endlich soll ein V e r z e i c h n i ß d e r
D i c h t e r , von welchen die Sammlung Beiträge enthält,
ein literärgeschichtliches Interesse befriedigen.
Nach dieser Zusicherung werden die Leser Nichts dawider
haben, wenn ich sie auf einer Reihe von Wanderungen
durch die Gauen des Vaterlandes geleite,
bald dahin bald dorthin ablenkend, bald dem Laufe
eines Stromes, bald dem Zuge eines Gebirges folgend,
mit aller Freiheit und Unbedenklichkeit. Nur so konnte
schon der Erste Band Sagen aus allen Theilen des
Königreiches liefern, während außerdem die Leser in
Franken oder der Pfalz nur altbayerische oder schwäbische
Sagen erhalten hätten. Wenn also die Sagen
eines Ortes, z.B. Nürnbergs im ersten Bande nur
theilweise oder gar nicht mitgetheilt worden, so folgt
daraus nur, daß man sie im nächstfolgenden Bande zu
erwarten habe.