nicht nur bayerischer, sondern deutscher Volkspoesie,
Geschichte und Sprache, vorab allen denjenigen, die
gerne dem Geräusch des Lebens in die stille Natur, in
die frische Waldeinsamkeit, in das Gebüsch verfallener
Burgen enteilen, um dort den Stimmen der Bergund
Waldgeister, dem Wehklagen verwünschter Jung-
frauen, den Sirenenklängen der Feeen und Nixen ihr
Ohr zu leihen.
Irre ich nicht, so hat unsere neueste Poesie einen
Anfang gemacht, aus der Dürre politischer und socialer
Tendenzreimerei in die frische, einfältige und
wahrhaftige Natur zurückzukehren. Möge sie zur Einsicht
gelangen, welche lebendige und reiche Quellen
ihr auf dem Boden der heimatlichen Sage, dieser reinsten
und tiefsten Volkspoesie, entgegensprudeln.
Fußnoten
1 Jede weitere Mittheilung von Sagen a u s d e m
V o l k s m u n d e wird mir willkommen sein; Sagen
a u s g e d r u c k t e n Q u e l l e n waren mir großentheils
bekannt und s o leider vergebens mitgetheilt.
2 A. K u h n und W. S c h w a t z Norddeutsche
Sagen etc. S. XVIII. Ebendaselbst liest man, wie die
Gensdarmen »dem Aberglauben« zu Leib gegangen.
3 K. bayr. Intelligenzblatt von 1814, S. 30. – Aus
D o c e n s Aufrufe geht hervor, daß er nicht sowohl
die Ortssagen, als die geschichtlichen Heldensagen
vor Augen hatte, indem er folgende, als von ihm bereits
bearbeitete Sagen namhaft macht: die Anklänge
bayrischer Heldensage im Nibelungenlied, die Sagen
von A d e l g e r , A m e l g e r , W o l f r a t von
T e n g e l i n g e n , T h e u d e l i n g e (nach F ü t e -
r e r ) , K a r l d . G . , Herzog N a y m e s und
E r n s t von B a y e r n .
4 Nicht ohne Schuld ihrer süddeutschen Brüder.
5 Daß ich diesem Buch nicht unrecht thue, kann Ein
Beispiel statt vieler zeigen. S. 55 wird eine Sage auf
die L o s b u r g verlegt, welche nicht dem Fichtelge-
birge, sondern Schlesien angehört, wie zu ersehen in
H e n e l i i a b H e n n e n f e l d Silesiographia
renov. c. 11 §. 13 und Ausführl. Beschreib. des Fichtelbergs,
Leipzig 1716 S. 59.
6 Zu beziehen von Kollmann in Augsburg.
7 Z i n g e r l e , Sagen aus Tirol S. III.
8 Vgl. U e b e r d e n e t h i s c h e n W e r t h d e r
d e u t s c h e n V o l k s s a g e n . Von L. Bechstein
1837. Etliche Hauptresultate dieser Schrift: D i e
K i n d h e i t s t e h t u n t e r E n g e l s c h u t z ;
d i e U n s c h u l d u n t e r G o t t e s H u t ; T u -
g e n d f i n d e t i h r e n L o h n , d a s L a s t e r
s t e t s s e i n e S t r a f e ; n i e m a l t d i e
e c h t e V o l k s s a g e d a s L a s t e r r e i -
z e n d ; R e u e v e r s ö h n t , b e d r ä n g t e U n -
s c h u l d w i r d g e r e t t e t u.s.w.
9 Wie wenig ist G r i m m ' s Wort verstanden und beachtet
worden. Kennt unsere » g e b i l d e t e « Jugend
die Sagen von Hellas und Rom nicht besser als die
des Vaterlandes? Und doch ist die deutsche Sage gegenüber
der antiken viel reiner und unschuldiger.
10 Vgl. eine Bemerkung von K. G ö d e k e Elf Bücher
deutscher Dichtung I.S. 259. – Meinem Zwecke
widersprach es nicht, ältere Volkslieder auch nach der
Erneuerung des W u n d e r h o r n s aufzunehmen, da
diese Sammlung kein Liedercodex zu sein beansprucht,
dessen erstes Erforderniß diplomatische
Treue.
11 Vgl. S c h a r d im Vorw. zu Aventins Chronik.
Frankfurt 1566, und A r e t i n s liter. Handb. I., 126.
12 So haben es die Herausgeber der trefflichen
Sammlung: Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche:
K u h n und S c h w a r t z gehalten; vgl.
Vorw. S. XI.
Kapitel 1
1. Die Sage vom Untersberg.
Von A . A . L . F o l l e n . – Der U n t e r s b e r g bei
B e r c h t e s g a d e n auf B a y e r n s und
O e s t e r r e i c h s Grenzscheide, gleich dem
Kyffhäuser ein wahrer Königspalast der Sage. Vergl.
Frater F e l i z i a n ' s merkwürdige Reise zum Kaiser
Karl im Untersberg. Salzburg, 1787. Beschreibung vom
Untersberg. Brixen, 1850. H . F . M a ß m a n n der
Untersberg. München, 1831. L. B e c h s t e i n
Volkssagen Oesterr. I., 72. G r i m m deutsche Myth. II.,
190. L. S t e u b Aus dem bayerischen Hochlande, S.
161. ff. Wiederholungen der Sage in Gedichten von
E . v . S c h e n k , J . N . V o g l , T h .
C r e i z e n a c h , F . G . P o c c i , G . M ü h l
u . A .
Nun höret Wunder sagen
Vom tiefen Untersberg:
Ihn hat in Heidentagen
Gehöhlt ein wild Gezwerg;
Der Wölbung Breit' und Länge
Ist mächtig ausgespannt,
Und gehn zwölf Geistergänge
Hinauf in's deutsche Land.
Auf unterird'schen Matten
Dort athmet fremde Luft,
Wo nie getrübt sich gatten
Der Blumen Licht und Duft;
Dort stehn zwei reiche Bronnen
In Marmel wohlgethan,
Die treiben recht mit Wonnen
Thausprudel himmelan.
Zur Rechten draus und Linken
In tiefem Wiesengrün
Die Blumen sieht man trinken
Und mannigfach erblühn:
Bis beide Flüss' im Strome
Zum Marmelbecken gehn,
Und vor dem goldnen Dome
Als Silberspiegel stehn.
Dem Dom genüber spiegelt
Vier Riesen diese Fluth,
Die Arme