HOO. Siegfried, Hans Hofmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Siegfried, Hans Hofmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750235311
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er den silbrigen Klang einer Kirchturmuhr.

      „Groß ist mein Revier in Berg und Tal, die Glocke läutet schon dreimal“, kixte Gechtur seinen Fluggästen zu. „Zeit für Rast und Jause, gleich machen wir 'ne Pause!“

      Gekonnt und überaus konzentriert peilte er eine stattliche, uralte Eiche an, die ihnen auf einer Hügelkuppe, inmitten einer Bergwiese, lichtvoll ihre knorrigen Äste entgegen reckte. In spiralförmigem Gleitflug um den imposanten Baum setzte er zur Landung an.

      Unter dem weit verästelten Blätterschirm der mächtigen Eiche stand eine steinerne Viehtränke. Flatternd drosselte er die Fluggeschwindigkeit, bremste sanft ab und ließ sich mit seinen Passagieren sicher auf der breiten, rechteckigen Beckenumrandung nieder.

      Wenn Gechtur durch sein weiträumiges Revier flog, war dieser beschauliche Ort stets einer seiner Lieblingsplätze, um sich ein wenig auszuruhen, Wasser zu trinken und im Geäst der hochbetagten Baumriesin nach Nahrungsschnäppchen zu suchen. In gewohnt dichterischer Weise gab er seinen kleinen Mitreisenden nun freundlich einige Anweisungen:

      „Birne, Mucks, bleibt ihr noch sitzen, werd‘ gleich mit euch am Stamm raufflitzen. Eichenblätter schmecken lecker, würzig wie vom Knusperbäcker.

      Hoo, ins Becken hüpfe du hinab, hol‘ dich nachher wieder ab. Frisches Wasser wird dir munden, weiter geht‘s in ein, zwei Stunden.

      Droht Gefahr, schreit laut und grell, zu Hilfe komm ich dann ganz schnell!“

      Wie gewohnt streckte Gechtur seinen fedrigen Nacken nach vorne und tauchte seinen spitzen, schwarzen Schnabel ins kühle Wasser. Durch die heftigen Niederschläge des letzten Gewitterschauers war die Tränke, deren Abflussloch auf dem Beckenboden fest verschlossen war, bis zum Rand gefüllt. Durstig wie er war, ließ er sich das klare, köstliche Regenwasser schmecken.

      Auf seinem Rotschopf erhob sich Hoo mühsam von seinem Sitzplatz. Birne und Mucks guckten ihm aufmerksam nach, wie er langsam durch das flauschige Gefieder zum vorderen Rand des Käppis stapfte. Seine natürliche Hautfarbe hatte ihren bläulichen Glanz verloren und war etwas fahl geworden. Die Sonnenwärme, der lange Flug, das Erzählen seiner Geschichte, so nebenher, und akuter Wassermangel, hatten ihn sichtlich entkräftet. Auf seinem Kopf und über der Oberlippe hatten sich winzige Schweißperlen gebildet. Es war ihm ein unsägliches Bedürfnis, endlich mal wieder sauberes Wasser zu spüren, zu trinken und sich darin austoben und erfrischen zu können. Auch mit neuer, lebensnotwendiger Energie wollte er sich versorgen. Seit seiner Zeit auf der feuchtwarmen Mutterwolke hatte er keine Gelegenheit mehr dazu gehabt. Da hätte ihm der naturtrübe, wohlschmeckende Apfelsaft auf Dauer auch nicht helfen können. Nur im kühlen Nass, ausreichender Hydrierung in frischem, agilem Wasser – da war er voll und ganz in seinem Element!

      Kritischen Blickes schaute er hinab auf die dunkle Wasserfläche. Sanfte Schatten und flirrende Sonnenreflexe, die von dem lichtdurchfluteten Blätterdach der Eichendame herrührten, spiegelten sich darin. Eichenblätter und einige länglichrunde Eichelfrüchte, die herabgefallen waren, schwammen obenauf. Den Oberkörper leicht gestreckt, holte er tief Luft. Feinsinnig schnupperte er mit seinem langen, flexiblen Schnorchel übers Wasser. „Mmmhh! Riecht nach Wolkenwasser ... Gewitterregen ... und – aaahh, herzhaft pikanter Eichelnwürze! Eine wahrlich topgesunde Mischung!“, stellte Hoo erfreut fest. „Duftet frisch, ist sauber und, äh, gut temperiert. Sehr verlockend, wirklich sehr verlockend!“ Ihm lief buchstäblich das Wasser im Munde zusammen. Seinen Superschnorchel zog er wieder auf Pünktchengröße ein.

      „Soll ich, kann ich, äh, darf ich da hineinspringen, lieber Gechtur?“

      Der durstige Specht unterbrach sein genüssliches Trinken. Hoos Frage beantwortete er mit cooler Gelassenheit: „Willst du schwimmen, spring hinein. Bist ein Feigling, lass es sein. Willst du nur ein wenig lecken, setz‘ dich auf den Rand vom Becken.“

      „Au jaaahh! Spring hinein, Hoo! Bitte spring' ins Wasser!“, rief die kleine Birne ihm aufmunternd zu. „Nach dem langen Flug tut dir Bewegung, insbesondere Schwimmen, bestimmt doppelt gut!“ Fröhlich hopste sie auf ihrem weich gefiederten Platz umher.

      Mucks stimmte dem Aufruf seiner lieben Traumlaus mit eifrigem Kopfnicken zu. „Aber ja, Hoo. Bitte tu es! Nur Mut! Das möchten wir gerne sehen. Wie jammerschade, dass wir selbst das Schwimmen nie gelernt haben!“

      „Oooookay, Freunde“, erklärte Hoo sich dazu bereit. Frohgemut rieb er sich dabei die Hände. „Klar mach ich das! Mit dem allergrößten Vergnügen!“

      Dann wandte er sich an den jungen Specht, dessen etwas kecke Bemerkung vorhin, doch ein wenig an seiner Ehre gekratzt hatte. „Ich, äh, von wegen feige! Bestimmt bin ich im Wasser genauso wendig wie du in den Lüften. Glaubst du mir das, Gechtur?“

      „Bist ein Tropfen, ich ein Specht, freu mich sehr, wenn du hast Recht! Fliegen ist der Vögel Kunst, Schwimmen liegt in deiner Gunst!“, schnäbelte Gechtur unbescheiden, die unpassende Äußerung wiedergutmachend, und neidlos zu ihm hinauf.

      „Das hast du aber, äh, jetzt schön poetisch gesagt, lieber Gechtur. Das kam voll gut! Darf ich dich dann noch, äh, um die Erlaubnis bitten, gleich von hier oben ins Wasserbassin zu springen?“ Schon ungeduldig trat Hoo am Käppirand von einem Fuß auf den anderen.

      „Du darfst, Hoo. Spring nur runter, doch bitte, geh‘ dabei nicht unter!“, scherzte Gechtur mit verschmitzter Miene, in Anspielung auf seine Körperfülle.

      „Wunderbar, Gechtur. Ich danke dir.“ Hoo strahlte übers ganze Gesicht. „Nun gut, äh, dann kann's ja losgehen!“

      Lustvoll schleckte er über seine vollen Lippen. Wie zum Gebet faltete er seine Hände und murmelte noch bedächtig vor sich hin. Zu guter Letzt brachte er sich in eine geeignete Sprungstellung und bat seine Freunde um verbale Unterstützung.

      „Äh, super wäre es, wenn ihr mich beim Absprung lautstark unterstützt, ja? Also, äh, ich sage: Auf die Plätze! – Fertig? – und ihr ruft dann, bitte alle zusammen: Los!“ Hoo schnaufte tief durch. „Geht das?“

      „Ja, voll klaro, Hoo. Das machen wir!“, piepsten die Blattläuse und nickten. Eiligst und schaulustig, um ja alles genau mitzubekommen, krabbelten sie aus der Mitte ein Stückchen näher an den Rand des Spechtkäppis.

      „Kix! Sonst nix? Das ist fix!“, antwortete Gechtur verlässlich. Er hielt seinen Kopf still und äugte gespannt zu ihm hoch. Hoo war bereit zum Sprung. Er mobilisierte seine letzten Kraftreserven. Unverzüglich begann er das Startkommando für sich selbst vorzugeben. „Auf die Plätze! – Fertig!“ …

      „Looooooos!“, riefen Birne, Mucks und Gechtur wie ein dreistimmiger Jugendchor. Alle Augen waren auf Hoo gerichtet.

      Und tatsächlich!

      „Yippiieeehh!“ Hoo ließ einen urgewaltigen, befreienden Jubelschrei vom Stapel. Dabei hopste er mit schwingenden Armen und lang gestrecktem Körper, wie von einem federnden Schwimmbadsprungbrett, von Gechturs Käppi hoch. In hohem Bogen, die Arme flink vor seinem fülligen Bauch verschränkt und den Kopf leicht geduckt, klatschte er dann mitten hinein in die randvolle Tränke.

      „Platschschsch ...!“ Schon war Hoo in das warme Oberflächenwasser eingetaucht. Viele Wassertröpfchen spritzten in die Höhe. Ein, zwei, mehrere Wasserringe breiteten sich aus. Die von dem Sprung ausgelösten, sich kurz kräuselnden Miniwellen schwappten sanft bis über die steinerne Umrandung.

      Nach einer Weile hatte sich das Wasser wieder geglättet. Durch das Blätterdach des riesigen Eichenbaumes blinkte neugierig das wärmende Sonnenlicht. In geheimnisvoll glitzernden Farben flirrten die Lichtpunkte sternförmig auf der dunkel glänzenden Wasseroberfläche.

      Doch wo blieb Hoo? Er hätte doch längst wieder auftauchen müssen! Wie konnte er so lange unter Wasser bleiben? Unruhe machte sich breit.

      Gechturs stechende Augen suchten, spähten über den Wasserspiegel. Nichts regte sich. Hoo war nirgends zu sehen! Mehr als seiner eigenen, dunkel umrissenen Silhouette wurde er nicht gewahr. Da er recht wasserscheu war und nicht die speziellen Fähigkeiten eines Tauchvogels besaß, wie sie etwa dem kleineren, farbenprächtigen