Wassersportlich fit schwamm er näher und ergriff die äußerste Federspitze. Locker baumelnd ließ er sich, wie von einem Schwenkkran, auf Gechturs rote Kopfbedeckung hieven. Dort nahm er behutsam seinen alteingesessenen Sitzplatz hinter Birne und Mucks ein.
Alle freuten sich sehr, dass sie frisch gestärkt, bei bester Gesundheit und reich an Erlebnissen wieder beisammen waren. Somit war alles startbereit.
„Kix! Kix! Kix!“, ließ Gechtur sein Signal zum Abflug erklingen. Voller Energie hob er mit seinen reiselustigen Gästen zur zweiten, landschaftlich überaus reizvollen Flugetappe von der Viehtränke ab.
Sachte steuerte er unter dem weit verzweigten Blätterdach der betagten Eiche hindurch. Dann schwenkte er fast senkrecht nach oben in mildes Spätnachmittagslicht. Nur einige Meter über der schön kugelig geformten, sonnigen Krone hielt er sich mit schwirrendem Flügelschlag in der schwachwindigen Luft. Es war ihnen allen ein echtes Anliegen, sich von der weisen, ehrwürdigen Baumriesin, durch die ihnen so viel Gutes widerfahren war, gebührend zu verabschieden und ihr zu danken. Gemeinsam riefen sie ihr ein herzliches „Dankeschön, für alles, liebe Eiche!“ zu. Gechtur, Birne und Mucks hängten noch ein freundliches „Auf Wiedersehen, bis bald!“ an. Mit kräftigem Winken unterstützten die Blattläuse ihren herzlichen Gruß.
Als hätte die liebenswerte, greise Dame die Abschiedsworte der kleinen, illustren Reisegruppe vernommen, drang daraufhin ein gedehntes, brüchiges Ächzen und tiefes Stöhnen aus der zerfurchten Rinde ihres hohen und verdrehten Leibes.
„Oh, habt ihr's gehört?“ flüsterte Birne überrascht. „Sie hat uns geantwortet!“
„Ja, das war bestimmt der uralte Eichengeist!“, vermutete Mucks voller Ehrfurcht.
„Eine wahrlich weise, knorrige Persönlichkeit!“, bemerkte Hoo. „Hört zu, liebe Blattläuse. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es der gealterten Eichendame Freude macht, euch die eine oder andere spannende Geschichte aus ihrem Jahrhunderte langen, alte Geheimnisse hütenden Leben zu erzählen. Ich denke, ihr solltet sie nur höflich darum bitten, wenn ihr zurückgekommen seid, um bei ihr zu wohnen!“
„Hach, das wäre ja wunderbar, wo ich doch Geschichten so sehr liebe!“, piepste Birne. Ihre malachitgrünen Äuglein funkelten.
„Doch ja, das hat was!“, sagte Mucks. Beide fühlten sich sehr glücklich, und Birne konnte nicht umhin, noch schnell hinzuzufügen: „Danke, lieber Hoo, für diesen tollen Tipp!“
„Gigigigigig!“, rief Gechtur in schneller Folge. Um nicht noch mehr Zeit zu vergeuden, drehte er nun südwärts ab. Unbeirrt lenkten ihn seine Flügel in Richtung ‚Platz des Mondenscheins‘. Nuancenreich wölbten sich die blauen Farben des wolkenlosen Himmels über die sattgrüne, wellige Landschaft. Als sie noch einmal zur ehrwürdigen, freistehenden Zeitzeugin zurückblickten, beobachteten sie, wie die für ihr Alter noch sehr widerstandsfähige Eichenriesin aus ihrem tiefsten Inneren ein geheimnisvolles, durchscheinendes Leuchten verströmte. Das gesamte Labyrinth ihres gewaltigen Wurzelwerks flackerte sekundenlang in mystisch farbigem Licht.
Vom Standort der betagten Baumkönigin bis in die Nähe eines von Obstbäumen umsäumten Gehöfts erstreckte sich eine eingezäunte Weide. Fleckviehglücklich und friedlich grasten und duselten dort ein Dutzend prächtiger Milchkühe vor sich hin. Das vernehmlich helle Bimmeln einer Glocke, welche die Leitkuh um ihren dicken Hals trug, klang bei jeder ihrer Bewegungen leise herüber. Ihre rosafarbenen Euter unter dem samtenen, braunen Fell, waren prall gefüllt.
Das sind bestimmt glückliche Kühe, geben gesunde, frische Milch und werden heute noch gemolken, dachte sich Hoo. Dann drehte er seinen Kopf in die lind bis leicht auffrischende Brise. Er machte sich extrabreit, um Birne und Mucks während des Fluges wieder genügend Windschutz zu bieten.
Die drei Erlebnisse, die sich in Abwesenheit seiner Gefährten, oder besser gesagt, während seines alleinigen Aufenthalts in der Tränke, in rascher Folge abgespielt hatten, hatte Hoo unter der Bezeichnung ‚3E‘ – was für ‚Eichhörnchen – Eichelhäher – Eicheln‘ steht – in sein phänomenales Gedächtnis abgespeichert. Bei nächstbester Gelegenheit, möglicherweise während einer beschaulichen Erzählstunde im Laufe des Abends und der Nacht, wollte er ihnen davon erzählen.
Immer höher hinauf führte Gechturs eingeschlagene, doch exakt bestimmte Flugroute. Gemeinsam betrachteten sie den abwechslungsreichen, landschaftlichen Traum, der sich wie ein super gedrehter Breitwandfilm vor ihnen abspulte und in unvergleichlichen, nie zuvor gesehenen Bildern unter des Buntspechts Schwingen vorbeizog.
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