Da hieß es über den Buntspecht: Die „Zimmerleute des Waldes“ fertigen ihre Nisthöhle, die ein elliptisches Einflugloch hat, in zwei bis vier Wochen harter Arbeit. Seine Nahrung ist vielseitig, besteht aber vor allem aus Larven Holz bewohnender Käfer- und Schmetterlingsarten und aus Samen von Fichten und Kiefern. Auf der Suche nach Futterquellen durchstreifen sie Wälder aller Art, Parks und Gärten.
Im kühlen Herbst und in schneereichen Wintern beschränkt sich sein Nahrungsangebot meist auf Nüsse und Fichtenzapfen, die er sammelt. Dazu legt er, als hilfreiche Ergänzung zu seinem Schnabel, kunstvolle Schmieden an – eine richtige Furche, die er in einen Ast hineinzimmert, und sie dann als Werkbank und Futterplatz benutzt. Auch hinter Rindenschuppen, etwa von einer Kiefer, werden die Nüsse oder Zapfen eingeklemmt. Und jedes Mal, wenn er im Schnabel einen neuen Zapfen herbeiträgt, wirft er den alten Zapfen heraus. So können eine ganze Menge alter Zapfen unter einem Baum herumliegen – ein untrügliches Zeichen für den emsigen Buntspecht und seine Schmiede.
Reichhaltiger ist das Futterangebot für ihn in der wärmeren Jahreszeit. Da pickt er viel lieber auch Raupen, Käfer und Ameisen von den Stammoberflächen, die ihm bei der Nahrungssuche einfach so über den Weg laufen. Pflanzliche Kost, wie Koniferensamen, Früchte, Nüsse und auch Baumsäfte, bereichern seinen Speisezettel zusätzlich. Vor allem Kirschen oder Erdbeeren stibitzt und frisst der Buntspecht für sein Leben gerne.
Buntspechte sind kluge Tiere, gesellig und sehr unterhaltungsbedürftig. Zorn, Ärger und Neid sind ihrer frohsinnigen Gemütsart fremd. Sie lieben das kurzweilige Gespräch, und ein Plauderminütchen mit anderen Baumbewohnern ist ihnen stets eine willkommene Abwechslung.
„Kix!“, rief der Buntspecht mit hellem Ton, nachdem er wieder eine fette Insektenlarve gefunden und verdrückt hatte.
„Kix! Kix!“, wiederholte er, nun ganz nahe und etwas lauter, seinen frohen, durchdringenden Ruf.
Birne und Mucks waren indessen immer noch mit ihrem zweiten Frühstück beschäftigt. Erst jetzt, durch die kurzen, explosiven „Kix“-Rufe des Spechts, wurden sie hellhörig. Mitten im Fressen hielten sie inne. Da ihnen die Vogelrufe vertraut vorkamen, kraxelten sie rasch auf die Blattoberfläche und hielten Ausschau.
Als Hoo das sah, rührte sich automatisch sein Beschützerinstinkt. Irgendwie fühlte er sich nun doch für die Sicherheit seiner winzigen Freunde verantwortlich.
„Pst! Psst! Pssssst! Birne! Mucks!“, zischelte Hoo ihnen sorgenvoll zu. Die rührigen Blattläuse wendeten ihre Köpfchen und guckten über den Blattrand zu ihm hinab.
„Dort oben, am Stamm“, flüsterte Hoo, „da hüpft ein junger Buntspecht umher! Vorsichtshalber wäre es besser, ihr, äh, verhaltet euch still und versteckt euch. Ich sag's euch dann, wenn er, äh, wieder weggeflogen ist, okay?“
„Verstecken?“, mucksten die Blattläuse. Kopfschüttelnd schauten sie sich an, dann am Stamm entlang immer höher. Mucks sah und erkannte den farbenfrohen Waldvogel zuerst. Hocherfreut über den unerwarteten Besucher piepste er laut: „Dort! Ja, er ist es! Birne, schau doch! Unser lieber und poetischer Freund ‚Gechtur‘ ist hier!“
„Ja, ja, jetzt sehe ich ihn auch“, jubelte Birne. Sie führte dabei niedrige Freudensprünge aus und klatschte in ihre Händchen. „Was für eine super Überraschung! Ach, ist das schöööön!“
„Ach!?“, rief Hoo verdutzt aus und kam auf die Beine. „Ich, äh, wusste ja gar nicht, dass ihr euch kennt. Das erstaunt mich allerdings sehr! Ist kein Gag, oder?“
„Oh nein, lieber Hoo. Mach dir nur nicht ins Wasser. Wir kennen uns“, rief Mucks ihm schneidig zu. „Gechtur ist unser junger Vogelfreund und ein lieber Stammgast in unserem Apfelbaum. Er fliegt wieder einmal sein Revier ab. Du musst ihn unbedingt kennen lernen!“
„Au ja, Hoo, das musst du. Unbedingt!“, wiederholte Birne schwärmerisch. „Gechtur ist voll witzig, ein wahrer Verseschmied. Immer höflich, hilfsbereit und bei guter Laune.“ Recht zappelig vor Freude rief sie: „Ähm, schnell, wir müssen ihn rufen, damit er uns bemerkt, ehe er wieder wegfliegt. Wir müssen uns dringend mit ihm unterhalten!“
„Hallooo, Gechtur! ... Geeechtuur! ... Haallooo! Gechtur! Hörst du uns! Hier sind wir! … Hier! Hier!“, gicksten sie aus vollem Hals.
„Gechtur! Gechtur!“ verstärkte Hoo mit kräftiger Stimme ihre hohen, doch eher piepsig klingenden Schreiversuche.
„Kix! Kix! Kix! Hör' ich's, oder hör ich nix? Wer ruft da meinen Namen? Woher die Schreie kamen?“, reimte der Buntspecht, als er die Rufe gehört hatte. Neugierig drehte er seinen von einem knallroten Federkäppi bedeckten Kopf nach allen Seiten. Mit seinen glänzenden, klugen Augen suchte er die blattreiche Umgebung ab.
„Hallo Gechtur! Wir sind hier unten! Hu-hu! Hier unten! Wir sind's, Birne und Muhucks, deine Blattlausfreunde“, piepsten sie noch einmal, so laut sie halt konnten. Dabei hopsten sie winkend auf dem Blatt herum, dass es leicht wackelte.
Als der junge Specht endlich seine beiden winzigen Freunde und auch den auf der Apfelsafttankstelle stehenden ‚Neuling‘ ausgemacht hatte, war die Wiedersehensfreude groß.
„Kix! Gigigig!“, rief er hocherfreut. „Aha, da unten! Hab ich euch gefunden! Hallo Birne, hallo Mucks. Bin schon unterwegs, ganz flugs!“
Zur Begrüßung trommelte er spontan einige schnurrige Strophen ab. Danach kletterte er munter, und in bester Kleibermanier das kurze Stückchen am knorrigen Apfelbaumstamm abwärts.
Bei ihnen angelangt, umklammerte er mit den spitzen Krallen seiner Kletterfüße den dicken Ast, der sich genau über der Apfelsafttankstelle verjüngend in die Länge streckte. Da saß er nun und genoss den optimalen Überblick. Von den drei kleinen Freunden wurde er, seiner Größe und seines auffallend gefärbten Gefieders wegen, voll bestaunt.
Mit einer galanten Verbeugung, einem fröhlichen „Gigigigig!“ und einer schwungvollen Bewegung seiner rechten Flügelspitze zog er sein schickes, rotes Käppi höflich zum Gruß. Nachdem er es wieder aufgesetzt hatte, plauderte er mitteilsam und mit dichterischem Vermögen drauf los.
„Guten Tag, ich freu mich sehr, euch heut‘ zu sehn. Ja, ich muss gesteh‘n, ist schon lang nicht mehr gescheh‘n. Wunderbar, dass es euch noch gibt. Seid ihr auch glücklich, noch verliebt?“
„Oh ja, wie am ersten Tag, lieber Gechtur“, nuschelte Birne etwas schüchtern. Die direkte Frage ließ ihre grünen Bäckchen leicht erröten. Liebevoll schmiegte sie sich an ihren Mucksischatz.
„Wir sind zufrieden und gesund, lieber Gechtur“, antwortete ihm Mucks in glücklicher Umarmung. „Zum Fressen gibt's Apfelblätter in rauen Mengen und zum Saugen Pflanzen- und Apfelsaft. Also, ist soweit alles in bester Ordnung!“
„Und leckeres Wolkenwasser gibt‘s auch“, piepste Birne der Vollständigkeit halber hinterdrein. Die große Neuigkeit gleich ausgeplaudert, bedeutete sie Gechtur leichten Fingers auf Hoo zu gucken.
„Echt? Ja, so ist‘s recht. Doch wer seid ihr? Sagt ihr‘s mir? Euch hab ich hier noch nie geseh‘n!“, wandte sich Gechtur an den ihm noch Unbekannten Tropfen. Sonderbar, ja mit höchster Neugier äugte er auf den rundlichen, hellblau glänzenden Regentropfen hinab, der ihn mit seinen Augen, so blau wie der Himmel, ebenfalls unverhohlen anguckte.
Während Hoo fest auf der Apfelsafttankstelle stand, sauste in Blitzeseile eine Erinnerung an die Wolkenschule durch seinen Kopf. Es war noch nicht allzu lange her, da hatte er im www-Raum ‚Wissen – Weisheiten – Wunderwelten‘ einen Benimmkurs besucht. So benahm er sich als gebildeter Himmelstropfen dementsprechend freundlich ergeben. Wortgewandt, und – na ja, ein wenig gestelzt, stellte sich Hoo dem charmanten Buntspecht vor.
„Nicht schlecht, Vogel Specht! Wie mir scheint, seid ihr ein wahrer Sprachkünstler? Meine Hochachtung!“ Hoo verneigte sich respektvoll. „Äh, ihr gestattet, bunter Gechtur, dass ich mich euch vorstelle? Ich bin ein Regentropfen und heiße Hoo, buchstabiert: H mit zwei