Von Bagdad nach Stambul - 400 Seiten. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742705907
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"Ah! Hundertsechzig Mann haben ihn bewacht, und er ist

       entflohen?"

       "Sie sind ja nicht da!"

       "Diese Hundertundsechzig sind fort?"

       "Sie kommen wieder, Herr."

       "Wohin sind sie?"

       "Ich weiß es nicht."

       "Wo ist der Khan?"

       "Auch mit fort."

       Da faßte ich den Mann bei der Brust.

       "Mensch, habt ihr vielleicht eine Schurkerei gegen uns vor? Das

       sollte euch schlecht bekommen!"

       "Laß mich, Herr! Wie können wir dir Schlimmes tun! Du bist ja

       unser Gast!"

       "Halef, untersuche, wie viele Bejat sich noch hier befinden!"

       Es war so dunkel, daß man den Platz nicht zu überblicken

       vermochte. Der kleine Hadschi erhob sich, um meinen Befehl

       auszuführen.

       "Es sind noch vier hier," erklärte sogleich der Bejat, "und einer

       steht draußen am Eingang, um ihn zu bewachen. Drüben aber im

       andern Lager waren wir unser zehn, um den Gefangenen zu

       bewachen."

       "Wie ist er euch entkommen? Zu Fuße?"

       "Nein. Er hat sein Pferd mitgenommen, nebst einigen Waffen von

       uns."

       "Das ist ein Beweis, daß ihr sehr kluge und aufmerksame

       Wächter seid. Aber warum kommt ihr da zu mir?"

       "Herr, fange ihn wieder!"

       Beinahe hätte ich laut aufgelacht. Eine naivere Zumutung konnte

       mir ja gar nicht gestellt werden. Ich ließ diese Aufforderung ganz

       unbeachtet und erkundigte mich nur weiter:

       "Ihr wißt also nicht, wo der Khan mit den Andern ist?"

       "Wir wissen es wirklich nicht."

       "Aber er muß doch einen Grund haben, fortzugehen!"

       "Den hat er."

       "Welcher ist es?"

       "Herr, wir sollen ihn dir nicht sagen."

       "Gut. Wir wollen einmal sehen, wer jetzt zu befehlen hat, der

       Khan oder ich - - -"

       Halef unterbrach mich, indem er meldete, daß wirklich nur noch

       vier Bejat zu bemerken seien.

       "Sie stehen dort in der Ecke und hören uns zu, Sihdi!" sagte er.

       "Laß sie stehen! Aber sag, sind deine Pistolen geladen, Hadschi

       Halef Omar?"

       "Hast du sie jemals ungeladen gesehen, Sihdi?"

       "Nimm sie heraus, und wenn dieser Mann die Frage, welche ich

       ihm jetzt zum letzten Male vorlegen werde, nicht beantwortet, so

       jagst du ihm eine Kugel durch den Kopf. Verstanden?"

       "Habe keine Sorge, Sihdi; er soll zwei Kugeln erhalten anstatt

       einer!"

       Er nahm die Waffen aus dem Gürtel und ließ die vier Hähne

       spielen. Ich fragte den Bejat abermals:

       "Weshalb hat sich der Khan entfernt?"

       Die Antwort ließ nicht einen Augenblick auf sich warten.

       "Um die Bebbeh zu überfallen."

       "Die Bebbeh? So hat er mich also belogen! Er sagte, daß er die

       Dschiaf besuchen wolle."

       "Herr, Khan Heider Mirlam sagt nie eine Lüge! Er will wirklich

       zu den Dschiaf, wenn ihm der Ueberfall gelungen ist."

       Jetzt fiel mir ein, daß er mich gefragt hatte, ob ich mit den

       Bebbeh Freund oder Feind sei. Er hatte mir seinen Schutz

       angedeihen lassen und mir doch auch meine Unbefangenheit

       bewahren wollen.

       "Lebt ihr mit den Bebbeh in Unfrieden?" fragte ich weiter.

       "Sie mit uns, Herr. Wir werden ihnen dafür heute ihre Herden,

       ihre Teppiche und Waffen wegnehmen.

       Hundertundfünfzig Männer werden diese Beute heimschaffen,

       und fünfzig werden mit dem Khan zu den Dschiaf gehen."

       "Wenn die Bebbeh es erlauben," fügte ich hinzu.

       Trotz der Dunkelheit bemerkte ich, daß er den Kopf stolz

       emporwarf.

       "Diese? Die Bebbeh sind Feiglinge! Hast du nicht gesehen, daß

       dieser Mann heute vor uns geflohen ist?"

       "Einer vor zweihundert!"

       "Und du allein hast ihn gefangen!"

       "Bah! Ich fange unter Umständen ebenso gut zehn Bejat. Zum

       Beispiele: Du und diese vier, die Wache draußen und die neun

       drüben im andern Lager, ihr seid jetzt meine Gefangenen. Halef,

       bewache den Ausgang. Wer diesen Platz ohne meine Erlaubnis

       betreten oder verlassen will, den erschießest du!"

       Der wackere Hadschi verschwand sofort nach dem Ausgange

       hin; der Bejat sagte ängstlich:

       hin; der Bejat sagte ängstlich:

       "Herr, du scherzest!"

       "Ich scherze nicht. Der Khan hat mir das Wichtigste

       verschwiegen, und auch du hast nur darum gesprochen, weil ich

       dich gezwungen habe. Darum sollt ihr mir dafür bürgen, daß ich

       hier sicher bin.

       Kommt herbei, ihr Viere!"

       Sie folgten meinem Befehle.

       "Legt eure Waffen hier zu meinen Füßen nieder!" - Und als sie

       zögerten, fügte ich hinzu: "Ihr habt von uns gehört! Meint ihr es

       ehrlich mit uns, so geschieht euch nichts und ihr erhaltet eure

       Waffen wieder; weigert ihr euch aber, mir zu gehorchen, so kann

       euch kein Dschinni und Scheïtan helfen!"

       Jetzt taten sie, was ich von ihnen verlangt hatte. Ich übergab die

       Gewehre den Gefährten und instruierte Mohammed Emin, wie er

       sich nun weiter zu verhalten habe. Dann verließ ich den Platz, um

       dem Laufe des Baches in das Freie hinaus zu folgen.

       Draußen fand ich zwischen Steinen die Wache, welche mich

       gleich erkannte.

       "Wer hat dich hergestellt?" fragte ich.

       "Der Khan."

       "Der Khan."

       "Wozu?"

       "Damit er, wenn er kommt, gleich weiß, daß alles in Ordnung

       ist."

       "Sehr gut! Gehe einmal hinein, und sage meinen Gefährten, daß

       ich gleich wieder kommen werde."

       "Ich darf diese Stelle nicht verlassen."

       "Der Khan weiß nichts davon."

       "Er wird es erfahren."

       "Das ist möglich; aber ich werde ihm sagen, daß ich es dir

       befohlen habe."

       Jetzt ging der