entflohen?"
"Sie sind ja nicht da!"
"Diese Hundertundsechzig sind fort?"
"Sie kommen wieder, Herr."
"Wohin sind sie?"
"Ich weiß es nicht."
"Wo ist der Khan?"
"Auch mit fort."
Da faßte ich den Mann bei der Brust.
"Mensch, habt ihr vielleicht eine Schurkerei gegen uns vor? Das
sollte euch schlecht bekommen!"
"Laß mich, Herr! Wie können wir dir Schlimmes tun! Du bist ja
unser Gast!"
"Halef, untersuche, wie viele Bejat sich noch hier befinden!"
Es war so dunkel, daß man den Platz nicht zu überblicken
vermochte. Der kleine Hadschi erhob sich, um meinen Befehl
auszuführen.
"Es sind noch vier hier," erklärte sogleich der Bejat, "und einer
steht draußen am Eingang, um ihn zu bewachen. Drüben aber im
andern Lager waren wir unser zehn, um den Gefangenen zu
bewachen."
"Wie ist er euch entkommen? Zu Fuße?"
"Nein. Er hat sein Pferd mitgenommen, nebst einigen Waffen von
uns."
"Das ist ein Beweis, daß ihr sehr kluge und aufmerksame
Wächter seid. Aber warum kommt ihr da zu mir?"
"Herr, fange ihn wieder!"
Beinahe hätte ich laut aufgelacht. Eine naivere Zumutung konnte
mir ja gar nicht gestellt werden. Ich ließ diese Aufforderung ganz
unbeachtet und erkundigte mich nur weiter:
"Ihr wißt also nicht, wo der Khan mit den Andern ist?"
"Wir wissen es wirklich nicht."
"Aber er muß doch einen Grund haben, fortzugehen!"
"Den hat er."
"Welcher ist es?"
"Herr, wir sollen ihn dir nicht sagen."
"Gut. Wir wollen einmal sehen, wer jetzt zu befehlen hat, der
Khan oder ich - - -"
Halef unterbrach mich, indem er meldete, daß wirklich nur noch
vier Bejat zu bemerken seien.
"Sie stehen dort in der Ecke und hören uns zu, Sihdi!" sagte er.
"Laß sie stehen! Aber sag, sind deine Pistolen geladen, Hadschi
Halef Omar?"
"Hast du sie jemals ungeladen gesehen, Sihdi?"
"Nimm sie heraus, und wenn dieser Mann die Frage, welche ich
ihm jetzt zum letzten Male vorlegen werde, nicht beantwortet, so
jagst du ihm eine Kugel durch den Kopf. Verstanden?"
"Habe keine Sorge, Sihdi; er soll zwei Kugeln erhalten anstatt
einer!"
Er nahm die Waffen aus dem Gürtel und ließ die vier Hähne
spielen. Ich fragte den Bejat abermals:
"Weshalb hat sich der Khan entfernt?"
Die Antwort ließ nicht einen Augenblick auf sich warten.
"Um die Bebbeh zu überfallen."
"Die Bebbeh? So hat er mich also belogen! Er sagte, daß er die
Dschiaf besuchen wolle."
"Herr, Khan Heider Mirlam sagt nie eine Lüge! Er will wirklich
zu den Dschiaf, wenn ihm der Ueberfall gelungen ist."
Jetzt fiel mir ein, daß er mich gefragt hatte, ob ich mit den
Bebbeh Freund oder Feind sei. Er hatte mir seinen Schutz
angedeihen lassen und mir doch auch meine Unbefangenheit
bewahren wollen.
"Lebt ihr mit den Bebbeh in Unfrieden?" fragte ich weiter.
"Sie mit uns, Herr. Wir werden ihnen dafür heute ihre Herden,
ihre Teppiche und Waffen wegnehmen.
Hundertundfünfzig Männer werden diese Beute heimschaffen,
und fünfzig werden mit dem Khan zu den Dschiaf gehen."
"Wenn die Bebbeh es erlauben," fügte ich hinzu.
Trotz der Dunkelheit bemerkte ich, daß er den Kopf stolz
emporwarf.
"Diese? Die Bebbeh sind Feiglinge! Hast du nicht gesehen, daß
dieser Mann heute vor uns geflohen ist?"
"Einer vor zweihundert!"
"Und du allein hast ihn gefangen!"
"Bah! Ich fange unter Umständen ebenso gut zehn Bejat. Zum
Beispiele: Du und diese vier, die Wache draußen und die neun
drüben im andern Lager, ihr seid jetzt meine Gefangenen. Halef,
bewache den Ausgang. Wer diesen Platz ohne meine Erlaubnis
betreten oder verlassen will, den erschießest du!"
Der wackere Hadschi verschwand sofort nach dem Ausgange
hin; der Bejat sagte ängstlich:
hin; der Bejat sagte ängstlich:
"Herr, du scherzest!"
"Ich scherze nicht. Der Khan hat mir das Wichtigste
verschwiegen, und auch du hast nur darum gesprochen, weil ich
dich gezwungen habe. Darum sollt ihr mir dafür bürgen, daß ich
hier sicher bin.
Kommt herbei, ihr Viere!"
Sie folgten meinem Befehle.
"Legt eure Waffen hier zu meinen Füßen nieder!" - Und als sie
zögerten, fügte ich hinzu: "Ihr habt von uns gehört! Meint ihr es
ehrlich mit uns, so geschieht euch nichts und ihr erhaltet eure
Waffen wieder; weigert ihr euch aber, mir zu gehorchen, so kann
euch kein Dschinni und Scheïtan helfen!"
Jetzt taten sie, was ich von ihnen verlangt hatte. Ich übergab die
Gewehre den Gefährten und instruierte Mohammed Emin, wie er
sich nun weiter zu verhalten habe. Dann verließ ich den Platz, um
dem Laufe des Baches in das Freie hinaus zu folgen.
Draußen fand ich zwischen Steinen die Wache, welche mich
gleich erkannte.
"Wer hat dich hergestellt?" fragte ich.
"Der Khan."
"Der Khan."
"Wozu?"
"Damit er, wenn er kommt, gleich weiß, daß alles in Ordnung
ist."
"Sehr gut! Gehe einmal hinein, und sage meinen Gefährten, daß
ich gleich wieder kommen werde."
"Ich darf diese Stelle nicht verlassen."
"Der Khan weiß nichts davon."
"Er wird es erfahren."
"Das ist möglich; aber ich werde ihm sagen, daß ich es dir
befohlen habe."
Jetzt ging der