Von Bagdad nach Stambul - 400 Seiten. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742705907
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man dieser so gefährlichen Waffe entgehen kann. Zur Lanze

       schien er kein Vertrauen mehr zu haben, denn er nahm sein

       langes Gewehr, dessen Kugel ja nicht zu parieren war. Ich maß

       die Entfernung scharf mit dem Auge, und grad, als er den Lauf

       erhob, schwirrte der Riemen durch die Luft. Kaum hatte ich mein

       Pferd zur Seite genommen, so fühlte ich einen Ruck: ein Schrei

       erscholl, und ich hielt an - der Bebbeh lag mit umschlungenen

       Armen am Boden. Einen Augenblick später stand ich bei ihm.

       "Hast du dir wehe getan?"

       Diese meine Frage mußte unter den gegenwärtigen Umständen

       allerdings wie Hohn klingen. Er suchte seine Arme zu befreien

       und knirschte:

       "Räuber!"

       "Räuber!"

       "Du irrst! Ich bin kein Räuber; aber ich wünsche, daß du mit mir

       reitest."

       "Wohin?"

       "Zum Khan der Bejat, dem du entflohen bist."

       "Der Bejat? Also gehören die Männer, welche ich traf, zu diesem

       Stamme! Und wie heißt der Khan?"

       "Heider Mirlam."

       "Oh, nun weiß ich alles. Allah möge euch verderben, die ihr doch

       nur Diebe und Schufte seid!"

       "Schimpfe nicht! Ich verspreche dir bei Allah, daß dir nichts

       geschehen soll!"

       "Ich bin in deiner Gewalt und muß dir folgen."

       Ich nahm ihm das Messer aus dem Gürtel und hob die Lanze und

       die Flinte vom Boden; sie waren ihm beim Sturze entfallen. Dann

       löste ich den Riemen und stieg schnell zu Pferde, um auf alles

       gefaßt zu sein.

       Er schien keinen Gedanken an Flucht zu hegen, sondern pfiff

       seinem Pferde und schwang sich auf.

       "Ich traue deinem Worte," sagte er. "Komm!"

       Wir galoppierten nebeneinander zurück und fanden die Bejat am

       Ausgange der Vertiefung auf uns warten.

       Als Heider Mirlam den Gefangenen erblickte, klärte sich sein

       finsteres Gesicht auf.

       "Herr, du bringst ihn wirklich!" rief er.

       "Ja, denn ich habe es dir versprochen. Aber ich habe ihm mein

       Wort gegeben, daß ihm nichts geschehen soll. Hier sind seine

       Waffen!"

       "Er soll später alles wieder haben, jetzt aber bindet ihn, damit er

       nicht entfliehen kann!"

       Diesem Befehle wurde sogleich Gehorsam geleistet. Unterdessen

       war die zweite unserer Abteilungen herangekommen, und ihr

       wurde der Gefangene mit dem Bedeuten übergeben, ihn zwar gut

       zu behandeln, ihn aber ebenso gut zu bewachen. Dann ward der

       unterbrochene Ritt fortgesetzt.

       "Wie ist er in deine Gewalt gekommen?" fragte der Khan.

       "Ich habe ihn gefangen," antwortete ich kurz; denn ich war

       verstimmt über sein Verhalten.

       "Herr, du zürnst," meinte er; "du wirst aber noch erkennen, daß

       ich so handeln mußte."

       "Ich hoffe es!"

       "Dieser Mann darf nicht ausplaudern, daß die Bejat in der Nähe

       sind."

       "Wann wirst du ihn entlassen?"

       "Sobald es ohne Gefahr geschehen kann."

       "Bedenke, daß er eigentlich mir gehört. Ich hoffe, daß mein ihm

       gegebenes Wort nicht zu Schanden werde!"

       "Was würdest du tun, wenn das Gegenteil geschähe?"

       "Ich würde einfach dich -"

       "Töten?" fiel er mir in die Rede.

       "Nein. Ich bin ein Franke, das heißt, ich bin ein Christ; ich töte

       nur dann einen Menschen, wenn ich mein Leben gegen ihn

       verteidigen muß. Ich würde dich also nicht töten, aber ich würde

       die Hand, mit welcher du dein Versprechen mir bekräftigt hast,

       zu Schanden schießen. Der Emir der Bejat wäre dann wie ein

       Knabe, der kein Messer zu führen versteht, oder wie ein altes

       Weib, auf dessen Stimme nichts gegeben wird."

       "Herr, wenn mir das ein Anderer sagte, so würde ich lachen;

       euch aber traue ich es zu, daß ihr mich mitten unter meinen

       Kriegern angreifen würdet."

       "Allerdings täten wir das! Es ist keiner unter uns, der sich vor

       deinen Bejat fürchten möchte."

       "Auch Mohammed Emin nicht?" erwiderte er lächelnd.

       Ich sah mein Geheimnis verraten, aber ich antwortete

       gleichmütig:

       "Auch er nicht."

       "Und Amad el Ghandur, sein Sohn?"

       "Hast du jemals vernommen, daß er ein Feigling sei?"

       "Nie! Herr, wäret ihr nicht Männer, so hätte ich euch nicht bei

       uns aufgenommen; denn wir reiten auf Wegen, welche gefährlich

       sind. Ich wünsche, daß wir sie glücklich vollenden!"

       Der Abend brach herein, und eben, als es so dunkel wurde, daß

       es die höchste Zeit zum Lagern war, gelangten wir an einen

       Bach, der aus einem Labyrinth von Felsen in das Freie sich

       ergoß. Dort lagerten die vier Bejat, welche uns vorausgeritten

       waren. Der Khan stieg ab und trat zu ihnen, um sich längere Zeit

       leise mit ihnen zu unterhalten.

       leise mit ihnen zu unterhalten.

       Warum tat er so heimlich? Hatte er etwas vor, was nur sie allein

       wissen durften? Endlich gebot er seinen Leuten, abzusteigen.

       Einer der vier schritt uns voran, in das Felsengewirr hinein. Wir

       führten die Pferde hinter uns und gelangten nach einiger Zeit in

       eine große, ganz von Felsen eingeschlossene freie Rundung.

       Dieser Ort war das sicherste Versteck, das jemals gefunden

       werden konnte, freilich viel zu klein für zweihundert Mann und

       deren Pferde.

       "Bleiben wir hier?" fragte ich.

       "Ja," antwortete Heider Mirlam.

       "Aber nicht alle!"

       "Nur vierzig; die andern werden in der Nähe lagern."

       Diese Antwort mußte mich zufriedenstellen; nur wunderte es

       mich, daß trotz der Sicherheit unserer Lage kein Feuer

       angebrannt wurde. Dies fiel auch den Gefährten auf.

       "Schöner Platz!" sagte Lindsay. "Kleine Arena. Nicht?"

       "Allerdings."

       "Aber feucht und kalt hier am Wasser. Warum nicht Feuer

       anmachen?"