schien er kein Vertrauen mehr zu haben, denn er nahm sein
langes Gewehr, dessen Kugel ja nicht zu parieren war. Ich maß
die Entfernung scharf mit dem Auge, und grad, als er den Lauf
erhob, schwirrte der Riemen durch die Luft. Kaum hatte ich mein
Pferd zur Seite genommen, so fühlte ich einen Ruck: ein Schrei
erscholl, und ich hielt an - der Bebbeh lag mit umschlungenen
Armen am Boden. Einen Augenblick später stand ich bei ihm.
"Hast du dir wehe getan?"
Diese meine Frage mußte unter den gegenwärtigen Umständen
allerdings wie Hohn klingen. Er suchte seine Arme zu befreien
und knirschte:
"Räuber!"
"Räuber!"
"Du irrst! Ich bin kein Räuber; aber ich wünsche, daß du mit mir
reitest."
"Wohin?"
"Zum Khan der Bejat, dem du entflohen bist."
"Der Bejat? Also gehören die Männer, welche ich traf, zu diesem
Stamme! Und wie heißt der Khan?"
"Heider Mirlam."
"Oh, nun weiß ich alles. Allah möge euch verderben, die ihr doch
nur Diebe und Schufte seid!"
"Schimpfe nicht! Ich verspreche dir bei Allah, daß dir nichts
geschehen soll!"
"Ich bin in deiner Gewalt und muß dir folgen."
Ich nahm ihm das Messer aus dem Gürtel und hob die Lanze und
die Flinte vom Boden; sie waren ihm beim Sturze entfallen. Dann
löste ich den Riemen und stieg schnell zu Pferde, um auf alles
gefaßt zu sein.
Er schien keinen Gedanken an Flucht zu hegen, sondern pfiff
seinem Pferde und schwang sich auf.
"Ich traue deinem Worte," sagte er. "Komm!"
Wir galoppierten nebeneinander zurück und fanden die Bejat am
Ausgange der Vertiefung auf uns warten.
Als Heider Mirlam den Gefangenen erblickte, klärte sich sein
finsteres Gesicht auf.
"Herr, du bringst ihn wirklich!" rief er.
"Ja, denn ich habe es dir versprochen. Aber ich habe ihm mein
Wort gegeben, daß ihm nichts geschehen soll. Hier sind seine
Waffen!"
"Er soll später alles wieder haben, jetzt aber bindet ihn, damit er
nicht entfliehen kann!"
Diesem Befehle wurde sogleich Gehorsam geleistet. Unterdessen
war die zweite unserer Abteilungen herangekommen, und ihr
wurde der Gefangene mit dem Bedeuten übergeben, ihn zwar gut
zu behandeln, ihn aber ebenso gut zu bewachen. Dann ward der
unterbrochene Ritt fortgesetzt.
"Wie ist er in deine Gewalt gekommen?" fragte der Khan.
"Ich habe ihn gefangen," antwortete ich kurz; denn ich war
verstimmt über sein Verhalten.
"Herr, du zürnst," meinte er; "du wirst aber noch erkennen, daß
ich so handeln mußte."
"Ich hoffe es!"
"Dieser Mann darf nicht ausplaudern, daß die Bejat in der Nähe
sind."
"Wann wirst du ihn entlassen?"
"Sobald es ohne Gefahr geschehen kann."
"Bedenke, daß er eigentlich mir gehört. Ich hoffe, daß mein ihm
gegebenes Wort nicht zu Schanden werde!"
"Was würdest du tun, wenn das Gegenteil geschähe?"
"Ich würde einfach dich -"
"Töten?" fiel er mir in die Rede.
"Nein. Ich bin ein Franke, das heißt, ich bin ein Christ; ich töte
nur dann einen Menschen, wenn ich mein Leben gegen ihn
verteidigen muß. Ich würde dich also nicht töten, aber ich würde
die Hand, mit welcher du dein Versprechen mir bekräftigt hast,
zu Schanden schießen. Der Emir der Bejat wäre dann wie ein
Knabe, der kein Messer zu führen versteht, oder wie ein altes
Weib, auf dessen Stimme nichts gegeben wird."
"Herr, wenn mir das ein Anderer sagte, so würde ich lachen;
euch aber traue ich es zu, daß ihr mich mitten unter meinen
Kriegern angreifen würdet."
"Allerdings täten wir das! Es ist keiner unter uns, der sich vor
deinen Bejat fürchten möchte."
"Auch Mohammed Emin nicht?" erwiderte er lächelnd.
Ich sah mein Geheimnis verraten, aber ich antwortete
gleichmütig:
"Auch er nicht."
"Und Amad el Ghandur, sein Sohn?"
"Hast du jemals vernommen, daß er ein Feigling sei?"
"Nie! Herr, wäret ihr nicht Männer, so hätte ich euch nicht bei
uns aufgenommen; denn wir reiten auf Wegen, welche gefährlich
sind. Ich wünsche, daß wir sie glücklich vollenden!"
Der Abend brach herein, und eben, als es so dunkel wurde, daß
es die höchste Zeit zum Lagern war, gelangten wir an einen
Bach, der aus einem Labyrinth von Felsen in das Freie sich
ergoß. Dort lagerten die vier Bejat, welche uns vorausgeritten
waren. Der Khan stieg ab und trat zu ihnen, um sich längere Zeit
leise mit ihnen zu unterhalten.
leise mit ihnen zu unterhalten.
Warum tat er so heimlich? Hatte er etwas vor, was nur sie allein
wissen durften? Endlich gebot er seinen Leuten, abzusteigen.
Einer der vier schritt uns voran, in das Felsengewirr hinein. Wir
führten die Pferde hinter uns und gelangten nach einiger Zeit in
eine große, ganz von Felsen eingeschlossene freie Rundung.
Dieser Ort war das sicherste Versteck, das jemals gefunden
werden konnte, freilich viel zu klein für zweihundert Mann und
deren Pferde.
"Bleiben wir hier?" fragte ich.
"Ja," antwortete Heider Mirlam.
"Aber nicht alle!"
"Nur vierzig; die andern werden in der Nähe lagern."
Diese Antwort mußte mich zufriedenstellen; nur wunderte es
mich, daß trotz der Sicherheit unserer Lage kein Feuer
angebrannt wurde. Dies fiel auch den Gefährten auf.
"Schöner Platz!" sagte Lindsay. "Kleine Arena. Nicht?"
"Allerdings."
"Aber feucht und kalt hier am Wasser. Warum nicht Feuer
anmachen?"