»Die kleine Waffe die unsere Tochter gerade in der Hand hält und noch eine Kleinigkeit für zu Hause. Damit kann sie auf meinem Schießstand ein bisschen zielen üben. In dem Koffer liegt ein kleines Luftgewehr aus der sie zumindest kleine Kugeln verschießen kann. Alles zusammen gab es für gerade mal 300 Dollar.«
Michael stöhnte als er das Zubehör was er für Valeria noch gekauft hatte, in den Kofferraum legte. Ohne weitere Verzögerung dirigierte ihn Dolores zu dem Reiterhof den die beiden Frauen für ihre Tochter gefunden hatten. Valeria konnte es kaum erwarten endlich auf einem ihrer geliebten Tiere Platz zu nehmen und einige Runden auf der Koppel zu drehen. Emilia hingegen war am Maulen. Sie wollte auch endlich ein bisschen mit ihrer glänzend neuen Pistole im Garten liegen und ein paar Zündhütchen platzen lassen. Dolores blieb mit ihrer Tochter auf dem Reiterhof während Michael mit Leonie und Emilia nach Hause fuhr, um die beiden abzusetzen. Dann kehrte er wieder auf den Reiterhof zurück und beobachtete wie seine Tochter in voller Montur auf einem Pony ein paar Runden drehte. Sie konnte gar nicht mehr aufhören zu lächeln. Dolores scherzte man müsste ihr nach einigen Stunden das Lachen operativ entfernen müssen.
Als die drei nach drei Stunden mit einer total überglücklichen Valeria zurückkamen, lag die kleine Emilia neben ihrer Mutter auf der Terrasse und schoss mit dem Luftgewehr auf eine wenige Meter entfernte Zielscheiben. Auch sie war überglücklich einige Metallkugeln auf die große Papierscheibe abgeben zu dürfen. Leonie half ihr mit ein paar Hinweisen. Valeria stellte sich noch immer in ihrer gesamten Reiterkluft hinter die beiden und schaute ihrer Schwester zu. Michael kümmerte sich inzwischen um das Abendessen und presste einige Orangen für frischen Saft aus. Dolores hatte eine riesige Idee und nahm sich eine von den Früchten. Damit ging sie zu der zielenden Emilia und sprach Leonie an, »Schatz, was meinst du, wenn Emilia zum Abschluss auf die leuchtende Frucht anlegt?«
»Großartige Idee Liebling. Emilia wird sie mit einem hübschen Loch veredeln.«
Leonie stoppte die Bemühungen ihrer Tochter und ließ sie das Luftgewehr ablegen. Erst dann stellte Dolores die reife Frucht ein bisschen versetzt zur dort stehenden Zielscheibe auf den Boden und ging wieder hinter die kleine Schützin. Erst als ihre zweite Mutter wieder hinter ihr stand durfte sie das Chili Camo wieder in die Hand nehmen, um auf die Frucht zu zielen. Emilia legte sich das Luftgewehr gekonnt an ihre Schulter und blickte durch das aufgeschraubte Zielfernrohr. Leonie legte ihr vorsichtig die Hand auf das Gewehr und bat sie sich zu konzentrieren und alles was sie in den vergangenen Stunden gelernt hatte noch einmal durchzugehen. Erst dann sollte sie sich nur noch auf die Orange fokussieren und abdrücken. Die Kleine konzentrierte sich nur noch auf ihren Atem, brachte das Fadenkreuz ihrer Zieloptik in die Mitte der runden Frucht. Dann atmete sie hörbar aus und drückte den Auslöser. Die runde Stahlkugel verließ den Lauf ihres Gewehrs und traf die Orange am linken oberen Rand. Sie legte das Gewehr lächelnd ab und stand auf. Freudestrahlend lief sie zu der angeschossenen Frucht und hielt sie voller Stolz in die Luft.
Die beiden Mütter und ihre gleichaltrige Schwester klatschten ihr Beifall. Sie hatte die Orange sauber getroffen. Michael hatte den Schuss durch das große Terrassenfenster beobachtet und kam nun strahlend auf seine Tochter zu. Er hob sie stolz in die Luft und gab ihr einen dicken Kuss. Die kleine Emilia stand ihrer Mutter in nichts nach und schien ihr großes Talent geerbt zu haben. Mit Emilia auf dem Arm ging er zu Valeria und hob sie auf den anderen Arm. Auch sie bekam einen dicken Kuss und ein Lob für die Reitstunde die sie absolviert hatte. Beide Kinder trug er fest an sich gedrückt zum großen Tisch der bereits für das Abendessen eingedeckt war.
Das Abendessen hatte sich Dolores gewünscht. Michael hatte für die gesamte Großfamilie Hackbällchen in Tomaten-Paprikasauce mit Reis und Salat zubereitet. Hätte er die beiden Kinder gefragt gab es keine große Auswahl. Jede Frage nach einem Essen beantworteten sie mit ihren Lieblingsgerichten. Entweder alles mit Pommes, Pizza, Spaghetti Bolognese mit extra Parmesan oder Schnitzel in sämtlichen Variationen. Hackbällchen standen nicht sehr hoch in der Gunst der Kinder, aber sie hatten bereits zum Mittag eine Pizza bekommen.
Emilia und Valeria erlebten eine wundervolle Kindheit. Die beiden waren unter den anderen Kindern in Nassau etwas Besonderes. Beide wuchsen dreisprachig auf und waren die einzigen Kinder die nicht nur eine Mutter, sondern gleich zwei ihr eigenen nennen konnten. Die Amtssprache in Nassau war natürlich Englisch was die beiden als Muttersprache lernten, daneben lernten sie aber auch noch Spanisch von Dolores und eben Deutsch von Michael. Auch die Erwachsenen konnten mittlerweile die drei Sprachen fast tadellos. Auch Liz hatte sich neben Englisch noch an weiteren Sprachen versucht. Die Chefin des Teams konnte neben ihrer Muttersprache nun auch gut genug Spanisch.
2. Kapitel
Vereinigte Staaten, Washington D.C. (WA)
Im 9. Stockwerk des J. Edgar Hoover Building an der Pennsylvania Avenue stand der Special Agent James Lawrence an seinem Bürofenster und blickte hinaus auf die belebte Straße. Hinter ihm lagen mehrere Akten auf seinem Schreibtisch. Bereits seit einigen Wochen landeten fast täglich neue Hinweise dort. Auf jedem der braunen Umschläge stand neben seinem Namen das Kürzel SNB. Irgendeine Gruppierung in den Vereinigten Staaten gab sich als Bundesbehörde aus und schickte einfache Normalbürger wie Zugvögel durch die einzelnen Bundesländer. Sie transportierten Drogen, Waffen und sogar Sprengstoff von einem Ort zum Nächsten. Die Betroffenen hatten davon keine Ahnung.
Lawrence war der Agentenführer der vom Justizministerium der Vereinigten Staaten bestellt worden war, diesen Fall mit allen verfügbaren Mitteln aufzuklären. In seiner langen Karriere konnte er schon einige schwere Verbrechen aufklären, was ihm einen sehr guten Ruf einbrachte. Nun hatte man ihn mit dem Fall der SNB betraut. Die polizeilichen Ermittlungsakten lauteten fast immer genau gleich. Einfache Bundesbürger aus den einzelnen Staaten wurden angeworben, um dem ganzen Land zu helfen. Sie erhielten dafür Bezahlungen von einigen tausend Dollar. Alles was sie dafür tun sollten waren Pakete zu transportieren, Autos zu überführen oder minderwertige Botengänge. Falls man sie anhielt, wurden sie für Verbrechen angeklagt die sie nur im Auftrag durch eine angebliche Behörde begangen hatten. Wer hinter dieser angeblichen Behörde steckte, war nicht festzustellen.