Wird der Antrag durch die Staatsanwaltschaft abgelehnt (zu den Formalien vgl. Nr. 188 RiStBV), so besteht die Möglichkeit, hiergegen mit der Dienstaufsichtsbeschwerde vorzugehen.[1] Ist diese nicht erfolgreich, so soll auch die ablehnende Entscheidung der Staatsanwaltschaft der gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden können.[2] Erfolgt die Ablehnung hingegen durch den Vorsitzenden des Gerichts, so besteht die Möglichkeit der Beschwerde gem. § 304 StPO. Die Frage, ob es dem Beschuldigten möglich ist, die Gewährung der Akteneinsicht anzufechten, hat kaum praktische Bedeutung, da er in den seltensten Fällen „rechtzeitig“ von der geplanten Gewährung der Akteneinsicht erfahren wird.[3] Ist dies hingegen doch einmal der Fall, so besteht nach zutreffender Ansicht die Möglichkeit, die Entscheidung über die Gewährung vor deren tatsächlicher Umsetzung mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 161a Abs. 3 S. 2–4 StPO anzufechten.
Anmerkungen
Klein/Jäger § 395 Rn. 4; Kohlmann/Hilgers-Klautzsch § 395 Rn. 25 m.w.N.
Vgl. nur: Hübschmann/Hepp/Spitaler/Hellmann § 395 Rn. 33.
Kohlmann/Hilgers-Klautzsch § 39 Rn. 27.
5. Kapitel Akteneinsicht › F. Das Akteneinsichtsrecht des Verletzten gem. § 406e Abs. 1 StPO
F. Das Akteneinsichtsrecht des Verletzten gem. § 406e Abs. 1 StPO
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Von erheblicher praktischer Relevanz ist das Akteneinsichtsrecht des Verletzten gem. § 406e Abs. 1 StPO; in einem Großteil der Wirtschaftsstrafverfahren begehren mutmaßlich Verletzte zur Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche Akteneinsicht. Die Behandlung dieser Akteneinsichtsgesuche ist zum einen regional unterschiedlich und zum anderen im Einzelfall kaum vorhersehbar. Die in der Norm enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe (bspw. berechtigtes Interesse, überwiegend schutzwürdige Interessen) führen bei der praktischen Anwendung für alle Beteiligten zu wenig Rechtssicherheit. Insoweit lässt sich konstatieren, dass die Praxis die bestehenden Interessenkonflikte zwischen Beschuldigtem und mutmaßlich Verletztem bislang nicht befriedigend löst.[1]
Anmerkungen
HK-StPO/Kurth/Pollähne § 406e Rn. 3.
5. Kapitel Akteneinsicht › F. Das Akteneinsichtsrecht des Verletzten gem. § 406e Abs. 1 StPO › I. Voraussetzungen
I. Voraussetzungen
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Gem. § 406e Abs. 1 S. 1 StPO kann für den Verletzten ein Rechtsanwalt die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt.
1. Verletzter
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Den Begriff des Verletzten bestimmt das Gesetz nicht; er ist vielmehr aus dem jeweiligen Regelungszusammenhang abzuleiten.[1] Für die §§ 406d ff. StPO gilt derselbe Verletztenbegriff wie bei der Anwendung des § 172 StPO.[2] Der Begriff ist zwar weit auszulegen, gleichwohl genügt eine nur mittelbare Rechtsbeeinträchtigung nicht.[3] Erforderlich ist vielmehr eine unmittelbare Rechtsverletzung durch die vorgeworfene Straftat. Verletzter ist mithin ausschließlich diejenige (natürliche oder juristische) Person, die durch die behauptete Tat – ihre tatsächliche Begehung unterstellt – unmittelbar in ihrem Rechtsgut verletzt ist.[4] Diese Rechtsgutsverletzung ist in jeden Einzelfall zu prüfen.
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Hierbei ist nach zutreffender Auffassung maßgeblich (auch) auf den Schutzbereich der verletzten Strafrechtsnorm abzustellen. Verletzter i.S.d. §§ 406d ff. StPO kann danach nur sein, wer in einem rechtlich geschützten Interesse durch eine Straftat beeinträchtigt wird, soweit die verletzte Strafrechtsnorm dabei auch seinem Schutz dient.[5] Das OLG Stuttgart hat hierzu in einer Entscheidung aus dem Jahr 2013 zutreffend ausgeführt: In Zweifelsfällen ist auf die Schutzzwecklehre zurückzugreifen. Danach kann jemand durch eine Tat nur dann verletzt sein, wenn seine Rechte durch die (angeblich) übertretene Norm – jedenfalls auch – geschützt werden sollen.[6] Nach der vom OLG Hamburg vertretenen Gegenauffassung erfasst der Verletztenbegriff in § 406d ff. StPO hingegen auch den Verletzten i.S.d. Adhäsionsverfahrens nach § 403 StPO. Danach käme die Gewährung von Akteneinsicht im Strafverfahren auch gegenüber solchen Antragstellern in Betracht, die von der verletzten Strafnorm nicht geschützt werden, wenn diesem aber möglicherweise zivilrechtliche Schadensersatzansprüche zustehen.[7]
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Der Verletzte kann das Akteinsichtsrecht – ebenso wie der Beschuldigte – nur durch einen Rechtsanwalt geltend machen. Dies gilt auch dann, wenn der Verletzte selbst Rechtsanwalt ist.[8]
a) Grundsätzliches
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Die Akteneinsicht setzt die schlüssige Darlegung eines berechtigten Interesses voraus. Das ergibt sich – neben dem Wortlaut des § 406e Abs. 1 S. 1 StPO – auch aus gesetzessystematischen Erwägungen: Bereits ein Umkehrschluss aus § 406e Abs. 1 S. 2 StPO zeigt, dass das Gesetz grundsätzlich das Bestehen eines berechtigten Interesses als selbstständige Voraussetzung des Akteneinsichtsrechts erachtet. Lediglich zu Gunsten des Nebenklagebefugten unterstellt das Gesetz, dass dieser mit der Akteneinsicht stets rechtlich anerkannte Zwecke, nämlich die Durchführung eines Strafverfahrens, verfolgt. Das Risiko eines Missbrauchs des Akteneinsichtsrechts ist in diesem Bereich wesentlich geringer, zumal auch die Zahl derjenigen, die Akteneinsicht begehren, wegen der Höchstpersönlichkeit der betroffenen Güter deutlich beschränkt bleibt. Insbesondere aber im Bereich der Vermögensstraftaten, die gerade nicht zur Nebenklage berechtigen, besteht wegen der mit einem solchen Delikt typischerweise verbundenen Weiterungen auf eine Vielzahl von Betroffenen ein erhöhtes Missbrauchsrisiko, das es im Interesse der Wahrung der Belange des Beschuldigten einzudämmen gilt.[9]
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Ein berechtigtes Interesse ist ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse.[10] Die Darlegung eines berechtigten Interesses verlangt einen Tatsachenvortrag, der Grund und Umfang eines bestimmten Interesses an der beantragten Auskunft erkennen lässt.[11] Für die Darlegung eines berechtigten Interesses ist daher entsprechend dem zivilprozessualen Verständnis ein schlüssiger Tatsachenvortrag erforderlich, aus dem sich das berechtigte Interesse ergibt. Eine Glaubhaftmachung ist nach h.M.[12] nicht erforderlich.
b) Prüfung, Geltendmachung oder Abwehr zivilrechtlicher Ansprüche als berechtigtes Interesse
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Wichtigster Anwendungsfall des berechtigten Interesses an der Akteneinsicht ist in Wirtschaftsstrafverfahren