HK-StPO/Temming § 474 Rn. 7 unter Hinweis auf BT-Drucks. 14/1484, 26.
Brodersen NJW 2000, 2536, 2540.
5. Kapitel Akteneinsicht › D. Das Akteneinsichtsrecht öffentlicher Stellen gem. § 474 StPO › IV. Die Besichtigung amtlich verwahrter Beweisstücke (§ 474 Abs. 4)
IV. Die Besichtigung amtlich verwahrter Beweisstücke (§ 474 Abs. 4)
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Unter den Voraussetzungen des § 474 Abs. 4 StPO kann die Besichtigung amtlich verwahrter Beweisstücke erfolgen. Hierbei handelt es sich um in den Akten oder an anderen Orten aufbewahrte Gegenstände, die nach den §§ 94 ff. StPO beschlagnahmt, sichergestellt oder auf anderem Wege in amtliches Gewahrsam gelangt sind.[1] Ebenfalls unter den Begriff des Beweismittels fallen nach §§ 111b ff. StPO sichergestellte Gegenstände, soweit diese auch als Beweismittel dienen können. Besichtigt werden können zudem Bild- und Tonaufzeichnungen nach § 58a StPO, falls es sich hierbei nicht ohnehin um „einsehbare“ Aktenbestandteile handelt,[2] sondern ihnen gerade aufgrund ihrer äußeren Beschaffenheit eine „eigene“ Beweiserheblichkeit zuteil wird.[3] Bei der Besichtigung von Bild- und Tonaufzeichnungen sind allerdings die Beschränkungen der §§ 58a Abs. 2 S. 6, 477 Abs. 2 StPO zu berücksichtigen. Unproblematisch möglich ist die Besichtigung in den Fällen der §§ 474 Abs. 1 und 3 StPO; im Fall des § 474 Abs. 2 StPO ist die Besichtigung hingegen nur dann zulässig, wenn die vorrangige Auskunftserteilung über das Beweisstück nicht zur Erfüllung der Aufgaben der ersuchenden Stelle ausreicht.[4] Da eine Auskunftserteilung über Beweisstücke in der Praxis kaum durchführbar ist, ist davon auszugehen, dass die Besichtigung von Beweisstücken auch im Fall des § 474 Abs. 2 StPO der Regelfall sein wird.
Anmerkungen
Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt § 147 Rn. 19 m.w.N.
Dazu: HK-StPO/Julius § 147 Rn. 23.
KG JR 1992, 124.
HK-StPO/Temming § 474 Rn. 10.
5. Kapitel Akteneinsicht › D. Das Akteneinsichtsrecht öffentlicher Stellen gem. § 474 StPO › V. Aktenübersendung zur Einsichtnahme/Parlamentarische Ausschüsse (§ 474 Abs. 5, 6)
V. Aktenübersendung zur Einsichtnahme/Parlamentarische Ausschüsse (§ 474 Abs. 5, 6)
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§ 474 Abs. 5 StPO ermöglicht es der ersuchten Stelle, die Akten zu Zwecken der Akteneinsicht an die ersuchende Stelle zu übersenden. Einen Anspruch hierauf hat die ersuchende Stelle hingegen nicht („können“); vielmehr liegt die Art und Weise der Gewährung der Akteneinsicht im Ermessen der ersuchten Stelle.
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§ 474 Abs. 6 StPO stellt lediglich klar, dass die landesgesetzlichen Regelungen, die parlamentarischen Untersuchungsausschüssen ein Recht auf Akteneinsicht einräumen, unberührt bleiben. Untersuchungsausschüsse auf der Ebene der Landtage oder des Bundestages können daher ein „eigenständiges“ Recht auf Akteneinsicht oder Auskunft aus entsprechenden Akten geltend machen; für die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse des Bundestages erfolgt dies auf der Grundlage von Art. 44 GG und § 18 PUAG.[1]
Anmerkungen
Vgl. dazu: BVerfG NVwZ 2009, 1353 ff.
5. Kapitel Akteneinsicht › E. Das Akteneinsichtsrecht der Finanzbehörden gem. § 395 AO
5. Kapitel Akteneinsicht › E. Das Akteneinsichtsrecht der Finanzbehörden gem. § 395 AO › I. Grundlagen und Anwendungsbereich
I. Grundlagen und Anwendungsbereich
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§ 395 AO räumt Finanzbehörden i.S.v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO das Recht ein, sich in Steuerstrafverfahren, die sie nicht selbstständig im Rahmen der §§ 386 Abs. 2, 399 Abs. 1 AO führen, über den Weg der Einsicht in die Akten[1] und die Besichtigung sichergestellter Gegenstände zu informieren.[2]
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Ziel der Norm ist damit die Sicherstellung der sachgerechten Ausübung der Mitwirkungsrechte und Pflichten der Finanzbehörden in allen Stadien des Steuerstrafverfahrens (Ermittlungs-, Zwischen-, Haupt- und Rechtsmittelverfahren) gem. §§ 403 Abs. 1, 2, 4, 407 Abs. 1 AO.[3] Nach der wohl überwiegenden Auffassung in der Literatur gilt dieses Recht auch nach der Beendigung des Verfahrens fort. Begründet wird diese „Ausdehnung“ des Akteneinsichtsrechts über den Abschluss des Verfahrens hinaus damit, dass das Akteneinsichtsrecht des § 395 AO „auch“ steuerlichen Interessen dient; diese aber gerade erst nach dem Abschluss eines steuerstrafrechtlichen Verfahrens sinnvoll mit Blick auf eine ggf. erforderliche Nachbesteuerung oder die Festsetzung von Hinterziehungszinsen ausgeübt werden können.[4]
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Für die Steuer- und Zollfahndung i.S.d. §§ 208, 404 AO gilt die Regelung des § 395 AO hingegen nicht.[5] Umstritten ist die Frage, ob § 395 AO auch steuerlichen Zwecken dient. Mit guten Gründen kann dies angenommen werden, wenn die verkürzte Steuer festgesetzt und eingefordert werden soll.[6] In allen anderen Fällen sind die Finanzbehörden auf die in § 111 Abs. 1 AO geregelte Amtshilfe angewiesen. Ebenfalls nicht anwendbar ist § 395 AO in Bußgeldverfahren wegen des Vorwurfs einer Steuerordnungswidrigkeit. Hier erfolgt die Akteneinsicht ausschließlich gem. § 49 Abs. 2 OWiG, da § 410 Abs. 1 AO nicht auf § 395 AO verweist.[7]
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Liegen die Voraussetzungen des § 395 S. 1 AO vor, so hat die Finanzbehörde einen Anspruch gegenüber der jeweils zuständigen Behörde (Staatsanwaltschaft/Gericht) auf die Gewährung der Akteneinsicht bzw. die Besichtigung amtlicher Beweismittel.
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Bei der Entscheidung über die Gewährung der Akteneinsicht handelt es sich nicht um eine Ermessensentscheidung,[8] auch müssen hierbei die Einschränkungen des § 147 Abs. 2 StPO unberücksichtigt bleiben, da die Finanzbehörde im Rahmen des § 395 AO als Strafverfolgungsorgan tätig wird. Natürliche Grenzen