OLG Braunschweig wistra 1998, 71.
Franzen/Gast/Joecks/Randt § 386 Rn. 26 f.
BGH wistra 1990, 59.
Kohlmann/Peters § 386 Rn. 102.
5. Kapitel Akteneinsicht
Inhaltsverzeichnis
B. Das Akteneinsichtsrecht des Beschuldigten bzw. seines Verteidigers gem. § 147 Abs. 1 StPO
C. Das Akteneinsichtsrecht des Nebenbeteiligten
D. Das Akteneinsichtsrecht öffentlicher Stellen gem. § 474 StPO
E. Das Akteneinsichtsrecht der Finanzbehörden gem. § 395 AO
F. Das Akteneinsichtsrecht des Verletzten gem. § 406e Abs. 1 StPO
G. Das Akteneinsichtsrecht sonstiger Personen gem. § 475 Abs. 1, 2 StPO
Literatur:
Beulke/Witzigmann Das Akteneinsichtsrecht des Strafverteidigers in Fällen der Untersuchungshaft, NStZ 2011, 254; Burkhard Akteneinsichtsrecht des Strafverteidigers in Steuerstrafverfahren – hierzu gehört u.a. auch der rote Bogen und das Fallheft des Betriebsprüfers, StV 2000, 526; Donath/Mehle Akteneinsichtsrecht und Unterrichtung des Mandanten durch den Verteidiger, NJW 2009, 1399; Jahn/Lips Hat der Strafverteidiger die Pflicht bei der Rekonstruktion außer Kontrolle geratener Verfahrensakten mitzuwirken?, StraFo 2004, 229; Kümmel Das Akteneinsichtsrecht des Verletzten nach § 406e StPO und das Steuergeheimnis nach § 30 AO – ein in Korruptionsverfahren unauflösliches Spannungsverhältnis?, wistra 2014, 124; Müller-Jacobsen/Peters Schwarzmalerei in Steuerstrafsachen, wistra 2009, 458; Peglau Akteneinsichtsrecht des Verteidigers in Untersuchungshaftfällen, JR 2012, 231; Riedel/Wallau Das Akteneinsichtsrecht des „Verletzten“ in Strafsachen – und seine Probleme, NStZ 2003, 393; Schlothauer Zu den Grenzen des Akteneinsichtsrechts des Verletzten nach StPO § 406e und der gerichtlichen Nachprüfbarkeit einer Ankündigung der Staatsanwaltschaft, dem Verletzten Akteneinsicht zu gewähren, StV 1988, 334; Thomas Der Diskussionsentwurf zur Verbesserung der Rechte des Verletzten im Strafverfahren – ein Stück Teilreform?, StV 1985, 431.
5. Kapitel Akteneinsicht › A. Grundlagen und Systematik
A. Grundlagen und Systematik
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Das nachfolgend im Einzelnen dargestellte Akteneinsichtsrecht der StPO[1] ist von zentraler Bedeutung für Beschuldigte (§ 147 StPO)[2], Verletzte (§ 406e StPO), öffentliche Stellen (§ 474 StPO, § 395 AO) und sonstige Dritte (§ 475 StPO) zur Erlangung von Informationen, die im Zuge von Straf-[3] und Ordnungswidrigkeitenverfahren[4] von staatlichen Behörden erhoben werden.[5] Grundsätzlich gilt dabei: Die Geheimhaltung entsprechender Informationen ist die Regel, die Gewährung der Akteneinsicht die Ausnahme. Das Recht auf Akteneinsicht bedarf daher stets der gesetzlichen Legitimation und einer Begründung des Antragstellers, die geeignet ist, sein Recht auf Akteneinsicht und dessen Reichweite, d.h. den Umfang der Akteneinsicht, im Einzelfall zu rechtfertigen. Anderenfalls ist die Gewährung der Akteneinsicht zu versagen.
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Die Anforderungen, die an die Begründung eines solchen Akteneinsichtsrechts zu stellen sind, sind der jeweiligen Norm, auf die das Akteneinsichtsrecht gestützt wird, zu entnehmen.[6] Aus der Systematik des Rechts auf Akteneinsicht folgt zudem, dass der Betroffene anzuhören und in aller Regel eine Interessenabwägung zwischen den persönlichen Interessen des Betroffenen bzw. dem staatlichen Interesse an der Geheimhaltung entsprechender Informationen und dem Interesse des Antragstellers auf Akteneinsicht vorzunehmen ist, bevor die Entscheidung über die Gewährung der Akteneinsicht ergeht und die Einsicht in die Akte gewährt wird. Soweit der Gesetzgeber in Ausnahmefällen bereits selbst eine solche Interessenabwägung vorgenommen hat und die Gewährung der Akteneinsicht entweder ganz oder teilweise von der Eigenschaft des Antragstellers („Beschuldigter“, „Nebenkläger“, „Justizbehörden“) oder dem Zweck der Akteneinsicht (zu Zwecken der Rechtspflege) abhängig macht, sind (nur) diese Eigenschaften und Zwecke Gegenstand der Prüfung, ob und in welchem Umfang das Recht auf Akteneinsicht besteht. Ob die Akteneinsicht alsdann auch unmittelbar und in vollem Umfang gewährt werden kann, oder ob die Voraussetzungen für Beschränkungen (bspw. die Gefährdung des Ermittlungszwecks i.S.d. § 147 Abs. 2 S. 1 StPO) vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls.
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Besteht das Recht auf Akteneinsicht, so ist dem Verteidiger des Beschuldigten grundsätzlich in alle dem Gericht vorliegenden Akten, oder im Falle der Anklageerhebung vorzulegenden Akten, uneingeschränkt Einsicht zu gewähren. Diese Akteneinsicht umfasst, wegen des Grundsatzes der Aktenvollständigkeit und -wahrheit,[7] das gesamte Material, das im Rahmen des (Vor-) Verfahrens angefallen ist.[8] Alle Schriftstücke, Ton- und Bildaufnahmen, aus denen sich schuldspruch- oder rechtsfolgenrelevante Umstände ergeben können, sind der Akte beizufügen.[9] Eine „Auswahl“ von Aktenbestandteilen, die aus Sicht der Behörde für verfahrensrelevant erachtet werden, ist unzulässig. Die Akteneinsicht anderer Personen, Behörden oder Institutionen ist dagegen in aller Regel auf den darzulegenden Zweck der Akteneinsicht beschränkt. Aufgrund des mit der Gewährung der Akteneinsicht zwangsläufig verbundenen Eingriffs in das grundgesetzlich verbürgte Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) stellt die unberechtigte Gewährung der Akteneinsicht einen schwerwiegenden Rechtsverstoß dar.
Anmerkungen
Vgl. allgemein HK-StPO/Julius Vor § 147; EGMR EuGRZ 2003, 472, 479.
Einen generellen Anspruch auf Akteneinsicht hat der Beschuldigte selbst nicht: Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt § 147 Rn. 1; Zum Sonderfall des unverteidigten Beschuldigten, dem auf Antrag Auskünfte und Abschriften aus den Akten zu erteilen sind, um sich sachgerecht verteidigen zu können: Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt § 147 Rn. 4 unter Hinweis auf LG Ravensburg NStZ 1996, 100.
Zum Akteneinsichtsrecht im Steuerstraf- sowie im Besteuerungsverfahren vgl. Gehm StV 2016, 185 ff.