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Die selbstständige Ermittlungsbefugnis ist in der Praxis der Regelfall. Im selbstständigen Ermittlungsverfahren nimmt die BuStra gem. § 399 Abs. 1 AO die Rechte und Pflichten wahr, die der StA im Ermittlungsverfahren zustehen, d.h. sie kann Ermittlungen jeder Art vornehmen (vgl. auch Nr. 42 Abs. 1 AStBV).[1] Damit ist sie befugt, gerichtliche Untersuchungshandlungen i.S.d. § 162 StPO zu beantragen (vgl. Nr. 43 AStBV).
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Beispiele
– | Durchsuchung beim Verdächtigen nach §§ 102, 105 StPO, |
– | Durchsuchung beim Dritten nach §§ 103, 105 StPO, |
– | Beantragung von Beschlagnahmeanordnungen gem. §§ 94, 98 StPO beim Ermittlungsrichter, |
– | Anordnung von Beschlagnahmen und Durchsuchungen bei Gefahr im Verzug nach §§ 98 Abs. 1, 105 Abs. 1 StPO, |
– | Durchsetzung der Pflicht zum Erscheinen von Beschuldigten nach § 163a Abs. 3 StPO (vgl. Nr. 53 AStBV) sowie von Zeugen und Sachverständigen nach § 161a Abs. 1 und 2 StPO (vgl. auch Nr. 17 Abs. 3, 47, 54 AStBV), |
– | Verlangen auf Vorlage und Auslieferung von Beweisgegenständen gem. § 95 StPO (Herausgabeverlangen),[2] |
– | Durchsicht von Papieren gem. § 110 StPO, |
– | Einholung von Auskünften bei öffentlichen Behörden gem. § 161 StPO, |
– | Anträge auf Überwachung der Telekommunikation gem. §§ 100a S. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2a 100b Abs. 1 S. 1 StPO (Nr. 74 AStBV), |
– | Anträge auf Maßnahmen außerhalb von Wohnraum gem. § 100h Abs. 1 Nr. 1 und i.V.m. § 163f Abs. 1 (z.B. längerfristige Observationen), wenn sich die Steuerhinterziehung als Katalogtat bzw. erhebliche Straftat darstellt. |
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Nach § 396 Abs. 2 AO ist die BuStra auch befugt nach pflichtgemäßem Ermessen im Ermittlungsverfahren in Form einer Verfügung (vgl. §§ 167, 171 StPO) über die Aussetzung des Strafverfahrens zu entscheiden, wenn ein Steueranspruch bzw. die Steuerverkürzung oder der ungerechtfertigte Steuervorteil dem Grunde nach streitig ist. Ebenso ist sie berechtigt, das Verfahren bei klärungsbedürftigen zivil- oder verwaltungsrechtlichen Vorfragen nach fruchtlosem Ablauf einer von ihr bestimmten Frist nach § 154d StPO einzustellen. Zeichnet sich bei der Aufnahme der Ermittlungen bereits ab, dass ein Steueranspruch gefährdet ist, besteht die Möglichkeit beim Ermittlungsrichter zur Sicherung von Vermögenswerten, einen Vermögensarrest gem. §§ 111e StPO zu beantragen (vgl. Nr. 70, 71, 72 AStBV zum dinglichen Arrest). Die Veranlagungsfinanzämter können ungeachtet des strafrechtlichen Vermögensarrestes nach § 324 AO zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen nach §§ 249–323 AO in das bewegliche und unbewegliche Vermögen eines Steuerschuldners einen dinglichen Arrest anordnen. Nach § 111e Abs. 6 StPO steht diese Möglichkeit der Sicherung von Vermögenswerten einer Anordnung mit dem Ziel der Wertersatzeinziehung nicht entgegen (vgl. Rn. 73).
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Die BuStra erteilt regelmäßig der Steufa aufgrund ihrer Sachkunde im Steuerrecht den Ermittlungsauftrag, den steuerstrafrechtlichen Sachverhalt aufzuklären. Aber auch der Polizei können bestimmte Ermittlungsaufträge erteilt oder Vollstreckungshandlungen übertragen werden (§ 161 StPO, Nr. 42 Abs. 1 AStBV). Ist beispielsweise ein Zeuge trotz Androhung der Vorführung zu seiner Vernehmung durch die BuStra nicht erschienen, kann sich die BuStra im Wege der Amtshilfe der Polizei bedienen, welche die Vorführung vollstreckt. Denn Zeugen sind gem. § 161a Abs. 1 S. 1 StPO verpflichtet, vor der BuStra zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn diese das Ermittlungsverfahren selbstständig führt (Nr. 47 Abs. 1 AStBV). In der Praxis bleibt dies jedoch die Ausnahme.
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Die selbstständige Verfahrensherrschaft der FinB berechtigt mit Ausnahme der Anklageerhebung zu sämtlichen verfahrensabschließenden Entscheidungen (vgl. Nr. 79 AStBV). Danach kann die BuStra
– | mangels hinreichenden Tatverdachts eine Einstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO (Nr. 81 AStBV), |
– | eine vorläufige Einstellung des Verfahrens bei vorübergehenden Hindernissen gem. § 154f StPO, |
– | eine Einstellung bei Geringfügigkeit gem. § 153 Abs. 1 StPO (Nr. 82 AStBV) oder nach § 398 AO (Nr. 82 Abs. 2 AStBV, vgl. Rn. 69), |
– | ein Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen gem. § 153a Abs. 1 StPO (Nr. 83 AStBV) |
verfügen oder
– | gem. §§ 153b, 153c, 154, 154b StPO von der Verfolgung absehen, |
– | einen Strafbefehlsantrag gem. §§ 400 1. HS AO, 407 ff. StPO (Nr. 84 AStBV) beim zuständigen Strafrichter stellen, |
– | die Einziehung oder den Verfall gem. § 401 AO (Nr. 90 AStBV) beim zuständigen Gericht beantragen oder |
– | der StA gem. § 400 2. HS AO (Nr. 89 AStBV) die Ermittlungsakten vorlegen. |
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Soweit die BuStra Einstellungen nach §§ 153 Abs. 1 oder 153a Abs. 1 StPO in Erwägung zieht, die wegen der Höhe der Steuerschäden der Zustimmung