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Abweichungen zwischen dem steuerstrafrechtlichen Mehrergebnis und dem rein steuerlichen können auch dadurch begründet sein, dass bestimmte Sachverhalte zwar zu einer steuerlichen Änderung führen, aber vorsätzliches Verhalten des Steuerpflichtigen insoweit nicht nachweisbar ist. Im sog. Fahndungsbericht wird nach Auswertung und Würdigung der Beweismittel dargestellt, welche konkreten Sachverhalte (steuer-)strafrechtliche Relevanz haben und ob der beschuldigte Steuerpflichtige insoweit vorsätzlich gehandelt hat bzw. vorsätzlich seiner Steuererklärungspflicht nicht nachgekommen ist. Die Steufa wird in diesen Fällen im Fahndungsbericht eine steuerstrafrechtliche Mehrsteuerberechnung erstellen, aus der die Höhe der strafrechtlich vorgeworfenen Steuernachforderung hervorgeht. Diese Berechnung weicht in diesen Fällen im Ergebnis von der Festsetzung in den Änderungsbescheiden ab.
4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten › II. Aufgaben und Befugnisse der Steuerfahndung › 3. Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO
3. Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO
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Zu den Aufgaben der Steuerfahndung gehören nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO auch die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (Nr. 122 Abs. 1 S. 3 AStBV). Auf dieser Grundlage führt die Steufa sogenannte Vorfeldermittlungen durch, wenn noch keine konkreten Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat oder Ordnungswidrigkeit gegeben sind, aber die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt (Nr. 12 Abs. 1 AStBV). Diese Ermittlungen stellen Ermittlungen im Besteuerungsverfahren dar und können sich sowohl auf unbekannte Steuerpflichtige als auch auf unbekannte Sachverhalte beziehen (Nr. 12 Abs. 1 S. 3 AStBV). Ziel der Ermittlungen ist es, besteuerungsrelevante Sachverhalte aufgrund „konkreter Momente“ oder einer „allgemeinen Erfahrung“ ohne zureichende tatsächliche Anhaltspunkte (Anfangsverdacht) aufzudecken und der Besteuerung zuzuführen (z.B. Goldgeschäfte bei Zahnärzten, Verkauf von Jachten).[1] Die FinB spricht hier von der Aufdeckung neuer Prüffelder. Wird die Steufa nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO tätig, entfällt das für die FinB im Veranlagungsstadium bzw. während der Außenprüfung (AP) geltende Vor- und Erstbefragungsrecht des Steuerpflichtigen (§ 93 Abs. 1 S. 3 AO). D.h. die Steufa ist befugt gem. § 208 Abs. 1 S. 3 AO (Nr. 123 Abs. 2 AStBV)
– | andere Personen als die Beteiligten sofort um Auskunft anzuhalten, |
– | Auskunftsersuchen ohne Einschränkung mündlich zu stellen, |
– | Vorlage von Urkunden ohne vorherige Befragung des Vorlagepflichtigen zu verlangen |
– | und die Einsicht dieser Urkunden beim Vorlagepflichtigen unabhängig von dessen Einverständnis zu erwirken. |
Anmerkungen
FG Hamburg EFG 1987, 9; FG Hamburg BeckRS 1990, 07240.
4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten › II. Aufgaben und Befugnisse der Steuerfahndung › 4. Prozessuale Befugnisse der Steuerfahndung
4. Prozessuale Befugnisse der Steuerfahndung
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Steuerfahnder sind Ermittlungsbeamte der Staatsanwaltschaft (§ 399 Abs. 2 AO, § 152 GVG). Sie sind gem. § 385 Abs. 1 AO i.V.m. den einschlägigen Vorschriften der StPO befugt, strafrechtliche Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Damit sind sie bei Vorliegen eines Anfangsverdachtes, auch ohne Auftrag der BuStra oder StA, befugt, ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren einzuleiten. Über § 404 AO erhält die Steufa dieselben Rechte und Pflichten wie die Polizei. D.h. sie kann bei Gefahr im Verzug
– | die Durchsuchung nach §§ 102, 103 StPO, |
– | die Beschlagnahme nach §§ 94 Abs. 2, 98 Abs. 1 StPO, |
– | die körperliche Untersuchung des Beschuldigten nach § 81a Abs. 2 StPO oder Dritter nach § 81c Abs. 1 und Abs. 2, Abs. 5 StPO |
– | sowie Maßnahmen nach § 132 StPO (Sicherheitsleistung und Zustellungsbevollmächtigter) anordnen. |
Sofern keine Gefahr im Verzug vorliegt, ist die Steufa jedoch mangels rechtlicher Befugnis verpflichtet, die entsprechenden Anträge auf Anordnung der genannten Maßnahmen über die BuStra oder die StA beim Ermittlungsrichter zu stellen (vgl. Nr. 123 Abs. 3 AStBV). Eine Antragstellung über die StA kommt dann in Betracht, wenn die FinB das Steuerstrafverfahren nach § 386 Abs. 1 AO nicht selbstständig führt oder gegen den Beschuldigten ein Haft- oder Unterbringungsbefehl (§ 386 Abs. 3 AO) erwirkt werden soll oder erlassen worden ist (vgl. Rn. 25 ff.). In der Praxis werden Anträge der genannten Maßnahmen im selbstständigen Ermittlungsverfahren nach § 386 Abs. 2 AO, die der richterlichen Anordnung bedürfen, über den Vorsteher des FAFuSt, der gleichzeitig Leiter der Strafsachenstelle, also der BuStra ist, gestellt (vgl. hierzu Rn. 2). Die BuStra ist im selbstständigen Verfahren nach § 386 Abs. 2 AO die „Staatsanwaltschaft der FinB“ (vgl. Rn. 15 ff.). Selbstständig führt die FinB ein Ermittlungsverfahren durch, wenn die Tat ausschließlich eine Steuerstraftat (§ 386 Abs. 2 Nr. 1 AO) oder eine dieser gleichgestellte Tat (§ 386 Abs. 2 Nr. 2 AO) darstellt (vgl. Rn. 16 f.). Ergibt sich im Laufe der Ermittlungen neben der Steuerstraftat ein Anfangsverdacht einer Nichtsteuerstraftat (z.B. eine Urkundenfälschung nach § 267 StGB) oder ein Grund das Verfahren bspw. wegen des Umfangs des Steuerschadens unverzüglich an die StA abzugeben, geht die selbstständige Verfahrensherrschaft der FinB auf die StA über (vgl. Rn. 26 f.). Ab diesem Zeitpunkt erhält die FinB lediglich eine allgemeine mithin unselbstständige Ermittlungsbefugnis (§ 386 Abs. 1 AO) mit den unter Rn. 25 ff. dargestellten Folgen.
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Im Unterschied zur Polizei holt die Steufa in der Praxis selbstständig Bankauskünfte ein (vgl. Nr. 145, Nr. 146 AStBV). Dieses Recht steht ihr im Besteuerungsverfahren