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Nach § 400 HS 1 AO hat die BuStra ein selbstständiges Antragsrecht auf Erlass eines Strafbefehls. Das Strafbefehlsverfahren kommt grundsätzlich auch bei besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 3 Nr. 1–5 AO in Betracht, da es sich um ein Steuervergehen handelt. Die Finanzverwaltung hält jedoch eine Erledigung der Steuerstrafsache im Strafbefehlsverfahren für nicht geboten, wenn ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vorliegt (vgl. Nr. 84 Abs. 3 AStBV). In jedem Fall sollte im Hinblick auf die Rspr. des 1. Strafsenates des BGH vom 2.12.2008 – 1 StR 416/08 von einem Verfahrensabschluss im Strafbefehlsverfahren abgesehen werden, wenn ein hinreichender Tatverdacht einer Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall mit einem Verkürzungsschaden von 1 Mio. € gegeben ist.[3] Entschließt sich die BuStra einen Strafbefehlsantrag gem. § 400 HS 1 AO zu stellen, leitet sie die Ermittlungsakten an die StA weiter. Bei der StA erfolgt die Registrierung der Steuerstrafsache als Js-Sache, ohne dass darin eine Evokation zu sehen ist, da in jedem Fall, ungeachtet eines möglichen Einspruchs gegen den erlassenen Strafbefehl, die Vollstreckung der Steuerstrafsache nach Rechtskraft durch die StA vorgenommen wird. Ein eigenes inhaltliches Prüfungsrecht des Strafbefehlsantrages bzw. eine Abänderungsbefugnis steht der StA nicht zu.[4] Zum selbstständigen Strafbefehlsantragsrecht vgl. Rn. 68.
Anmerkungen
Meyer-Goßner/Schmitt § 161 Rn. 7; BVerfG NStZ 1996, 45.
H.M., bejahend LG Koblenz wistra 2002, 359 f.; LG Lübeck NJW 2000, 3148; verneinend LG Berlin WM 1984, 772.
Kohlmann/Hilgers-Klautzsch § 400 Rn. 59 f.
Liebsch/Reifelsberger wistra 1993, 325, 328.
4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten › IV. Befugnisse der Finanzbehörde im unselbstständigen Ermittlungsverfahren
IV. Befugnisse der Finanzbehörde im unselbstständigen Ermittlungsverfahren
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Nach § 386 Abs. 1 S. 1 AO ermittelt die FinB Bei dem Verdacht einer Steuerstraftat . . . den Sachverhalt. Damit erhält die FinB eine allgemeine, mithin eine unselbstständige Ermittlungsbefugnis (vgl. hierzu auch Rn. 46 ff.). Aufgrund der Gesetzessystematik ist § 386 Abs. 1 AO als Regel anzusehen, der Abs. 2 der Vorschrift als Ausnahme. In der Praxis ist dies erfahrungsgemäß aber umgekehrt.
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Kommt es im Laufe der steuerstrafrechtlichen Ermittlungen zu einem Anfangsverdacht eines Allgemeindeliktes oder einer Nichtsteuerstraftat (§ 152 Abs. 2 StPO), z.B. einer Urkundenfälschung gem. § 267 StGB, führt dieses Zusammentreffen des Verdachtes eines Allgemeindeliktes mit dem einer Steuerstraftat kraft Gesetz zu einer Zuständigkeitsüberleitung auf die StA. In einem derartigen Fall stellt die Tat nicht mehr ausschließlich eine Steuerstraftat dar (§ 386 Abs. 2 Nr. 1 AO). Der Begriff der Tat ist hier als Tat im prozessualen Sinne nach § 264 StPO zu verstehen.[1] Die FinB, d.h. auch die BuStra, verliert ihre selbstständige Ermittlungsbefugnis mit der Folge, dass ihr nunmehr als Ermittlungsperson der StA (nur noch) die polizeilichen Befugnisse nach § 402 Abs. 1 i.V.m. § 399 Abs. 2 S. 2 AO zustehen. Die FinB behält in diesen Fällen hinsichtlich der verbleibenden Steuerstraftat aber die allgemeine Ermittlungsbefugnis nach § 386 Abs. 1 S. 1 AO sowie die Anordnungsbefugnis für alle Maßnahmen, die geeignet sind, die Verdunkelung der Tat zu verhindern (§ 163 Abs. 1 StPO).
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Wie weit die FinB oder die Steufa ihre Ermittlungen im Rahmen ihrer allgemeinen Ermittlungsbefugnis, ggf. im Auftrag der StA, auch auf eine Nichtsteuerstraftat erstrecken darf, ist umstritten.[2] Bejaht man eine Ermittlungsbefugnis der FinB auch hinsichtlich der Nichtsteuerstraftat, hätte dies zur Folge, dass Ermittlungsmaßnahmen der FinB verjährungsunterbrechende Wirkung (§ 78c Abs. 1 StGB) auch hinsichtlich der Nichtsteuerstraftat entfalten. Stellen das Steuerdelikt und das Allgemeindelikt eine prozessuale Tat dar, führt ein rechtskräftiger Verfahrensabschluss des Steuerdeliktes zu einem Strafklageverbrauch in Bezug auf das Allgemeindelikt. Der BGH und das OLG Braunschweig bejahen eine unselbstständige Ermittlungskompetenz der FinB auch für das Allgemeindelikt.[3] Nach Ansicht des BGH bestehen keine Bedenken gegen eine Ermittlungskompetenz der FinB, wenn das Allgemeindelikt mit dem Steuerdelikt in materieller Tateinheit (§ 52 StGB) stehe. Das OLG Braunschweig nimmt die unselbstständige Ermittlungsbefugnis bereits dann an, wenn das Allgemeindelikt mit dem Steuerdelikt zwar in materieller Tatmehrheit (§ 53 StGB) konkurriere, aber eine prozessuale Tat i.S.d. § 264 StPO gegeben sei (vgl. Rn. 89).
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