2. Auslieferungshindernisse
60
Grundsätzlich kann einer Auslieferung eine Reihe normierter Hindernisse entgegenstehen. Dazu gehören u.a.
– | die Nichtauslieferung eigener Staatsangehöriger (§ 2 IRG; Art. 6 EuAlÜbk), |
– | die Gefahr drohender Todesstrafe (§ 8 IRG), |
– | die drohende Vollstreckung eines definitiven und für den Beschuldigten überraschenden Abwesenheitsurteils (Art. 3 2. ZP-EuAlÜbk, § 73, 83 Nr. 3 IRG) und |
– | weitere Fälle drohender Grund- und Menschenrechtsverletzungen (§ 73 IRG) |
sowie Hindernisse hinsichtlich der Auslieferung/Rechtshilfe bei
– | politischen (§ 6 IRG), |
– | militärischen (§ 7 IRG), |
– | fiskalischen Delikten (Art. 5 EuAlÜbk), |
– | Verjährung (§ 9 Nr. 2 IRG) und |
– | Amnestie (Art. 4 2. ZP-EuAlÜbk). |
61
Im Geltungsbereich des Schengen-Besitzstandes beseitigen Art. 59–66 SDÜ bestimmte Auslieferungshindernisse. So kommt es für die Verjährung auf die Rechtslage im ersuchenden Staat an.[9] Ferner stehen eine eventuelle Amnestie sowie ein Strafantragserfordernis im ersuchten Staat einer Auslieferung grundsätzlich nicht entgegen (Art. 62 Abs. 2, 3 SDÜ). Weitere Auslieferungshindernisse sind durch die Erleichterungen des EuAuslÜbk beseitigt worden. Gem. Art. 3 Abs. 1 EuAuslÜbk besteht eine Ausnahme vom Grundsatz der beiderseitigen Strafbarkeit in Fällen, in denen „die Verabredung einer strafbaren Handlung oder die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung“ mit dem Ziel der Begehung bestimmter Straftaten, v.a. aus dem Bereich des Terrorismus und der organisierten Kriminalität, erfolgt sind.
3. Auslieferungshaft
62
Für dringende Fälle ermöglicht Art. 16 EuAlÜbk die Verhängung vorläufiger Auslieferungshaft nach dem Recht des jeweils ersuchten Staates. Die Auslieferungshaft darf ab dem Zeitpunkt der Verhaftung nicht länger als 40 Tage andauern (Art. 16 Abs. 4 EuAlÜbk), obgleich das IRG teilweise längere Fristen vorsieht.[10]
4. Auslieferung wegen fiskalischer Delikte
63
Einige Besonderheiten gelten gerade im Hinblick auf fiskalische Delikte. Zunächst gilt der Grundsatz, dass in Abgaben-, Steuer-, Zoll- und Devisenstrafsachen die Auslieferung nur bewilligt wird, wenn dies zwischen den betreffenden Staaten für einzelne oder Gruppen von strafbaren Handlungen dieser Art vereinbart worden ist (Art. 5 EuAlÜbk). Hierzu statuiert das Zweite Zusatzprotokoll vom 17.3.1978 (2. ZP-EuAlÜbk)[11] eine Rückausnahme und begründet eine Auslieferungspflicht auch in Fiskalsachen (Art. 2 Abs. 1), auch wenn es an einer gegenseitigen Strafbarkeit fehlt (Art. 2 Abs. 2).
64
Auch das EU-Recht bestimmt ausdrücklich die Auslieferungsfähigkeit von Fiskalstraftaten, sofern diese im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von mindestens zwölf Monaten bedroht sind (Art. 2 Abs. 2, Art. 4 Abs. 2 Nr. 1 RbEuHb). Im Rahmen des Schengen-Besitzstandes sind die Vertragsstaaten bei Straftaten im Bereich indirekter Steuern zur Auslieferung verpflichtet (Art. 63 i.V.m. Art. 50 Abs. 1 SDÜ). Schließlich ist die Auslieferung in Abgaben-, Steuer-, Zoll- und Devisenstrafsachen grundsätzlich auch wegen Handlungen zu bewilligen, die nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaats einer strafbaren Handlung derselben Art entsprechen (Art. 6 Abs. 1 EUAuslÜbk) und darf nicht wegen Unterschieden in den Abgaben-, Steuer-, Zoll- und Devisenbestimmungen abgelehnt werden (Art. 6 Abs. 3 EUAuslÜbk).
Anmerkungen
Sieber/Satzger/v. Heintschel-Heinegg/Lagodny § 31 Rn. 9.
V. 13.12.1957, ETS Nr. 24; BGBl II 1964, 1369; 1976, 1778; I 1982, 2071; II 1994, 299.
V. 15.10.1975 und v. 17.3.1978, ETS Nr. 86 (von der BRD nicht ratifiziert) und ETS Nr. 98; BGBl II 1990, 118; 1991, 874.
ABlEG Nr. C 313/11 v. 23.10.1996; vgl. das dt. Zustimmungsgesetz v. 27.9.1998 (BGBl II 1998, 2253).
ABlEG Nr. C 78/2 v. 30.3.1995; vgl. das dt. Zustimmungsgesetz v. 7.9.1998 (BGBl II 1998, 2229, 2253; 1999, 357).
Vgl. Schomburg/Lagodny § 3 IRG Rn. 2 ff.
BGBl II 1998, 2327.
Sieber/Satzger/v. Heintschel-Heinegg/Lagodny § 31 Rn. 33.
BGH NStZ-RR 2010, 177.
Ambos § 12 Rn. 24.
BGBl II, 1990, 118; 1991, II 1991, 874.
6. Kapitel Europarechtliche Verfahrensvorschriften › C. Verfahren der europäischen Zusammenarbeit in Strafsachen › II. Gemeinsame Ermittlungsgruppen (GEG)
II. Gemeinsame Ermittlungsgruppen (GEG)
65
Die Zusammenarbeit von zwei oder mehr Mitgliedstaaten in GEG kann sowohl auf Art. 13 EU-RhÜbk[1] – auf nationaler Ebene umgesetzt durch § 93 IRG – als auch auf einen gesonderten Rahmenbeschluss[2] gestützt werden. GEG können für einen bestimmten Zweck und für einen begrenzten Zeitraum eingerichtet werden (Art. 13 Abs. 1 EU-RhÜbk). Dies kann