1. Einrichtung von GEG
66
Die Einrichtung einer GEG erfordert zunächst den Abschluss einer zwischenstaatlichen Vereinbarung.[3] Ersucht ein Mitgliedstaat um die Bildung einer GEG, ist dies einem Ersuchen um Rechtshilfe gleichzusetzen.[4] Seit 2010 steht hierfür eine Modell-Vereinbarung zur Verfügung, wonach u.a. die beteiligten Mitgliedstaaten, der Zweck der GEG, der Zeitraum sowie die Zusammensetzung zu benennen sind.[5] Grundsätzlich wird die GEG von einem Vertreter der an den strafrechtlichen Ermittlungen beteiligten zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Einsatz der Gruppe erfolgt, geleitet (Art. 13 Abs. 3 lit. a EU-RhÜbk). Die Befugnisse des Gruppenleiters richten sich nach dem jeweiligen nationalen Recht, dem auch die für den konkreten Einsatz der GEG relevanten Rechtsvorschriften zu entnehmen sind (Art. 13 Abs. 1 lit. b EU-RhÜbk). Besondere Bedingungen können jedoch von den Entsendebehörden in der Vereinbarung zur Bildung der Gruppe festgelegt werden. Neben dem Gruppenleiter bestehen GEG regelmäßig aus den Teammitgliedern, abgeordneten Mitgliedern und sonstigen Teilnehmern. Die Teammitglieder rekrutieren sich aus Justiz-, Polizei- oder anderen Ermittlungs-Behörden der teilnehmenden Mitgliedstaaten. Abgeordnete Mitglieder stammen aus einem Mitgliedstaat, in welchem die GEG nicht tätig wird. Sonstige Teilnehmer repräsentieren keine Behörden aus Mitgliedstaaten sondern stammen z.B. aus Drittstaaten.
67
Schließlich liegt es in der Verantwortung des Einsatzmitgliedstaats, die notwendigen Voraussetzungen für den Einsatz der GEG zu schaffen. Dazu gehört insb. auch ein Anwesenheitsrecht bei den Einsatzmaßnahmen.[6] Ersuchen der GEG um Ermittlungsmaßnahmen an einen teilnehmenden Mitgliedstaat sind von den zuständigen nationalen Behörden wie innerstaatliche Anfragen zu behandeln (Art. 13 Abs. 7 EU-RhÜbk). Auch haben die Mitglieder der GEG in gleichem Umfang Zugang zu Informationen aus den polizeilichen Informationssystemen wie Mitglieder nationaler Behörden.[7] Unterstützung von nicht an der GEG beteiligten Mitgliedstaaten sowie Drittstaaten kann im Wege der „klassischen“ Rechtshilfe erlangt werden (Art. 13 Abs. 8 EU-RhÜbk).
2. Beteiligung weiterer internationaler Organisationen
68
Das Europol-Personal kann (anders als nach alter Rechtslage nicht mehr nur in unterstützender Funktion) an GEG mitwirken und Informationen mit allen Mitgliedern der GEG austauschen (Art. 5 Abs. 1 und 2 Europol-VO). Dazu gehören ausdrücklich auch solche Informationen, die aus den Informationsverarbeitungssystemen von Europol stammen, welche an die übrigen Mitglieder der GEG weitergegeben werden dürfen (Art. 5 Abs. 3 Europol-VO). Umgekehrt ist das Europol-Personal befugt, solche Informationen, die im Rahmen der Teilnahme an der GEG erlangt werden, in die Informationsverarbeitungssysteme einzugeben, sofern die Zustimmung des betreffenden Mitgliedstaates vorliegt (Art. 6 Abs. 4 Europol-VO).
69
Die Anwendung von Zwangsmaßnahmen ist Europol jedoch ausdrücklich und generell – mithin nicht nur im Rahmen von GEG – untersagt (Art. 4 Abs. 5 Europol-VO). Nach der neuen Rechtslage beschränkt sich das Verbot somit nicht mehr auf eine „Teilnahme“ an Zwangsmaßnahmen. Da jedoch die nationalen Vorschriften nach wie vor die reine Anwesenheit von Europol-Bediensteten während der Durchführung von Zwangsmaßnahmen jedenfalls nicht ausdrücklich ausschließen (vgl. § 93 IRG), muss diese weiterhin als zulässig angesehen werden. Indes genießen Europol-Bedienstete während ihrer Tätigkeit im Rahmen von GEG keine Immunität.[8]
70
Auch Eurojust als Kollegium kann – im Gegensatz zu Europol – die Mitgliedstaaten um die Einrichtung von GEG ersuchen (Art. 7 Abs. 1 lit. a Ziff. iv Eurojust-Beschluss). Bedienstete von Eurojust können nach Art. 13 Abs. 12 EU-RhÜbk an GEG teilnehmen (Art. 9f Eurojust-Beschluss). Die Institution spielt in diesem Zusammenhang aber auch deshalb eine besondere Rolle, weil Eurojust das Sekretariat des Netzes gemeinsamer Ermittlungsgruppen beherbergt (Art. 25a Abs. 2 Eurojust-Beschluss).
Anmerkungen
Rechtsakt des Rates vom 29.5.2000 über die Erstellung des Übereinkommens – gem. Art. 34 des Vertrags über die Europäische Union – über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (2000/C 197/01), ABlEU Nr. C 197/3 v. 12.7.2000.
Rahmenbeschluss des Rates vom 13.6.2002 über gemeinsame Ermittlungsgruppen (2002/465/JI), ABlEU Nr. L 162/1 v. 20.6.2002. Dieser wird gem. Art. 5 außer Kraft treten, sobald das EU-RhÜbk in allen Mitgliedstaaten in Kraft getreten ist. Derzeit steht nur noch die Umsetzung in Italien aus.
Ein Muster für eine Vereinbarung über die Bildung einer GEG findet sich in Anhang II des Handbuchs zu GEG, Ratsdok. 15790/11.
Sieber/Satzger/v. Heintschel-Heinegg/Neumann § 34 Rn. 4.
Entschließung des Rates vom 26.2.2010 zu einem Modell für eine Vereinbarung über die Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe (GEG) (2010/C 70/01), ABlEU Nr. C 70/1 v. 19.3.2010.
Sieber/Satzger/v. Heintschel-Heinegg/Neumann § 34 Rn. 4.
Sieber/Satzger/v. Heintschel-Heinegg/Neumann § 34 Rn. 5.
Art. 2 des zweiten Änderungsprotokolls, Rechtsakt des Rates vom 28.11.2002 zur Erstellung eines Protokolls zur Änderung des Übereinkommens über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts (Europol-Übereinkommen) und des Protokolls über die Vorrechte und Immunitäten für Europol, die Mitglieder der Organe, die stellvertretenden Direktoren und die Bediensteten von Europol, ABlEU Nr. C 312/2 v. 16.12.2002.
6. Kapitel Europarechtliche Verfahrensvorschriften › C. Verfahren der europäischen Zusammenarbeit in Strafsachen › III. Europäischer Haftbefehl (EuHb)
III. Europäischer Haftbefehl (EuHb)
71
Als erste Ausprägung des Paradigmenwechsels vom klassischen Rechtshilferecht hin zum Prinzip der gegenseitigen Anerkennung kann der Europäische Haftbefehl (EuHb) angesehen werden. Er dient der Übergabe von Personen zur Strafverfolgung und Strafvollstreckung gem. der Idee eines einheitlichen Rechtsraums und soll das als zeitaufwändig, schwerfällig und komplex empfundene Auslieferungsverfahren klassischer Prägung durch ein „System des freien Verkehrs strafrechtlich justizieller Entscheidungen“ ersetzten.[1] Im Gegensatz zur traditionellen Auslieferung findet das Verfahren unmittelbar zwischen Justizbehörden statt und die Durchführung benötigt deshalb