a) Sachlicher Markt
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Der sachlich relevante Markt umfasst grundsätzlich sämtliche Erzeugnisse bzw. Dienstleistungen, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar angesehen werden.[51] Zentrales Kriterium, dem sowohl die Europäischen Gerichte als auch die Kommission folgen, ist demnach die Austauschbarkeit der Produkte aus Sicht des Verbrauchers. Für die Feststellung der konkreten Austauschbarkeit kommt es vor allem auf die Produktmerkmale und den Verwendungszweck der betroffenen Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen an.[52] Als Produktmerkmale kommen dabei insbesondere technische, physikalische oder chemische Eigenschaften in Betracht. Die objektiven Produkteigenschaften sind aber nicht allein ausschlaggebend, da selbst gleichartige Produkte nicht als substituierbar angesehen werden können, wenn sie aus Sicht der Verbraucher unterschiedliche Verwendung finden. Produkte sind nur dann austauschbar, wenn sie von den Verbrauchern in gleicher Weise verwendet werden können. Häufig untersucht die Kommission im Zusammenhang mit der Nachfragesubstituierbarkeit, ob die Abnehmer der Produkte als Reaktion auf eine angenommene kleine dauerhafte Erhöhung der relativen Preise um etwa 5-10 % auf andere Produkte ausweichen würden.[53] Ergänzend berücksichtigt die Kommission zudem die angebotsseitige Austauschbarkeit. Nach dem Konzept der Angebotsumstellungsflexibilität können auch solche Produkte zu einem Markt gehören, die zwar aus Sicht der Nachfrager nicht austauschbar sind, auf die die Anbieter ihre Produktion aber ohne größere technische oder wirtschaftliche Schwierigkeiten zeitnah umstellen können.[54]
b) Räumlicher Markt
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Die räumliche Marktabgrenzung dient dem Zweck, das geographische Territorium zu fixieren, auf dem die Auswirkungen des Zusammenschlusses, insbesondere die Marktmacht der beteiligten Unternehmen und ihrer Wettbewerber untersucht werden sollen. Die Bestimmung des räumlich relevanten Marktes ist gerade in dem sich dynamisch entwickelnden europäischen Binnenmarkt einerseits außerordentlich schwierig, andererseits aber von herausragender Bedeutung. Der räumlich relevante Markt wird allgemein definiert als „Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmen die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet“.[55] Es kommt mithin auf das Gebiet an, in dem die Marktteilnehmer ihre Produkte und Dienstleistungen zu vergleichbaren Bedingungen ohne wirtschaftlich erhebliche Marktschranken vertreiben können. Die hierfür erforderliche Homogenität der Wettbewerbsbedingungen wird mittels eines zweistufigen Tests geprüft. Zunächst wird untersucht, ob die Wettbewerbsbedingungen innerhalb des Hauptvertriebsgebietes der betreffenden Produkte hinreichend gleichförmig sind. Ist dies der Fall, so ist zu prüfen, ob sich die Wettbewerbsbedingungen hinreichend von denen in angrenzenden Gebieten unterscheiden. Insoweit kommt es vor allem auf das Bestehen von Marktzutrittsschranken an. Weitere Kriterien, die von der Kommission zur Überprüfung der Homogenität eines Marktes herangezogen werden, sind die Zugangsbedingungen zu den Vertriebswegen, der Sitz des Unternehmens, Verbrauchergewohnheiten, das Bestehen erheblicher Unterschiede bei den Marktanteilen der Unternehmen oder nennenswerter Preisunterschiede zwischen dem Gebiet und den benachbarten Gebieten, die Erforderlichkeit einer Gebietspräsenz, um in einem bestimmten Gebiet verkaufen zu können, die Kosten der Errichtung eines Vertriebsnetzes sowie insbesondere die Transportkosten.
Im Einzelnen hat die Kommission bislang unterschieden zwischen lokalen, regionalen, nationalen, mehrere Mitgliedstaaten umfassenden und gemeinschaftsweiten Märkten sowie schließlich Weltmärkten.
2. Erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs
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Nachdem festgestellt wurde, auf welchen relevanten Märkten die beteiligten Unternehmen tätig sind, ist in einem zweiten Schritt zu untersuchen, ob durch den Zusammenschluss wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung. Die Kommission unterscheidet bei der Anwendung des Untersagungskriteriums grundsätzlich zwischen koordinierten Wirkungen und nicht koordinierten Wirkungen.[56] Dahinter steht die Überlegung, dass sich wettbewerbswidrige Effekte eines Zusammenschlusses zwischen Wettbewerbern sowohl aus einer Erhöhung individueller Marktmacht ergeben können, die ein Unternehmen unabhängig von anderen ausüben kann, als auch daraus, dass mehrere Unternehmen die Möglichkeit haben, ihr Verhalten (stillschweigend) aufeinander abzustimmen. Die letztgenannte Fallgestaltung sog. koordinierter Wirkungen stimmt dabei mit der Rechtsfigur der Oligopolmarktbeherrschung überein. Ein Zusammenschluss kann allerdings auch zu einer Verringerung des Wettbewerbsdrucks und damit zu einer Erhöhung der Marktmacht eines oder mehrerer Unternehmen führen, ohne dass die Unternehmen die Möglichkeit zu einem koordinierten Verhalten haben. In den meisten Fällen werden solche nicht koordinierten Wirkungen darauf zurückzuführen sein, dass ein Unternehmen über eine so große Marktmacht verfügt, dass es sich unabhängig von seinen Wettbewerbern, Abnehmern und letztlich den Verbrauchern verhalten kann. Das Unternehmen hat in diesem Fall eine einzelmarktbeherrschende Stellung inne. Eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs kann aber auch dann gegeben sein, wenn ein Unternehmen in einem oligopolistischen Markt zwar nicht beherrschend ist, aufgrund der zusammenschlussbedingten Beseitigung wichtiger Wettbewerbszwänge aber in die Lage versetzt wird, die Wettbewerbsparameter auf dem Markt spürbar und nachhaltig zu beeinträchtigen.
a) Einzelmarktbeherrschung
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Weder die FKVO noch das sonstige europäische Recht enthalten eine Legaldefinition des Begriffs der beherrschenden Stellung. Nach der inzwischen zur Standardformel gewordenen Definition des EuGH ist die beherrschende Stellung als die wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens anzusehen, die dieses in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten.[57] Ob durch einen konkreten Zusammenschluss nun eine beherrschende Stellung eines Unternehmens begründet oder verstärkt wird, ergibt sich aus einem Vergleich der Wettbewerbsstruktur des betroffenen Marktes vor und nach dem Zusammenschluss und ist differenziert nach der Richtung des Zusammenschlusses zu beurteilen. Horizontal sind Zusammenschlüsse zwischen Unternehmen, die auf demselben sachlichen und räumlichen Markt auf der gleichen Marktstufe tätig sind. Vertikale Zusammenschlüsse sind solche zwischen Anbietern und Nachfragern aufeinander unmittelbar nachfolgenden Marktstufen. Konglomerat sind schließlich alle Zusammenschlüsse zwischen Unternehmen, die sich weder auf einem Markt als Wettbewerber noch auf Vor- oder Nachstufen als Anbieter und Nachfrager gegenüberstehen.
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Bei der Marktbeherrschungsprüfung der Kommission stehen die Marktanteile der neuen Unternehmenseinheit und der Abstand zu den übrigen Konkurrenten ganz im Vordergrund, wobei die FKVO keine expliziten Vermutungsschwellen enthält. Die Gemeinschaftsorgane gehen davon aus, dass sehr hohe individuelle Marktanteile von über 80 % schon per se – wenn nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen – allein aufgrund ihrer absoluten Bedeutung ohne Weiteres den Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung erbringen, insbesondere dann, wenn die Anteile der übrigen Konkurrenten viel kleiner sind.[58] Bei Marktanteilen zwischen 45 und 80 % genügt der bloße Hinweis auf die Marktanteilshöhe grundsätzlich nicht für die Annahme einer marktbeherrschenden Stellung, da diese dennoch aufgrund effektiven Wettbewerbs