Kommt es nach der (anmeldefreien) Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens ohne Vollfunktionscharakter zu Änderungen in Bezug auf die hierfür maßgeblichen Umstände, so kann dies einen anmeldepflichtigen Zusammenschluss bewirken, wenn das Gemeinschaftsunternehmen hierdurch erstmals zu einer selbstständigen wirtschaftlichen Einheit wird.
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Ein Gemeinschaftsunternehmen ist auf Dauer angelegt, wenn es dazu bestimmt und in der Lage ist, seine Tätigkeit zeitlich unbegrenzt, zumindest aber langfristig auszuüben. In der Praxis werden von der Kommission fünf Jahre regelmäßig als dauerhaft angesehen.[27]
II. Gemeinschaftsweite Bedeutung
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Die FKVO findet auf alle Zusammenschlüsse Anwendung, die eine gemeinschaftsweite Bedeutung haben (Art. 1 Abs. 1 FKVO). Die gemeinschaftsweite Bedeutung bestimmt sich ausschließlich anhand der in Art. 1 Abs. 2 und Abs. 3 festgelegten quantitativen Umsatzschwellen, die von den beteiligten Unternehmen erreicht werden müssen. Dagegen ist es für die Anwendung der FKVO ohne Belang, ob bestimmte Marktanteile oder qualitative Kriterien erreicht werden und wo die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen ihren Sitz oder Tätigkeitsschwerpunkt haben.
1. Umsatzschwellen
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Die FKVO enthält zwei Gruppen von Schwellenwerten. Die Hauptaufgreifschwelle des Art. 1 Abs. 2 ist seit der Einführung der europäischen Fusionskontrolle im Jahr 1990 unverändert. Danach hat ein Zusammenschluss gemeinschaftsweite Bedeutung, wenn alle beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr einen weltweiten Gesamtumsatz von zusammen mehr als 5 Mrd. EUR erzielt haben (vgl. Art. 5 Abs. 1 S. 1). Darüber hinaus ist zusätzlich erforderlich, dass mindestens zwei der beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr jeweils einen Umsatz von mehr als 250 Mio. EUR in der EU erzielt haben.
Die so festgestellte gemeinschaftsweite Bedeutung entfällt jedoch wieder, mit der Folge der Unanwendbarkeit der FKVO, wenn alle beteiligten Unternehmen jeweils mehr als zwei Drittel ihres gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes in einem und demselben Mitgliedstaat erzielen. Diese „Zwei-Drittel-Regel“ dient dazu festzustellen, ob die Aktivitäten der Unternehmen einen gewissen Mindestumfang in der EG erreichen, und soll Transaktionen mit überwiegend nationaler Bedeutung von der Gemeinschaftskontrolle ausnehmen. Bei Beteiligung eines Konzernunternehmens hängt die Zuständigkeit von der Verteilung des Umsatzes des Gesamtkonzerns ab.
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Fällt ein Zusammenschluss nicht unter die Hauptaufgreifschwelle des Art. 1 Abs. 2, so kann er gleichwohl gemeinschaftsweite Bedeutung haben, wenn er die in Art. 1 Abs. 3 festgelegten Schwellenwerte erreicht. Sinn dieser mit der Revision der FKVO im Jahr 1998 eingeführten Auffangschwellen ist es, diejenigen Zusammenschlüsse, die zwar nicht unter Art. 1 Abs. 2 fallen, die aber dennoch erhebliche grenzüberschreitende Auswirkungen haben, da sie in mindestens drei Mitgliedstaaten angemeldet werden müssten, aus Gründen der Vereinfachung, Vereinheitlichung und Beschleunigung dennoch der ausschließlichen Zuständigkeit der Kommission und damit dem „one stop shop“-Prinzip der FKVO zu unterstellen.
Art. 1 Abs. 3 sieht folgende kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen vor: Der weltweite Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen beträgt zusammen mehr als 2,5 Mrd. EUR, der Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen in mindestens drei Mitgliedstaaten übersteigt jeweils 100 Mio. EUR, in jedem von mindestens drei dieser Mitgliedstaten beträgt der Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen jeweils mehr als 25 Mio. EUR, und der gemeinschaftsweite Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen übersteigt jeweils 100 Mio. EUR. Auch hier entfällt die gemeinschaftsweite Bedeutung jedoch wieder, wenn die beteiligten Unternehmen jeweils mehr als zwei Drittel ihres gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat erzielen.
2. Beteiligte Unternehmen
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Der Begriff des „beteiligten Unternehmens“, der in Art. 1 wiederholt verwendet wird und für die Berechnung des Erreichens der Umsatzschwellen der FKVO von entscheidender Bedeutung ist, wird von der FKVO vorausgesetzt und selbst nicht definiert. In ihrer Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen hat die Kommission Leitlinien zur Auslegung des Begriffs zusammengefasst, um Auslegungsschwierigkeiten in der Praxis zu vermeiden.[28] Welche Unternehmen als beteiligt i.S.d. FKVO anzusehen sind, hängt danach von der Art des jeweiligen Zusammenschlusstatbestandes ab. Im Falle einer Fusion sind die beteiligten Unternehmen die einzelnen fusionierenden Unternehmen.[29] Beim Erwerb der alleinigen Kontrolle über ein gesamtes Unternehmen sind beteiligte Unternehmen das erwerbende Unternehmen und das zu erwerbende Zielunternehmen.[30] Erfolgt der Erwerb eines Unternehmens durch ein Unternehmen einer Unternehmensgruppe, so ist neben dem übernommenen Zielunternehmen nur die erwerbende Tochtergesellschaft direkt Beteiligte. Allerdings werden für die Umsatzberechnung die Umsätze der gesamten Gruppe berücksichtigt (Art. 5 Abs. 4). Der Veräußerer der Geschäftsanteile oder Vermögensgegenstände ist hingegen kein beteiligtes Unternehmen, da sein wettbewerblicher Einfluss auf das zu veräußernde Unternehmen mit Abschluss der Transaktion endet.
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Erwirbt ein Unternehmen die alleinige Kontrolle über Teile eines anderen Unternehmens, etwa über eine Produktionsstätte, eine Tochtergesellschaft oder Vermögensgegenstände, denen ein Umsatz zugeordnet werden kann, so sind beteiligte Unternehmen das erwerbende Unternehmen und die zu übernehmenden Teile des Veräußerers, weil Letztere als übergehendes Substrat der Wettbewerbsposition ebenfalls für die Änderung der Wettbewerbsstruktur durch den Zusammenschluss von Bedeutung sind.[31] Auch in diesem Fall ist der Veräußerer hinsichtlich der bei ihm verbleibenden Teile kein beteiligtes Unternehmen. Er wird nur ausnahmsweise dann zum beteiligten Unternehmen, wenn er lediglich einen Teil seiner Geschäftsanteile veräußert und danach nicht mehr alleine, sondern nun zusammen mit dem Käufer die Kontrolle über das verkaufte Unternehmen ausübt.[32]
Im Fall der Neugründung eines Gemeinschaftsunternehmen sind nur die das Unternehmen kontrollierenden Gründer beteiligte Unternehmen, da das Gemeinschaftsunternehmen zum Zeitpunkt der Anmeldung noch keinen eigenen Umsatz erzielt.[33] Erwerben mehrere Unternehmen die gemeinsame Kontrolle über ein bereits bestehendes Unternehmen, sind beteiligte Unternehmen zum einen jene Unternehmen, die die gemeinsame Kontrolle erwerben und zum anderen das Gemeinschaftsunternehmen selbst.[34]
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Zu Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Beteiligten kann es dann kommen, wenn ein Gemeinschaftsunternehmen als Erwerber auftritt. Grundsätzlich sind zunächst nur das Gemeinschaftsunternehmen und das zu erwerbende Unternehmen, nicht jedoch die Muttergesellschaften des Gemeinschaftsunternehmens die beteiligten Unternehmen. Handelt es sich bei dem Gemeinschaftsunternehmen jedoch um eine von den Muttergesellschaften paritätisch beherrschte Mantelgesellschaft, so lüftet die Kommission den „Schleier des zwischengeschalteten Unternehmens“ und sieht statt des transparenten Akquisitionsvehikels jede Muttergesellschaft neben dem zu erwerbenden Unternehmen als beteiligtes Unternehmen an, wenn das Gemeinschaftsunternehmen speziell für den Erwerb des Zielunternehmens gegründet wird, es sich hierbei nicht um ein Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen handelt oder wenn nachgewiesen werden kann, dass die Muttergesellschaften die eigentlichen Akteure bei dem Vorhaben sind.[35]
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Bei Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse an einem Gemeinschaftsunternehmen, etwa durch das Ausscheiden bisheriger oder das Hinzutreten neuer Gesellschafter, sieht die Kommission alle nach Abschluss der Transaktion die Kontrolle ausübenden Unternehmen sowie das Gemeinschaftsunternehmen als Beteiligte an, nicht jedoch die ausscheidenden Gesellschafter.[36]
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