3. Das Hauptprüfungsverfahren (Phase II)
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Mit der Einleitung des Hauptprüfungsverfahrens beginnt ein neuer Verfahrensabschnitt mit neuer Fristenrechnung. Innerhalb von 90 Arbeitstagen muss die Kommission nun endgültig über die Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt entscheiden (Art. 10 Abs. 2). Diese Frist verlängert sich auf 105 Arbeitstage, wenn die beteiligten Unternehmen Zusagen anbieten, es sei denn, das Zusagenangebot wurde weniger als 55 Arbeitstage nach Einleitung des Verfahrens unterbreitet (Art. 10 Abs. 3). Darüber hinaus wird die Frist gem. Art. 10 Abs. 3 auf Antrag der beteiligten Unternehmen, der spätestens 15 Arbeitstage nach Einleitung des Verfahrens gestellt werden muss, um bis zu 20 Tage verlängert. Erhärten sich die Bedenken der Kommission aufgrund ihrer Ermittlungen, insbesondere in Form von schriftlichen Auskunftsverlangen an die beteiligten Unternehmen bzw. an deren Wettbewerber und Abnehmer, so übermittelt sie den Beteiligten ihre Beschwerdepunkte (statement of objections). Die Beschwerdepunkte – wie auch die anschließende mündliche Anhörung – dienen der Gewährung rechtlichen Gehörs.
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Die Kommission kann das Hauptprüfungsverfahren durch drei mögliche Entscheidungen abschließen: Freigabe des Zusammenschlusses (Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 1), Freigabe unter Bedingungen und Auflagen (Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2) oder Untersagung (Art. 8 Abs. 3). Soweit die beteiligten Unternehmen im Wege von Zusagen eine Änderung des ursprünglichen Zusammenschlussvorhabens vorschlagen, um eine Freigabeentscheidung zu erreichen, sind diese der Kommission nicht später als 65 Arbeitstage nach dem Zeitpunkt der Einleitung des Hauptprüfungsverfahrens vorzulegen (Art. 19 Abs. 2 VerfO FKVO). Genauso wie im Vorverfahren kann die Kommission in diesem Fall ihre Entscheidung mit Bedingungen und Auflagen verbinden, um sicherzustellen, dass die Zusagen auch eingehalten werden.
Haben die Unternehmen den Zusammenschluss bereits vor einer Untersagungsentscheidung oder unter Verstoß gegen eine Bedingung vollzogen, kann die Kommission dessen Entflechtung anordnen (Art. 8 Abs. 4).[75]
4. Vollzugsverbot
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Vor einer Freigabeentscheidung im Vor- oder Hauptverfahren darf ein anmeldepflichtiger Zusammenschluss nicht vollzogen werden (Art. 7 Abs. 1).
a) Inhalt des Vollzugsverbots
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Was genau unter dem Begriff des „Vollzugs“ zu verstehen ist, wird in der FKVO nicht definiert. Unstreitig ist zunächst, dass der Abschluss des dem Erwerbsvorgang zugrundeliegenden Kausalgeschäftes, etwa eines Kaufvertrags über Unternehmensanteile, keinen Vollzug darstellt, da der Erwerbsvorgang hierdurch noch nicht bewirkt wird. Vollzugshandlungen sind jedoch alle Rechtshandlungen, die die Vollendung des Zusammenschlusses herbeiführen, wie etwa die dingliche Übertragung von Gesellschaftsanteilen oder von Vermögenswerten. Aus diesem Grund sollte das dingliche Vollzugsgeschäft in einem Unternehmenskaufvertrag stets unter die aufschiebende Bedingung der Freigabe durch die Kommission gestellt werden. Darüber hinaus können auch rein tatsächliche Handlungen einen faktischen Vollzug eines Zusammenschlusses bewirken. Solche faktischen Vollzugsmaßnahmen sind tatsächliche Handlungen, welche die Wirkungen des Zusammenschlusses vorwegnehmen. Die Abgrenzung zu zulässigen Vorbereitungsmaßnahmen kann im Einzelfall schwierig sein. Nach der Rechtsprechung des EuGH werden vom Vollzugsverbot alle Vorgänge umfasst, die ganz oder teilweise, tatsächlich oder rechtlich zu einer Veränderung der Kontrolle über das Zielunternehmen beitragen bzw. hierfür erforderlich sind.[76] Beispielsfälle für unzulässige faktische Vollzugshandlungen sind die Möglichkeit zur faktischen Einwirkung des Erwerbers auf die Unternehmensführung, auf die Ernennung oder Abberufung von Führungskräften der Zielgesellschaft oder der vorzeitige Transfer von Managementverantwortung auf den Erwerber, die organisatorische Zusammenführung und Integration der sich zusammenschließenden Unternehmen, das Aufsetzen eines gemeinsamen Reportings, die Integration von EDV-Systemen, die Abstimmung und Anpassung von Produkten, die Abstimmung der jeweiligen Marketing- und Absatztätigkeiten, ein gemeinsamer Marktauftritt (z.B. bei Messen) oder ein gemeinsamer Vertrieb. Grundsätzlich zulässig sind dagegen reine Vorbereitungshandlungen wie gemeinsame Personalplanungen und Benennung zukünftiger Teams und Führungspositionen (sofern die Posten erst nach Freigabe übernommen werden), die Erarbeitung der (gemeinsamen) Reporting- und Organisationsstrukturen, das Erarbeiten der zukünftigen Unternehmensstrategie, des gemeinsamen Marktauftritts oder des Geschäftsplans für die Zeit nach Wegfall des Vollzugsverbots und Informationsveranstaltungen mit den Mitarbeitern des Zielunternehmens. Nicht abschließend geklärt ist, ob bereits die einseitige Zahlung des Kaufpreises durch den Erwerber gegen das Vollzugsverbot verstößt. Zum Teil wird argumentiert, dass ein Veräußerer, der bereits den vollständigen Kaufpreis und nicht nur eine Anzahlung erhalten habe, das Geschäft automatisch im Interesses des Erwerbers weiter führen wird. Hiergegen spricht jedoch, dass eine solche Rücksichtnahme im Geschäftsleben keineswegs pauschal angenommen werden kann und überhaupt nur dann in Betracht kommt, wenn der Veräußerer bislang selbst unmittelbar in die Unternehmensführung eingebunden war (z.B. als geschäftsführender Gesellschafter).
b) Maßnahmen zwischen Signing und Closing (pre closing covenants)
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In vielen Unternehmenskaufverträgen wird geregelt, dass der Veräußerer während des Zeitraums zwischen dem Abschluss des Kaufvertrages (Signing) und dessen dinglichem Vollzug (Closing) bestimmte, das Zielunternehmen betreffende Maßnahmen, nicht oder nur mit vorheriger Zustimmung des Erwerbers durchführen darf. Der Erwerber soll hierdurch davor geschützt werden, dass der wirtschaftliche Wert des Zielunternehmens, der Grundlage für die Berechnung des Kaufpreises war, nachträglich geschmälert wird, etwa indem Vermögensgegenstände veräußert oder Darlehen aufgenommen werden. Grundsätzlich sind solche ‚pre closing covenants‘ mit dem Vollzugsverbot vereinbar, wenn sie sich darauf beschränken, den Wert des Erwerbssubstrats zu erhalten und grundlegende Veränderungen zu verhindern.[77] Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich die ‚pre closing covenants‘ nicht hierauf beschränken, sondern eine Einflussnahme des Erwerbers auf das Alltagsgeschäft des Zielunternehmens ermöglichen. So hat die Kommission einen Katalog von zustimmungsbedürftigen Maßnahmen als Verstoß gegen das Vollzugsverbot beanstandet, der einen Zustimmungsvorbehalt bei der Bestellung und Abberufung des „Senior Managements“ vorsah, dem Erwerber Einfluss auf die Preispolitik, auf Kundenverträge und Werbekampagnen des Zielunternehmens gewährte und derart niedrige Wertschwellen vorsah, dass der Erwerber Einfluss auf das Tagesgeschäft des Zielunternehmens erhielt.[78] Für die Frage, wann eine Wertschwelle zu niedrig ist, stellte die Kommission vor allem auf einen Vergleich des Schwellenwertes mit dem Unternehmenswert/Kaufpreis und dem Jahresumsatz des Zielunternehmens ab sowie auf eine vergleichende Analyse, welche Verträge der Erwerber in der Due Dilligence als prüfenswert angesehen hatte.
c) Ausnahmen und Befreiung vom Vollzugsverbot
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Auf Antrag der Beteiligten kann die Kommission unter engen Voraussetzungen eine Befreiung vom Vollzugsverbot erteilen (§ 7 Abs. 3). Eine Ausnahme vom Vollzugsverbot gilt für öffentliche Kauf- oder Tauschangebote, die bei der Kommission angemeldet wurden (Art. 7 Abs. 2).
d) Rechtsfolgen eines Verstoßes